Derserteure des 2.Weltkrieges versteckten sich am Untertalegghof am Pankrazberg

Der Untertalegghof am Pankrazberg in der Gemeinde Fügenberg war gegen  Ende des 2. Weltkrieges Aufenthaltsort von Wehrmachtsdeserteuren
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  • hochgeladen von Franz Josef Haun

Erinnerungen nach 70 Jahren Kriegsende des 2.Weltkrieges, herangetragen an das Bezirksblatt Schwaz durch Zeitzeugen:

Den Nachforschungen von Zivil-und Militärhistorikern zufolge sind im 2.Welkrieg von 1939 bis 1945 von der damaligen NS Wehrmachtsjustiz mindestens 22.000 Todesurteile wegen „Fahnenflucht“ (Desertation) verhängt worden. Diese Feststellung ergibt sich aus einem Bericht von Manfred Messerschmidt/Fritz Wüllner unter dem Titel „Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus“. Eine im Verhältnis dazu geringe Zahl von Soldaten wurde auch wegen geringfügiger krimineller Delikte, wie z.Bsp Kameradendiebstahl zum Tode verurteilt. Gegen Wehrmachtsanhgehörige wurden über 30.000, zusammen mit den verurteilten Zivilisten und Kriegsgefangenen, insgesamt an die 50.000 Todesurteile von den barbarischen NS Volksichtern ausgesprochen. Die Desertation in der Wehrmacht war überwiegend ein individueller Akt des Ungehorsames gegen das militärische Prizip von Befehl und Gehorsam. Sie geschah ja eher selten an der Front, häufiger dagegen beim Heimaturlaub. Der Deserteur entzog sich dem Militär durch Flucht und irrte häufig ruhe-und ratlos umher. Er brauchte natürlich Essen, Kleidung, Unterkunft und Geld. Der Deserteur musste seine Identität verbergen, sich verstecken und immer in der Angst leben, entdeckt oder denunziert und festgenommen zu werden. In dem Buch „Die Kirschen der Freiheit“ beschreibt der deutsche Autor Alfred Andersch die Desertation als Weg in die Freiheit und die Einsamkeit. „Deserteure seien Menschen, die sich selbst in die Wüste schicken.“

Vor nunmehr 70 Jahren:

Von der NS Kriegsmaschinerie genug hatten auch die damals vier jungen Wehrmachtssoldaten Hans Hauser, Anton Flörl und Willi Gänsluckner aus der Gemeinde Fügenberg, sowie Johann Schwemberger vom Pillberg, als sie Anfang Dezember des Jahres 1944 nach einem Heimaturlaub nicht mehr an die Front in den hohen Norden Europas und nach Russland zurückkehren wollten. Ab diesem Zeitpunkt war bereits trotz aller Kriegspropaganda und der Durchhalteparolen im damaligen Dritten Reich abzusehen, dass der 2.Weltkrieg verloren war. Mit dem Zug fuhren die Soldaten nach Beendigung ihres Heimaturlaubes von Fügen nach Jenbach. Dort fuhren sie aber nicht mehr weiter zu ihrer Kriegsdienststelle. Sie stiegen aus, versteckten sich kurzfristig im Bereich des Zillertalbahnhofes und gingen dann bei Einbruch der Dunkelheit und bei starkem Schneefall zu Fuß mit Sack und Pack zurück nach Fügen und von dort hinauf zum so genannten „Hinterberg“ in der Gemeinde Fügenberg. Die Altäuerin des Untertalegghofes, welche offensichtlich schon geheime Vorabinformationen der Deserteure bekommen hatte, nahm die Fahnenflüchtigen auf und versteckte sie unter Lebensgefahr ihrer eigenen Familie - ihr Sohn Franz samt junger Ehefrau, die er im Februar 1944 ehelichte und ihre Tochter Anna wohnten ebenfalls am Hof - im Stallgebäude des Bergbauernhofes. Ihr Versteck haben die vier Deserteure sehr raffiniert angelegt. Sie haben dazu den Heustock in der Tenne vom Kuhstall her von unten nach oben ausgehöhlt und sich in dieser Höhle die meiste Zeit während des Tages aufgehalten. Im Haus selbst wäre der Aufenthalt zu gefährlich gewesen, da die damallige, in Fügen stationierte SS-Dienststelle offenbar auch Vermutungen über angebliche Deserteure angestellt und Kontrollen am „Hinterberg“ durchgeführt haben soll.
Für die Fahnenflüchtigen selbst und vor allem auch für die Bauersleute am Untertalegghof waren die nächsten Monate geprägt von Angst und Zweifel. Würden die NS Schergen ihre Verstecke bemerken ? Würden die Familien der Betroffenen bei Bekanntwerden des Aufenthaltes der Deserteure ggf ebenfalls zur Verantwortung gezogen und standrechtlich erschossen werden, was zur damaligen Zeit keine Seltenheit war ? Also Fragen über Fragen, die man heute nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantworten könne.

Die Verköstigung der Deserteure:

Für die Verpflegung der Fahnenflüchtigen musste natürlich auch gesorgt werden. Was der Bergbauernhof damals an Essbarem abwarf, wurde im Geheimen, zumeist am Abend bei Dunkelheit, mit den Deserteuren geteilt. Immer war das aber nicht möglich, weil während der Kriegszeit bestimmte Lebensmittel, wie Fleisch, Eier und Selchwaren abgeliefert werden mussten. Zum Glück waren unter den Deserteuren zwei Männer, die sich mit der Jagerei nicht schwer getan haben. So musste zur anbrechenden Nachtzeit nicht nur einmal ein Stück Rehwild oder ein Hase beim so genannten „Hüttenbach“ oder in den „Gschwentangern“ daran glauben, welches in der Folge fein säuberlich zerwirkt und irgendwo im Stallgebäude in einer Kistee vergraben und zur Verköstigung aufbewahrt wurde.

Kriegsende:
Als am 8. Mai 1945, als die Waffen endlich schwiegen, waren mehr als 50 Millionen Menschen tot. Gefallen an der Front, ermordet in Konzentrationslagern, verbrannt in Bombennächten, gestorben an Hunger, Kälte und Gewalt auf der großen Flucht. Als die Welt erfuhr, was in deutschem Namen nicht nur in den Lagern des Regimes geschehen war, kehrte sich der Zorn der Völker gegen Hitlers ganzes Volk. Die vier Zillertaler Deserteure, die sich das letzte halbe Jahr des 2.Weltkrieges im Untertalegghof am Pankrazberger Hinterberg versteckt hielten, haben die Kriegsgräuel überlebt und sind nicht den fast sicheren Heldentod gestorben. Ihre Familien und Kinder haben es ihnen gedankt, auch wenn manch heutiger, der damaligen Ideologie anhängende V ertreter sie als Verräter und Kameradenschweine abstempeln würde. Wie hartnäckig die NS Ideologie in den Köpfen der Wehrmachtssoldaten verankert war, lässt sich an einer Eintragung in der Chronik des damaligen Gendarmeriepostens Fügen ablesen. Am 3. Mai 1945, also 5 Tage vor Kriegsende, lieferten sich Soldaten der deutschen Wehrmacht und Kämpfer einer Widerstandsgruppierung ein Feuergefecht in Fügen und Schlitters, wobei auf beiden Seiten ein Toter zu beklagen war. Ebenfalls diese Widerstandsbewegung dürfte es gewesen sein, die am 28.4.1945 den damaligen Ortsgruppenleiter der NSDAP und einen seiner Getreuen samt Gattin auf die Geolsalpe in die Gemeinde Fügenberg verschleppt haben. Auch davon zeugt ein Eintrag in der Chronik des Gendarmeriepostenkommandos Fügen, wie auch über die Besetzung sämtlicher Gemeinden des Gendarmerie Überwachungsbereiches durch amerikanische Besatzungstruppen. Diese wurden am 12.7.1945 von französischen Besatzungssoldaten abgelöst.

Wo: Untertalegghof, 6264 Fügenberg auf Karte anzeigen
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