Der Musterschüler wurde kritischer

Der Dom von Helsinki überragt das Zentrum der finnischen Hauptstadt
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Im Rahmen des Eurotours-Projekts besuchte WOCHE-Redakteur Peter Lindner Finnland.

HELSINKI (pel). Obwohl es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Aber Finnland und Österreich haben einiges gemeinsame. Beide Länder sind seit dem Jahr 1995 Mitglied der Europäischen Union. Beide Länder galten zum Zeitpunkt ihre Beitritts als "Musterschüler" der Union. Beide Länder halten sich in der mittlerweile fünf Jahre andauernden Wirtschaftskrise relativ stabil. Und: In Österreich wie in Finnland nimmt die EU-Kritik zu - ebenso wie die Begeisterung für EU-kritische Parteien. Die WOCHE hörte sich direkt in der finnischen Hauptsadt Helsinki um.

"Etwa die Hälfte meines Freundes- und Bekanntenkreises ist der EU gegenüber negativ eingestellt - oder besser gesagt, dem Euro gegenüber", sagt Tatu Putkonen, Kellner im Restaurant "Bryggeri". Vor allem die Hilfe für finanzschwache Länder sei ihnen ein Dorn im Auge, bringt er die Hauptinhalte der Kritik auf einen Punkt. "Ich glaube, die EU muss sich ganz radikal ändern", sagt Putkonen, "ich weiß aber wirklich nicht, ob das möglich ist - meiner Meinung nach sind die Unterschiede zwischen den nördlichen und den südlichen Ländern zu groß."

Offene Kritik ist selten in Finnland - die Einwohner des skandinavischen Landes gelten als äußerst zurückhaltend. Doch sogar hier werden die kritischen Stimmen der EU gegenüber immer lauter. "Finnland ist längst nicht mehr der 'Musterschüler' der EU", erklärt Nina Poppius. Die rechte Partei "Wahre Finnen" habe EU-Kritik zu ihrem Thema gemacht und sie fahre sehr gut damit: "Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass es viel leichter fällt, mit dem Finger auf die EU zu zeigen, wenn etwas schlecht läuft, als die Fehler bei sich selbst zu suchen", sagt die Verkäuferin: "Bei all dem, was an der EU negativ ist, überwiegen für mich doch die positiven Dinge. Trotzde würde ich mir wünschen, dass die EU mehr Einblicke in ihre Entscheidungen gibt."

Die Partei "Wahre Finnen" wird von so ziemlich jedem Finnen erwähnt, wenn es um die EU geht. Ihr Vorsitzender, Timo Soini, ist der populärste Politiker Finnlands - Kommentatoren haben ihn mit dem Titel "Jörg Haider des Nordens" geadelt. Sein Programm behandelt neben EU-Kritik auch die negative Haltung gegenüber Immigranten - Soini ist für Volksnähe und markige Sprüche bekannt. Bei den letzten Wahlen fuhr er mit seinen "Wahren Finnen" erdrutschartige Erfolge ein - und verweigerte aus Protest die Mitarbeit in der Regierung, als die finnische Regierung weiterhin Unterstützungen für finanzschwache EU-Länder beschloss. Jetzt übt er sich in der Rolle des starken Oppositionisten - so mancher Beobachter traut der Rechtspartei zu, auch bei den nächsten Wahlen zuzulegen.

"Ganz egal, wie man zu den 'Wahren Finnen' steht, eines muss man ihnen lassen: Sie haben mit ihrer EU-Kritik dafür gesorgt, dass sich die Leute mehr mit diesen Themen beschäftigen", sagt Tuomas Auvinen. Der Musiklehrer ist ein begeisterter Europäer: "Wenn es eine Abstimmung gäbe, ob wir uns zu den 'Vereinigten Staaten von Europa' zusammenschließen sollen, dann wäre ich dafür." Eine solche Abstimmung würde in Finnland aber negativ ausgehen. "Das hat vor allem mit dem Misstrauen der Leute gegenüber finanzell schwachen Ländern zu tun." Für die Zukunft wünscht sich Auvinen eine Europäische Union, "die nicht den Zwang hat, alles überregulieren zu müssen" - und "Politiker, die auch an die Zeit nach der aktuellen Legislaturperiode denken".

Für eines ist Finnland besonders bekannt: Für das Bildungssystem. Kaisa Hirvonen ist Studentin - sie möchte Volksschullehrerin werden. Oder, wie sie es nennt, "zu den besten Lehrern der Welt gehören." Einfach gemacht wird ihr das aber nicht: "Die Lebenserhaltungskosten in Finnland sind in den letzten Jahren stark gestiegen, während die Unterstützungen, die wir Studenten bekommen, seit dem Jahr 2000 nicht angehoben wurden." Sie erzählt, dass die meisten jungen Finnen schnell von ihren Eltern unabhängig sein wollen - auch, was das Geld angeht. Für die 25-Jährige bedeutet das, dass sie abwechselnd in drei verschiedenen Lokalen als Kellnerin arbeiten muss. "Ich und meine Kollegen können uns nicht in dem Ausmaß unserem Studium widmen, wie wir es gerne würden." Mit dieser Analyse verbindet sie auch ihre Wünsche an die Politik in Finnland und in Europa: "Bildung ist das Allerwichtigste, hier müssen die Voraussetzungen stimmen - für die Schüler und auch für die zukünftigen Lehrer." Von der Idee eines gemeinsamen Europas ist sie begeistert - "allerdings gibt es noch viele Probleme, die ausgemerzt gehören. Wenn das nicht passiert, halte ich es mittlerweile nicht mehr für unmöglich, dass die EU zusammenbricht."
Die Beiträge aller Teilnehmer am Projekt

Entstanden im Rahmen von eurotours 2013 – einem Projekt der Europapartnerschaft, finanziert aus Gemeinschaftsmitteln der Europäischen Union

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