"Fettes Schwein"- Regisseur Peter Lorenz im Interview
"Es wird aufwühlend und berührend"

Darsteller/innen (v.li.): Jakob Egger (Imst/Wien), Katarina Hauser (Warschau/Innsbruck), Josef Mohamed (Obsteig/Zürich), Anna Lena Bucher (Bern/Salzburg). | Foto: Thomas Böhm
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  • Darsteller/innen (v.li.): Jakob Egger (Imst/Wien), Katarina Hauser (Warschau/Innsbruck), Josef Mohamed (Obsteig/Zürich), Anna Lena Bucher (Bern/Salzburg).
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TELFS (bine). Peter Lorenz hat die Regie bei der Tiroler Erstaufführung von "Fettes Schwein" übernommen. Das Stück feiert am 14.8. bei den Tiroler Volksschauspielen im großen Telfer RathausSaal Premiere. Das Bezirksblatt Telfs traf den Regisseur zum Gespräch.

„Fettes Schwein“ wurde noch nie in Tirol aufgeführt, damit trotzt man in den heurigen Volksschauspielen schon dem Hauptthema des Stückes, der Feigheit und spielt das Werk von Neil LaBute. Wie geht man in dem Fall der Tiroler Erstaufführung an dieses Stück heran?
PETER LORENZ: Obwohl Neil LaBute „Fettes Schwein” vor über 15 Jahren geschrieben hat, ist das Stück immer noch aktuell. Unsere Gesellschaft ist von Bildern und Körperidealen besessen und viele Menschen leiden darunter. Einerseits, weil sie aufgrund ihres Aussehens diskriminiert werden wie „Helen” in „Fettes Schwein” oder sich selbst knechten und im Wunsch diesen Idealen gerecht zu werden, unglücklich bleiben, wie die Figur „Jenny”. In der Adaption des Stückes für die Tirol Premiere war mir wichtig, dass das Stück den Menschen nahe geht, man im Publikum das Gefühl bekommt „das könnte ich sein” oder das könnte im Nachbardorf passieren. Dazu haben wir einerseits die Sprache ins Tirolerische übersetzt und andererseits alle Referenzen des Stückes nach Tirol verlegt. Wir waren bei der Leseprobe selbst überrascht, wie gut das funktioniert hat und wie lebendig der Text wurde.

Mutiges, hochaktuelles Thema, das schon für „aufregende“ Premieren sorgte. Wird dieses Stück auch in Telfs aufregen?
Wir arbeiten hier nicht an einem Theaterskandal, aber wir wollen Menschen erreichen, diese bewegen und zum nachdenken anregen - egal ob aus Innsbruck oder dem hintersten Ötztal. Ich glaube der Stoff geht uns nahe, weil soviel Menschlichkeit darin steckt - Idealismus und Schwäche. Es geht im Stück oft auch sehr derb zu und viel Gesagtes hat eine enorme Wucht, sobald es ausgesprochen wird. Wer sich über die Heftigkeit der Sprache aufregt, lebt wohl zu sehr in der eigenen Blase. Denn wenn man genau hinhört, begegnet man solchen Aussagen überall im öffentlichen Raum vom Postbus bis zum Nachtlokal - auch hier in Tirol. Ich hoffe, dass sich das Publikum angesprochen fühlt und selbst über sein Verhalten und seine Sprache reflektiert. Wir tragen alle den urteilenden Blick in uns und sprechen alle eine Sprache, die Vorurteile und Diskriminierung weiterbefördert. Wir müssen an uns selbst beginnen, um diesem oberflächlichen System zu entkommen.

„Fettes Schwein“ ist ein gesellschaftskritisches Stück über die Liebe zwischen Tom und Helen, Helen ist intelligent, schlagfertig, charmant - aber sehr dick. Diese Liebe wird unter den Vorurteilen, vorgefertigten Meinungen und Gesellschaftszwängen leiden, wie gehen Sie als Regisseur an dieses Thema heran? Provokativ oder zurückhaltend aber bestimmt?
Seit dem erscheinen des Stückes 2004 hat sich auch viel im Diskurs über Diskriminierung, Minderheiten, Mehrgewicht und Body-Shaming getan. Damals wären nicht der Norm entsprechende Körper als Models und in der Werbung noch unvorstellbar gewesen. Deshalb musste ich das Stück auch etwas adaptieren - es soll zeitgemäß bleiben und ganz vorne mit dem sich doch recht rasch entwickelnden Diskussionen mithalten können. Also, ja „bestimmt”, denn ich weiß genau was ich will und das ist eine zeitgemäße und menschliche Herangehensweise. Auch wenn Intendanz und Medien das oft gerne hätten, möchte ich nicht einfach mit einem Skandal dem Publikum irgendwas vor den Kopf stoßen. Dabei machen die Menschen oft zu, was weder Reflexion noch Veränderung zulässt. Es ist mir auch wichtig, dass das Publikum einen schönen Abend verbringt - es gibt wunderbare Live-Musik von den Schauspieler*innen, hoffentlich ein paar Lacher und einige Tränen. Das öffnet dann das Hirn und das Herz zur Selbstreflexion. Wenn man bei einem Satz das nächste Mal zweimal nachdenkt, bevor man ihn ausspricht, ist schon viel passiert.

Welche Kriterien waren für die Rollenvergabe verantwortlich?
Als ich engagiert wurde, stand das Schauspiel-Ensemble schon fest. Nur der Hauptdarsteller in der Rolle des Tom musste kurz vor Probenbeginn neubesetzt werden. In der Nachbesetzung durfte ich dann natürlich mitentscheiden und mir war wichtig, dass wir einen vielseitigen Schauspieler mit Tiroler Wurzeln finden, der selbst auch politisch mitdenkt und nicht den klassischen Rollenbildern entspricht. Mit Josef Mohamed haben wir eine Traumbesetzung gefunden. In Obsteig aufgewachsen, lebt er nun in Zürich und spielt viel in Theater, Film und Fernsehen im deutschsprachigen Raum. Das Kriterium der Tiroler Wurzeln hat weder mit Blut und Boden noch mit einer absurden Tiroler*innen-Quote zu tun, sondern mit meinem Konzept, das Stück glaubhaft nach Tirol zu verlegen. Nur Anna Lena Bucher, die „Helen” spielt, hat keinen Tirol-Bezug und ist im Regiekonzept dadurch auch bewusst in ihrer Sprache eine doppelte Außenseiterin. Das ermöglicht uns ein subtiles Annähern von „Helen” und „Tom” auf sprachlicher Ebene darzustellen. Das Ensemble ist genial, alle sind jung, motiviert und kreativ - wir haben bei den Proben unheimlich viel Spaß - das wird auch auf der Bühne ersichtlich sein, denn wir erreichen tolle Resultate in kurzer Zeit.

Nennen Sie dem Telfer Volksschauspiele zwei Eigenschaftswörter, die diese Inszenierung am treffendsten beschreibt.
„aufwühlend” und „berührend”

Zur Vorschau/Termine: Tirol-Premiere in Telfs: "Fettes Schwein"

Darsteller/innen (v.li.): Jakob Egger (Imst/Wien), Katarina Hauser (Warschau/Innsbruck), Josef Mohamed (Obsteig/Zürich), Anna Lena Bucher (Bern/Salzburg). | Foto: Thomas Böhm
Regisseur Peter Lorenz über ein Stück, das an Aktualität nichts verloren hat. | Foto: Foto: Larcher
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