Welttag Suizidprävention
"Keine Scheu vor Hilfe"
Am 10. September ist Welttag der Suizidprävention. Ziel dieses Tages ist es, das Bewusstsein dafür zu erhöhen, dass Suizide verhindert werden können.
VILLACH. Christa Rados, Abteilungsvorstand für Psychiatrie und Psychotherapie amLandeskrankenhaus Villach, spricht anlässlich des heutigen Suizid-Präventionstages mit der WOCHE über dieses wichtige Thema.
WOCHE: Suizid – ein Thema über das oft geschwiegen wird. Wieso? Und zu Recht?
Christa Rados: Suizid ist aus verschiedenen Gründen ein Tabuthema. Tod und Sterben werden an sich in unserer Gesellschaft ausgeblendet und kommen im allgemeinen Diskurs kaum vor. Außerdem steht Suizid in engem Zusammenhang mit psychischen Krankheiten, die ihrerseits nach wie vor stigmatisiert und tabuisiert sind. Ein Suizid löst im persönlichen Umfeld des Betroffenen unvermeidlich Schuld- und Schamgefühle aus, sodass derartige Ereignisse im wahrsten Sinne des Wortes oft „totgeschwiegen“ werden.
Laut Angaben der letzten Jahre war Kärnten meist Spitzenreiter was Suizidfälle anbelangt – können Sie sich das erklären?
Seit den 1970er Jahren ist die Suizidalität in ganz Österreich, auch in Kärnten, erfreulicherweise deutlich zurückgegangen. Im Österreich-Vergleich haben allerdings Kärnten und die Steiermark die meisten Suizidfälle, im Gegensatz zu Wien, wo die Zahlen deutlich niedriger sind. Dafür gibt es mit Sicherheit keine eindimensionale Erklärung. Studien aus verschiedenen Ländern belegen, dass Aufklärung über die Thematik, Verbesserung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung, vermehrte Verschreibung von Antidepressiva und eine sensible Medienberichterstattung die wichtigsten Bausteine bei der Eindämmung der Suizidrate sind.
Gibt es ein Präventionskonzept?
Eine durch das Land Kärnten implementierte Arbeitsgruppe zur Suizidprävention setzt sich mit möglichen Risikofaktoren in Form einer detaillierten Datenbank auseinander, um daraus gezielte Präventionsstrategien abzuleiten. Kärnten orientiert sich dabei am österreichischen Suizidpräventionsprogramm SUPRA (=Suizidprävention Austria). In den letzten Jahren wurden in ganz Kärnten Vorträge zum Thema Depression und Suizidverhütung organisiert. Daneben werden Expertenschulungen und gezielte Medienarbeit vorangetrieben. Zur Prävention gehört auch die Einschränkung des Zuganges zu Suizidmitteln, was so unterschiedliche Bereiche wie z.B. die Sicherung von hohen Gebäuden und Brücken, aber auch den restriktiven Umgang mit Waffen in Privathaushalten, umfasst.
Wer ist besonders betroffen?
Nach wie vor ist es zu wenig bekannt, dass das Suizidrisiko mit steigendem Alter zunimmt. Männer sind häufiger von Suiziden betroffen als Frauen, was unter anderem auch mit den von Männern bevorzugten gefährlicheren Suizidmethoden zu tun hat. Männern fällt es generell auch schwerer, bei Auftreten psychischer Probleme professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Corona-Zeit: Wurden Beratungsstellen mehr in Anspruch genommen? Glauben Sie, dass nun noch mehr Prävention erforderlich ist?
Bis jetzt gibt es keinen Hinweis, dass durch die Covid-19 Pandemie das Suizidrisiko zugenommen hat. Es wurde vielmehr beobachtet, dass in Kärnten, wie auch anderswo die Suizidrate während der Zeit des Lockdowns deutlich zurückgegangen ist. Es ist allerdings zu befürchten, dass die Zunahme wirtschaftlicher und psychosozialer Probleme in Zusammenhang mit der Pandemie psychische Krisen auslösen oder verstärken könnte. Es ist daher derzeit besonders wichtig, über Möglichkeiten der Hilfestellung im Krisenfall zu informieren.
Wie können Familie & Co. helfen. Soll man Betroffene ansprechen, wenn man sich Sorgen macht?
„Hinschauen, nicht wegschauen“ ist die Devise. Wenn ein Nahestehender sich plötzlich stark verändert, sollte man dies auf jeden Fall ansprechen. Man soll sich auch nicht scheuen, eigene Befürchtungen in Hinblick auf eine drohende Suizidalität anzusprechen. Die Angst, jemanden dadurch erst „auf diesen Gedanken zu bringen“ ist mit Sicherheit unbegründet. Suizidalität entsteht meist als kontinuierliche Entwicklung von unkonkreten Gedanken des Lebensüberdrusses, wie sie vermutlich viele Menschen bereits einmal gehabt haben, bis hin zu einem konkreten Suizidplan. Je konkreter diese Gedanken sind, desto gefährlicher ist die Situation.
Wann braucht es dringend Hilfe?
Wenn Menschen sich in kurzer Zeit psychisch deutlich verändern, sich zurückziehen oder gar Andeutungen machen, nicht mehr leben zu wollen, ist auf jeden Fall Handlungsbedarf gegeben. Angehörige oder Betroffene sollten sich keinesfalls scheuen, bei vermuteter Suizidgefahr unverzüglich psychiatrische Hilfe zu organisieren. Fachärzte für Psychiatrie sind die medizinischen Experten in der Behandlung psychischer Krankheiten, auch klinische Psychologen und Psychotherapeuten bieten professionelle Hilfe an. Bei gegebener Dringlichkeit haben sich mobile Dienste, wie der Psychiatrische Not- und Krisendienst, der flächendeckend 24 Stunden an 7 Tage der Woche tätig ist, bewährt. Insbesondere wenn akute Selbstgefährdung zu befürchten ist, stehen auch die Ambulanzen der Psychiatrischen Abteilung im Landeskrankenhaus Villach und im Klinikum Klagenfurt zur Verfügung.
Wie läuft eine Behandlung in etwa ab? Gibt es genügend Angebote?
Je konkreter jemand seine Probleme schildert, desto gezielter und schneller funktioniert die Hilfestellung. Es ist wichtig, Suizidgedanken azusprechen, auch von Angehörigen, die sich Sorgen machen. Nach Absprache mit einem Psychologen oder Psychiater folgt dann individuelle Hilfe: Medikamentation oder Beratungsgespräche werden vereinbart. Spricht man seine Suizidgedanken laut aus, bedeutet dies keinesfalls, dass man sofort eingewiesen wird. Eine Einweisung ins Krankenhaus folgt lediglich nach einem Suizidversuch beziehungsweise wenn Gefahr im Verzug ist.
Notfallnummern:
Psychiatrischer Not- und Krisendienst
PNK West: 0664/3007 007
PNK Ost: 0664/3009003
Telefonseelsorge Notruf: 142
Rat auf Draht: 147
Nützliche Webseiten:
www.suizid-praevention.gv.at
www.bittelebe.at
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