Hat Man(n) die Hosen aus und Frau sie angezogen?

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TELFS (bine). „Vermutlich hat Gott die Frau erschaffen, um den Mann kleinzukriegen.“ (Voltaire) Die Entwicklung in unserer Gesellschaft mag die Bestätigung dazu liefern, aber geht der Trend wirklich zu einem weiblichen Part, der keinen männlichen mehr nötig hat? Erfolg, Zukunftssicherung, trautes Heim als Glück der Frau allein? Bleiben dann Familiensinn, Liebe und traute Zweisamkeit auf der Strecke oder hat es doch Bedarf an einer Rollenverteilung, die dem Ursprung zwar nicht mehr ganz entspricht, aber doch sehr ähnelt? Bernhard MORITZ, Dipl. Paar- und Sexualtherapeut, Dipl. Lebens- und Sozialberater und Dipl. systemischer Coach und Unternehmensberater hat dieses Thema soeben sehr erfolgreich in dem Stück „Der dressierte Mann“ behandelt. Wir haben ihn als Regisseur und Therapeut zu dieser aktuellen und auch pikanten Situation befragt.

BB: Was hat Sie dazu bewogen, diese Thematik im neuesten TIC-Stück zu behandeln?

BM: Das hat mehrere Gründe:
Zum einen war es mir wichtig, dass wir im Container ein weiteres Genre, in dem Fall die Komödie bedienen, zum anderen hab ich mich bemüht, wieder ein besonderes Stück zu finden. Und die Theaterfassung vom „dressierten Mann“ ist wirklich etwas Besonderes, zumal es wieder eine österreichische Erstaufführung ist.
Das ist für ein kleines Theater sehr schwer wegen der Aufführungsrechte; umso mehr freut es mich, dass es gelungen ist.
Thematisch hat mich die Frage interessiert, ob Klischees noch funktionieren und welche alten, fast archaischen, Bedürfnismuster auch in einer modernen Partnerschaft noch wirken; wenn auch unterschwellig und unbewusst.

BB: Warum fiel die Wahl auf „Der dressierte Mann“?

BM: Sowohl thematisch als auch von der Rollenzeichnung und den Rollenkonstellationen ist das Stück gut gebaut, modern und zeitkritisch. Es hat mich gereizt zuschauen, wie der Bestseller von Esther Vilar als Bühnenstück funktioniert. Das Stück hat Witz, gute Pointen, eine gute Dramaturgie und eine sehr schöne Dynamik.
Das Schöne ist auch, dass dieses Stück keine Lösung zeigt, sondern vielmehr die Lächerlichkeit und die Ausweglosigkeit der an sich verlockenden Vorstellung, man könnte den Partner dressieren.
Außerdem passt das Thema in die Philosophie und in die Art wie wir Theater verstehen und natürlich auch zur Lebens- und Erlebenswelt unseres Publikums.

BB: Diese Materie wurde kürzlich auch in einer renommierten Zeitschrift behandelt, ist die Situation so aktuell oder wird hier „nur“ an die „doch wieder zurück zum Ursprung - Ader“ der im heutigen Trend lebenden Menschen appelliert?

BM: Obwohl wir in einer scheinbar aufgeklärten und emanzipierten Welt leben, gibt es Themen, da funktionieren immer noch die alten Muster, Vorurteile und Geschlechterbilder.
Esther Vilar hat den „dressierten Mann“ 1971 als Antithese zu Alice Schwarzer geschrieben. Also in einer Zeit, die für uns heute fast schon Steinzeit-Charakter hat. Man braucht sich das nur einmal vorstellen: In Deutschland musste bis 1977 ein Ehemann eine schriftliche Zustimmung geben, wenn die Frau arbeiten wollte. Die Frau durfte kein eigenes Konto haben und war auch nicht geschäftsfähig. In Österreich war es bis 1975 ähnlich.
Wir glauben, dass sich heute viel geändert hat. Doch wenn man genauer hinschaut, dann sind es nur andere Themen, die heute akut sind.

BB: Für wie präsent halten Sie selbst diese Mann/Frau-Entwicklung?

BM: meinem Beruf als Paar- und Sexualtherapeut erlebe ich dressierende Frauen ebenso, wie Männer, die dressiert werden; und natürlich auch umgekehrt. Ich erlebe hilflose und überforderte Männer, die mit ihrer „Dressurweisheit“ am Ende sind, aber eben auch Frauen, die zwar wissen, was sie nicht mehr wollen, sich aber schwer tun, zu formulieren, wie sie sich stattdessen die Beziehung vorstellen.
Vieles von dem, was „Der dressierte Mann“ aufzeigt, findet tagtäglich in abgewandelter Form in unserem Beziehungsalltag statt und ist – tragischerweise – bekannt. Die Form der Komödie macht es erträglicher und darüber lachen zu können, ist ja auch eine Form der Entlastung.

BB: Wo wird dies alles ihrer Meinung nach hinführen, und worin liegt die größte Gefahr, vor allem beziehungstechnisch gesehen?
BM: Ich denke bis zur Nachkriegsgeneration war das klassische Beziehungsmodell von Mann und Frau und deren klassische Rollenverteilung durchaus ein taugliches Modell, das auch nur sehr begrenzt in Frage gestellt wurde. Beziehungsweg, Beziehungsablauf und die Reihenfolge von Ausbildung, Beruf, wirtschaftliche Basis, Beziehungsgründung, Wohnung und dann Familiengründung waren gesellschaftlich anerkannt. Doch dieses aus der Romantik stammende Liebes- und Beziehungsbild verliert in einer emanzipierten Gesellschaft an Kraft und Akzeptanz.
Heute sind Sinn und Inhalt von Beziehungen vielfältiger geworden. Das Angebot an Modellen reicht von Double-Incom-No-Kids-Paaren bis zu polyamoren (=Liebesbeziehungen zu mehr als einem Menschen zur gleichen Zeit zu haben. Dies geschieht mit vollem Wissen und Einverständnis aller beteiligten Partner Partnerschaften. Anmerkung der Redaktion).
Heute geht es darum aus einem gereiften Selbst- und Beziehungsbild heraus Partnerschaften zu gründen und zu leben.
Da sind wir aber sowohl als Mann, wie auch als Frau aber auch als Gesellschaft noch am Üben.

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