Ende einer Odyssee
Einfach nicht vorstellbar

Shakeel Masih im Kreis von Freunden
3Bilder

Finkenberg (fw). Der fragwürdige Umgang mit einem verfolgten Menschen war für viele Anwesende in der Bücherei Finkenberg genauso unvorstellbar, wie Ängste und Erfahrungen am Weg nach Österreich. Shakeel Masih, Bernhard Teissl-Mederer und Hans Stock berichteten über eine Odyssee.

Platzprobleme habe es in der Bücherei Finkenberg sehr selten bis „noch gar nie“ gegeben, freute sich Sabine Geisler im Namen ihres Teams. So entsetzt man in Finkenberg imFrühjahr 2016 auf die nächtliche Abholung von Shakeel Masih durch die Fremdenpolizei reagiert hat, so sehr freut man sich jetzt für ihn über ein einziges Wort: Positiv. Gemeint ist damit sein Asylbescheid. Das ständige verstecken müssen ist endlich vorbei. Auch die Ungewissheit über den Ausgang eines ewig dauernden Verfahrens. Vor allem aber eine 13jährige Odyssee, die nach Verfolgung und Folter in der Heimat begonnen hat, und mit grauenvollen Strapazen auf einer fast unendlichen Flucht in ein friedliches Leben gespickt war.

Unvorstellbar I
Sich frei bewegen, in andere Länder reisen und an was auch immer glauben zu dürfen ... das sei in Pakistan einfach nicht möglich gewesen. Allein sein Familienname habe ihn von Kindheit an gebrandmarkt. „Masih bedeutet Christ“, erklärt Bernhard Teissl-Mederer als Obmann des Freundeskreises FH St. Gertraudi. „Er und seine Familie waren damit eine Minderheit in einem muslimischen Land und Menschen unterster Klasse“. Als Shakeel Mitchristen aus seinem Heimatort mit dem Traktor eines Bauern – für den er arbeitete – zum Gottesdienst in die Nachbarstadt brachte, und sein Tun einer lokalen kriminellen Gruppe daheim missfiel, sprach sein Vater etwas Unvorstellbares aus: Verlasse bitte deine Heimat, damit wir wieder ein halbwegs erträgliches Leben führen können! Aus Angst vor Repressalien durch Shakeels Peiniger musste auch der Bauer Shakeel (und zwar sehr ungern) kündigen. Es kam, wie es kommen musste: Der Pakistani verließ tatsächlich seinen Heimatort.

„Zum ersten Mal von Österreich gehört habe ich in Griechenland. Und auch, dass es dort gute Menschen gibt“. Shakeel Masih

Unvorstellbar II
Lange Zeit war der 38jährige ein sogenannter Binnenflüchtling (also innerhalb Pakistans unterwegs) und hielt sich dort durch gelegentliche Arbeiten über Wasser. Doch als Christ war er seines Lebens in Pakistan nirgends mehr sicher. Zuhause konnte er unmöglich bleiben, er musste Pakistan verlassen. Und wer verlässt schon gerne seine Heimat, lässt Familie und Freunde zurück? Das war übrigens lange vor der großen Flüchtlingsbewegung im Sommer 2015. Konkret im Jahr 2004. Doch die erste Flucht klappte nur in bescheidenem Ausmaß.

Beim zweiten Mal führte ihn sein Weg nach Österreich. Die Erlebnisse auf dem Weg in ein „normales Leben“ könnten ein ganzes Buch füllen. In aller Kürze hier das Wichtigste:

Nach seiner Ankunft im Erstaufnahmezentrum Ost (besser bekannt als das Lager Traiskirchen) kam Shakeel Masih nach St. Gertraudi und lebte im Flüchtlingsheim des Landes. Dort traf er erstmals auf Bernhard Teissl-Mederer, den Pastoralassistenten der Diözese Innsbruck. Dieser nützte seine Kontakte in die Pfarren und kontaktierte u. a. den Pfarrer von Tux und Finkenberg, Dekan Edi Niederwieser. Kurz danach kam Shakeel nach Finkenberg. Er half in der Pfarre, lernte Deutsch und zeigte, dass es ihm mit dem Thema Integration wirklich ernst sei. Weil die heimischen Behörden seine Aussagen bei Befragungen anzweifelten, war er vor willkürlichen Entscheidungen in Österreich nicht sicher. So sollte es auch kommen: Am Morgen des 14. März 2016 holten ihn Beamte der Fremdenpolizei in Finkenberg ab. Noch in derselben Woche wurde er zusammen mit einigen anderen Landsleuten per Chartermaschine nach Islamabad zurückgebracht, wo aufgrund des Blasphemie-Paragraphen landesweit nach ihm gefahndet wurde. Er habe „den Koran geschändet“, warf man ihm vor. Und das, obwohl er niemals einen Koran angegriffen habe. Wie schon in den Jahren zuvor wurde er wieder verfolgt und neuerlich gefoltert.

Unvorstellbar III
Sein Überlebenswillens motivierte ihn abermals zur Flucht. Und zwar zusammen mit seinem Bruder Shabbaz. Ihr Weg führte die beiden über den Iran nach Istanbul, wo sein Bruder heute noch ist und sich einigermaßen sicher fühlen kann. Obwohl an den Grenzen sogar Hunde auf ihn und andere gehetzt wurden, gab er nicht auf. Seine Erfahrungen mit guten Menschen hier bestärkten sein Vorhaben. Weil er aber zwei Wochen zu früh (für einen neuen Asylantrag) wieder nach Österreich gekommen war, stand ein neues Verfahren auf der Kippe. Bernhard Teissl-Mederer und Hans Stock (vom Finkennest) sowie viele andere verhalfen Shakeel Masih allerdings nach insgesamt 13jähriger Flucht endlich zu einem positiven Asylbescheid. Das Bundesverwaltungsgericht hatte grobe Verfahrensmängel des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) festgestellt. Diese Fehler haben letztlich nun zu einem guten Ausgang geführt.

Jetzt bin ich daheim“, sagt Shakeel Masih, der rund drei Wochen nach seiner Ankunft in Österreich eine Arbeitsstelle in Finkenberg antreten durfte.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:
UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Schwaz auf MeinBezirk.at/Schwaz

Neuigkeiten aus Schwaz als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksBlätter Schwaz auf Facebook: MeinBezirk.at/Schwaz - BezirksBlätter

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Schwaz und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.