Ingrid Noll: „Halali“
Im Wald und auf der Heide – von Mirjam Dauber
Wenn Holda, genannt Frau Holle, erzählt, hört Enkelin Laura zu. Gemeinsames Abendessen gegen gebügelte Wäsche, so der Deal. Dazu gibt es reichlich Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit. Spannend sind diese Erzählungen allemal, hat Holda doch als junge Frau in der Nachkriegszeit jede Menge erlebt. Als Bäckerstochter vom Land entflieht sie der geliebten, aber einengenden Familie in die neue Hauptstadt Bonn, arbeitet als Schreibkraft im Innenministerium. Dort freundet sie sich mit Karin an, Tochter aus aristokratischem Hause, die nicht gerne über ihre Vergangenheit spricht, traumatisiert von kriegsbedingter Flucht. Die beiden genießen ihre Jugend, ihre Freiheiten, die aus heutiger Sicht dürftig erscheinen. Die Zimmerwirtinnen sind streng und auf die Aufrechterhaltung moralischer Prinzipien bedacht, die jungen Frauen aber geschickt und erfinderisch. Karin lebt in der stattlichen Villa ihrer Tante Helena, strikt getrennt von den drei Zimmerherren, deren Treiben einiges an Rätseln aufwirft. Interessiert an kleinen Liebeleien begeben sich Holda und Karin auf „Jagd“; in Bonn ist allerhand los, auch in Studentenkreisen werden sie fündig. Aber nicht nur die Männer, auch das schnelle Geld aus dubiosen Kanälen sind Verlockungen, denen beide nur allzu bereitwillig nachgeben. Karin lässt sich schließlich mit einem der Mitbewohner ein, Jupp, genannt Grizzly. Zu dritt geraten sie auf Abwege, in die Fänge des Agenten Burkhard Jäger, oder er in ihre? Wer Ingrid Nolls Bücher kennt, weiß, dass sich ihre Heldinnen oft makabrer Methoden bedienen, um unliebsame Probleme zu lösen. Auch im neuesten Roman bleibt Noll diesem Erfolgskonzept treu und enttäuscht ihre Fans nicht. „Halali“ ist übrigens der letzte Gruß, der einem verstorbenen Jäger am offenen Grab geblasen wird. Womit wiederum alles gesagt wäre.
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