Dostojewskis „ Der Großinquisitor“ im Theater im Container

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TELFS (bine) „Ist Dir damals nie der Gedanke gekommen, daß der Mensch Deine Wahrheit bestreiten und Dein Beispiel verleugnen wird, wenn ihn Deine Wahrheit mit einer solchen Last, wie es die Wahl zwischen Gut und Böse ist, drücken muß? ...“ Sprach der Großinquisitor zu Jesu. Und wird die Wahrheit von Dostojewski und seinem „Der Großinquisitor“ auch die Besucher des Theater im Container mit Last drücken oder mit Erkenntnis beglücken? Bernhard James Lang, der Schauspieler des Stückes, lässt auf jeden Fall ansatzweise hinter seinen Wahrheits-Vorhang blicken und stand dem Bezirksblatt vorab Rede und Antwort.

BB: Der Großinquisitor ist das fünfte Kapitel des fünften Buches aus dem Roman „Die Brüder Karamasow“ von Fjodor Dostojewski, kennen Sie das gesamte Werk?
BJL: Ich habe es vor Jahren mal auszugsweise gelesen, da die zwei Bände bei mir zu Hause herumliegen. „Die Brüder Karamasow“ fand ich jedoch im Gegensatz zu „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ weniger ansprechend, da sich mir damals die dahinter liegende Psychologie, die fraglos tiefgründig ist, nicht unmittelbar erschlossen hat.
BB: Dieses Stück wurde so in Österreich noch nie auf die Bühne gebracht, worin liegt das, Ihrer Meinung nach, begründet?
BJM: Ich schätze, es gibt keine lizenzierte Bühnenfassung des Stückes – die meisten Regisseure, die sich an eine Inszenierung heran trauten, haben sich selbst eine Bühnenfassung geschrieben. Das dürfte wohl der Grund für die spärliche Verbreitung sein. Das Stück findet sich ja meines Wissens auch in deutschen Schauspielhäusern selten am Spielplan.

BB: Berühmte Denker wie Albert Einstein, Martin Heidegger oder Albert Camus haben versucht, dieses Werk zu deuten, dabei entstanden ziemlich gegensätzliche Thesen. Was wäre Ihre Deutung?
BJL: Ausschließlich auf „Der Großinquisitor“ bezogen fällt auf, dass auf ein beinhartes Anklageplädoyer des Inquisitors nur eine kleine nonverbale Reaktion des Angeklagten (Jesus) erfolgt, nämlich ein Kuss. Dieser hebt den Inquisitor so aus den Angeln, dass er Jesus freilassen muss, obwohl er vorhatte, ihn am nächsten Tage zu verbrennen. Hier scheint mir die ultimative Aussage zu liegen, die auch im biblischen Kontext zu finden ist: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ (Mat. 9,13) Oder auch in der Aussage: „Der Schabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Schabbat.“ (Mk. 2,27) Das will wohl heißen, institutionelles Regelwerk, so wichtig es auch für die Gemeinschaft sein mag, muss sich am Menschen orientieren, wenn es nicht seine ursprüngliche Sinnhaftigkeit verlieren soll. Interessanter Weise wird bei den meisten Inszenierungen, die in Deutschland von statten gingen, dieser Kuss des Jesus ausgeblendet, das Stück endet also ohne die Wandlung des Inquisitors, was m.E. die Grundaussage, nämlich Liebe und Vergebung nivelliert.

BB: Der Inhalt des Stückes ist ein schwerer und hochliterarischer. Wird das Stück für „jedermann“ oder nur für „Literaturbewanderte“ geeignet sein?
BJL: Wir werden bemüht sein, das Stück auf eine Weise auf die Bühne zu bringen, dass niemand, der sich als theaterinteressiert bezeichnet, schreiend aus dem Auditorium läuft...
BB: Ihnen kommt mit dieser modernen Inszenierung von Bernhard Moritz im Theater im Container eine schwere Aufgabe zu. Was ist die größte Herausforderung?
BJL: Bei Ein-Personenstücken ist der Darsteller in besonderer Weise gefordert: ihm obliegt es die gesamte dramaturgische Spannung zu entwickeln. Es existiert kein dialogaler Schlagabtausch, der Darsteller kann sich nicht am Partner emporarbeiten und darüber hinaus ergibt sich für das Publikum eine eindimensionale Reizwelt; es erlebt nur die Facetten einer Person. Genau hier sehe ich meine größte Herausforderung: ich muss den Reiz an der Figur, an ihrem Leiden und ihrem Wandel aufbauen und aufrecht erhalten.
BB: Wie nahe kommt das Stück an Dostojewskis Werk? Ist es sehr frei inszeniert oder ziemlich an das Ursprungs-Schriftstück gebunden?
BJL: Wir haben eine Strichfassung ausgearbeitet, die die Bühnenfassung stringenter machen soll. Die nicht mehr zeitgemäßen und heutzutage schwer erträglichen Wiederholungen wurden weitestgehend eliminiert, weiters einige wenige Textpassagen leicht verändert, ansonsten halten wir uns an die Ursprungsfassung.

BB: Was wird den Besucher erwarten, womit wird man ihn zu fesseln versuchen?
BJL: Bernhard Moritz' Passion ist es, Stücke ausfindig zu machen, die nicht oder nur selten auf den Spielplänen der Theater zu finden sind. Darin besteht ein besonderer Reiz, da sich solche Stücke aus welchen Gründen auch immer meist nicht unbedingt in den Mainstream einordnen lassen. In Falle dieses Stückes wird der Besucher mit einer Gedankenwelt konfrontiert, die in einfallsreicher, psychologisch umtriebiger Weise den Zuschauer zu fesseln vermag.
Auch der Zeitpunkt der Aufführung ist mehr als interessant, immerhin wird sich in nächster Zeit ein neues Kirchenoberhaupt auf den Petristuhl setzen und damit der weiteren Geschichte einen neuen Verlauf geben, den immerhin Millionen Menschen mit gemischten Gefühlen erwarten.

Zur Person: Seit 1997 Schauspieler, Sänger, Musicaldarsteller, Autor und Regisseur
Bernhard J. Lang begann seine Schauspielausbildung 1999 am Schauspielforum Tirol und nahm Unterricht bei privaten Ausbildnern wie Sonja Höfer, Helmut Wlasak, Anders Linder, Günter Lieder und Thomas Gassner.
Er absolvierte seine Gesangsausbildung bei Eduard Lehmann, Sabine Kent-Soucek, Maria Cavazza, Haig Hartmann und Dale Albright.
Die Bühnenreife erfolgte im Jahr 2008 in Wien.
Lang spielte seit Beginn seiner Ausbildung in ca.40 Theater- und Musicalproduktionen sowie einigen Kinofilmen unter der Leitung von E. Lehmann, M. Hess, A. Lindner, T. Knittel, u.a. sowie am Tiroler Landestheater (V. Schopper). Zuletzt verkörperte er in der Universumsproduktion (ORF und Arte) Heinrich II. unter der Regie von Julian Pölsler. Er ist zudem Autor und Regisseur einiger Bühnenproduktionen, unter anderem von „The Puncher“ (2008), wobei letztere im Juni 2011 im Auftrag des BMUK verfilmt wurde. Hierfür erhielt das Produktionsteam den „Teacher's Award“.

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