Ein Sicherheits-Gewinn bei Einsätzen in der Dunkelheit

Die NVG dienen nur dazu, einen in der Dämmerung begonnen Einsatz der in die Nacht geht, den Heimflug bzw. den Flug ins Zielkrankenhaus sicherer zu gestalten. | Foto: Widerin
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  • Die NVG dienen nur dazu, einen in der Dämmerung begonnen Einsatz der in die Nacht geht, den Heimflug bzw. den Flug ins Zielkrankenhaus sicherer zu gestalten.
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REGION. Thomas Widerin, leitender Flugretter der Christophorus 1-Crew, ist hellauf begeistert! Die "Night Vision Goggles" (NVG) machen die Nacht (fast) zum Tag, das Fliegen wird mit dem 10.000 € teuren NVG vor den Augen noch sicherer. Nachteinsätze soll es aber weiterhin nicht geben, erklärt Widerin: "Wir beginnen unseren Dienst mit Sonnenaufgang und beenden diesen mit Sonnenuntergang." Nicht selten brechen die Retter aber noch bei Dämmerung zu einem Notfall auf – und bis zur Rückkehr wird es dunkel. "Bei gutem Wetter haben die Piloten auch bisher nachts Transporte etwa zwischen Krankenhäuser geflogen – immer auf Sicht", so Widerin. Gerade bei Mondschein geht das noch sehr gut.
Das NVG ist ein zusätzlicher Sicherheitsgewinn, den sich die ÖAMTC Flugrettung einiges kosten lässt: Der Umbau einer Maschine auf NVG-Zulassung kostet ca. € 700.000. Die Instrument-Anzeigen z.B. sind jetzt bei Dunkelheit besser sichtbar, erklärt Widerin. Ab sofort gehören bei jedem Flug zwei NVGs zur Ausrüstung, für Pilot und Flugretter.

Intensives Praxis-Training in der Region

Nach einer intensiven Übungswoche sind die acht Flugretter und die beiden Piloten des Innsbrucker C1-Teams für Einsätze bei Dunkelheit bestens gerüstet.
Acht Stunden Theorie und je 2 Stunden Flugpraxis pro Flugretter (4 Stunden für Piloten) standen letzte Woche (20. - 24.2. 2017) auf dem Lehrplan. "Wir haben sämtliche Notsituationen trainiert, alles was auch bei Tag gemacht wird. Bei Dunkelheit ist es ganz anders", erklärt Widerin, der die Männer für die Übungsflüge eingeteilt hat.
Gewöhnungsbedürftig ist, dass mit dem NVG kein räumliches Sehen möglich ist, erklärt Thomas Widerin: "Das Bild vor dem Auge wird zweidimensional dargestellt."
Jeder Flugretter ging abwechselnd mit beiden Piloten die Notverfahren im Flug durch: Spannungsabfall der Batterien, Ausfall der Brille, der Cockpitbeleuchtung, des Landescheinwerfers, Turbinenausfall .... Das spannendste Notverfahren ist, wenn der Pilot plötzlich einen Ausfall seines NVG meldet: "Off Goggles". Dann muss der Flugretter seinen "blinden" Piloten zum Stützpunkt lotsen.
Widerin ist froh, dass alle die Übung geschafft haben: "Aber auch künftig wird der Pilot auch nur dann fliegen, wie wenn er kein NVG mit dabei hätte."

NVG-Schulung aus der "Sicht" eines Flugretters

"Wie auch die anderen Flugretter des Christophorus 1 durfte ich am Mittwoch in der Zeit von 20:45 bis 21:45 und 23:00 bis 00:00 mit den neuen NVG (night visions googles) das Gefühl des Nachtfliegens testen", erzählt der Leutascher Flugretter Gabriel Wehinger, auch Stützpunktleiter des NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) beim Roten Kreuz Telfs: "Wir mussten ca. eine Stunde vorher am Stützpunkt sein, um die Handhabung der Brillen mit einem Schulungspiloten zu üben. Die Brille muss kontrolliert werden, Batterien Check…. Die Montage und Demontage der Brille erfordert etwas Geschick, da man die Halterung am Helm nicht sieht, und die Brille auf den schon aufgesetzten Helm vorne montiert wird. Auch danach ist es Gewöhnungsbedürftig, da die Brille ca. 1 Kilo schwer ist.
Nach der Montage und des ersten Einstellens der Brille auf den Abstand nach vorne zu den Augen, geht es in die finstere Nacht vor den Hangar hinaus. Dort wird die Brille dann noch auf die Sehschärfe eingestellt und spätestens jetzt ist der erste Wow-Effekt da. Es werden jetzt Dinge gesehen, die man mit normalen Auge nicht wahrgenommen hat. Man sieht plötzlich Konturen und relativ scharfe Bilder von Heustadeln, Strommasten ….. die Weitsicht ist auch gewaltig. Wenn auch die Abschätzung des Abstandes zu Hindernissen durch das zweidimensionale Bild sehr schwer ist.
Dann geht es ans Fliegen. Nach des ersten paar Minuten voller Anspannung hat man sich etwas an die Brille gewöhnt und der Schulungspilot (bei mir war es einmal Max Seidl und beim zweiten Flug Gerhard Brunner) geht mit einem die wichtigsten Notverfahren durch. Spannungsabfall der Batterien; Ausfall der Brille des Flugretters; Ausfall der Cockpitbeleuchtung; Ausfall des Landescheinwerfers….. durch. Während des Fluges müssen wir intensiver als untertags die wichtigsten Fluginstrumente, Höhenmesser; künstlicher Horizont; Vertical speed (sinken oder steigen) beobachten und bestimme vordefinierte Grenzwerte rückmelden.
Das spannendste Notverfahren ist, wenn dann plötzlich der Pilot in einem relativ engen Tal sagt „Ausfall meiner Goggles“ ich bin „Off Goggles“. Das ist dann für den Flugretter der Hinweis, das ab sofort er für die Sicht nach draußen zuständig ist und den Piloten mit einer Umkehrkurve aus dem Tal Richtung Stützpunkt durch genaue Angaben der Richtungen und Höhen lotsen muss. z.B.: leichte Linkskurve, steigen, sinken, Rechtskurve….. Das erfordert höchste Konzentration durch den Flugretter und verstärkte Kommunikation mit dem Piloten, der dann wirklich nicht mehr alle Konturen wahrnehmen kann und sich auf die Kommandos von uns verlassen muss. Da in der ÖAMTC Flugrettung die Team Kommunikation einen hohen Stellenwert hat, ist hier das Vertrauen untereinander sehr groß.
Wir flogen vom Stützpunkt C5 (Landeck) über Imst Richtung Telfs, weiter nach Leutasch und Seefeld. Dann wurde im Möserer Tal eine Außenlandung in der Wiese nach den internen Sicherheitsregeln durchgeführt. Dann dem Inntal entlang wieder zurück nach Landeck mit diversen Cockpitübungen.
Der zweite Flug ging dann vom Christophorus 1 Stützpunkt in Innsbruck zur Außenlandung auf der Bergeralm in Steinach, danach ins Stubaital (Übung Ausfall der Googles beim Piloten). Weiter in die Axamer Lizum wo wir zwei Landungen übten. Zum Schluss Richtung Stützpunkt C1 wo wir wieder zwei Landungen machten (einmal mit Simulation des Ausfalls des Landescheinwerfers). Um 00:30 war dann der Tag für mich zu Ende.
Die Gefühle bei der Schulung: Da wir immer wieder in der Nacht zum Krankenhaus oder Stützpunkt zurückgeflogen sind, war das Grundgefühl sehr gut. Der Wow-Effekt und die unglaubliche Sicht mit den Goggles war dann während der Flüge immer wieder von neuem da, wenn man kurzzeitig die Brille herunternahm oder drunter schaute. Da erkannte man erst, was man ohne Brille nicht mehr sieht. Konturen von Bergen verschmolzen ineinander und waren nicht mehr zu erkennen."

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