Auszug aus "Unglaubliche Luftfahrtgeschichten"
Der „Mile High Club“-Bewerber
- hochgeladen von Gerhard Gruber
Aufgrund der starken Expansion in den Achtzigerjahren war Viennair sehr bald das größte Businessjet-Unternehmen Österreichs. Es war daher nicht verwunderlich, dass wir täglich Bewerbungen von Piloten bekamen. Sie wurden entweder allgemein an die Firma gerichtet oder kamen direkt zu mir als Flugbetriebsleiter. Obwohl wir viel zu tun hatten und nur die wenigsten Bewerber aufnehmen konnten, war es für mich ein Akt der Höflichkeit, jedes dieser Schreiben zu beantworten.
Die meisten Bewerber hatten eine ordentliche Bewerbung mit handgeschriebenem Lebenslauf, Flugstundenaufstellung und Kopien ihrer Pilotenlizenzen. Ein Bewerber hatte eine etwas unübliche Bewerbung. Sein Schreiben war eher knapp gehalten, und zum Nachweis seiner fliegerischen Qualifikation hatte er ein Video mittels VHS-Kassette mitgeschickt. Interessiert öffnete ich die Verpackung und sah auf der Kassette die Beschriftung „Mile High Club“. Diese Bezeichnung sagte mir damals noch nichts. Dies wurde aber rasch klar, als ich das Video betrachtete.
Es handelte von einer Firma, welche als Businessmodell Flüge für Paare in einer separeeartigen Kabine anboten. Man sah in dem Video, wie ein Paar in das Flugzeug stieg. Dort fand es eine mit rotem Samt überzogene Liegemöglichkeit samt Champagnerflasche vor. Noch vor dem Start wurde zwischen Cockpit und Kabine ein Vorhang vorgezogen, um dem Paar eine Intimität für ihr lüsternes Treiben zu wahren. Der Name „Mile High Club“ kommt aus der Flughöhe, die dabei mindestens eine Landmeile (umgerechnet 1.600 Meter) betragen muss.
Da unser Bewerber seine Erfahrung mit dem „Mile High Club“ offensichtlich als ausreichende Qualifikation für eine Bewerbung bei Viennair ansah, wurde er kurzerhand ausgeschieden und bekam eine Absage.
Ich möchte nicht verheimlichen, dass es viele Piloten gedanklich durchgespielt haben, ihre fliegerische und leibliche Lust zu kombinieren. Auch hatten wir manchmal Passagiere in unseren Businessjets, welche uns ersuchten, die Kabinentüre zu schließen und eine Stunde allein sein wollten.
War es in den Achtzigerjahren noch eher unbekannt, ist die Mitgliedschaft im „Mile High Club“ nunmehr einigermaßen verbreitet. Man findet im Internet viele Berichte und sogar Anleitungen dazu, wie man es strategisch am besten angeht, um in einem großen Passagierflugzeug Mitglied zu werden.
Machen es Passagier, so kann man Auswirkungen auf die Flugsicherheit ausschließen. Bei Piloten sieht es anders aus und kann sogar tödlich enden. Dies passierte leider am 23.12.1991 mit einer Piper Seneca in Florida.
Im Unfallbericht steht, dass das Paar nur teilweise bekleidet war und sich der rechte Vordersitz in einer nach hinten geneigten Position befand. Es gab keine Spuren, dass die Sicherheitsgurte angelegt waren. Ebenso fand man keine Beschädigung der Kleidung. Als wahrscheinliche Unfallursache wird ausgeführt, dass die 45-jährige verantwortliche Pilotin während des Fluges eine falsche Entscheidung getroffen hat. Sie hat ihre Aufmerksamkeit auf andere, nicht mit der Flugdurchführung verbundene Aktivitäten gelenkt. Dies führte zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung und zum Bruch der Tragfläche.
Etwas geschmacklos finde ich, dass ein Spielzeughersteller einen Bausatz einer Seneca aus Papier auf den Markt brachte. Die Seneca hat das Kennzeichen der abgestürzten Maschine (N47506). Auf dem Bausatz gibt es den Kommentar „die Piloten aktivierten den Baby an Bord Mode“.
Zum Hohn wurde das tote Paar im Jahr 1994 mit dem Darwin-Award prämiert. Das ist ein Preis, wenn man auf besonders spektakulärer Weise und Dummheit sein Leben verliert und damit verhindert, dass sich das Erbgut weiter ausbreitet.
Mehr Geschichten gibt es in den Büchern bei www.fotogruber.eu
Zu den Fotos:
Eine baugleiche Seneca, wie diejenige, die 1991 abgestürzt ist.
Das VHS-Band mit der „Mile High Club Demo.
Der Bausatz des abgestürzten Flugzeuges.
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