Kommentar
Die Zeit des Nasenbohrens ist vorbei

- Christian Marold
RZ-Chefredakteur - Foto: RZ
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Seit dieser Woche sind nun alle Schulen österreichweit im Ferienmodus. Und das wiederum heißt auch, dass die Zeit der Nasenbohrer-Tests zu Ende gegangen ist. Vorläufig. Alle Bildungseinrichtungen stehen quasi auf Stand-by für den kommenden Herbst. So wird es mit großer Wahrscheinlichkeit in den ersten zwei bis drei Wochen im neuen Semester umfangreiche Tests geben. Ich spreche hier von COVID-Tests. Ob Nasenbohrer oder PCR-Gurgeltests ist noch nicht ganz klar. Viele Kinder und Jugendliche werden auch in den Ferien freiwillig in der Nase bohren und zusätzlich auch testen. Vielleicht gilt das auch für die Lehrer, schließlich sind neun Wochen ja eine lange Zeit und so manche Kollegen des Lehrkörpers sind nicht geimpft.
Jedenfalls sollte aus Langeweile nicht ständig mit dem Finger in der Nase gebohrt werden. Ist ja auch schon aus hygienischen Gründen nicht zu empfehlen. Ob wirklich in den neun Wochen Langweile aufkommt, hängt wieder einmal von der Planung der Eltern ab. Und das nach einem sehr intensiven Schuljahr der Organisation zwischen Schul-, Arbeits- und Privatleben. Viele Eltern machen sich nicht unbegründet Sorgen um den fehlenden Stoff, den ihre Kinder im Pandemieschuljahr 2020/21 nicht vermittelt bekommen haben oder ihn nicht lernen konnten. So gibt es je nach Schule und Lehrern unterschiedliche Lernziele für dieselbe Schulstufe. In den Hauptfächern gibt es daher je nach Schule einen Unterschied von Lerninhalten von vier bis fünf Lektionen/Units oder Themenblöcken. Diese Diskrepanz im Herbst aufzuholen, halte ich für unmöglich und bei aller Liebe für sinnlos. Denn damit wird nur künstlich Druck aufgebaut, schließlich sollen am Ende ja alle Schüler nach der Pflichtschulzeit und spätestens zu Beginn der Matura auf demselben Lernniveau sein. Die Lösung laut Bildungsministerium: Die Sommerschule! Knapp 40.000 Schüler haben sich bis jetzt in Österreich angemeldet. Um es an dieser Stelle noch einmal klar zu erwähnen: Alle im Bildungsbereich haben in diesem schwierigen Schuljahr eine ungewöhnlich herausfordernde Leistung erbracht. Schüler, Lehrer und Eltern. Keine Frage. Dennoch wird sich gerade im kommenden Schuljahr und noch weit darüber hinaus zeigen, welche Auswirkungen diese knapp eineinhalb Pandemiejahre mit all den Verordnungen, die weit über den schulischen Bereich hinausgegangen sind, für unsere Kinder haben wird.
Was das abgelaufene Schuljahr betrifft, so haben alle Akteure gemäß Auflagen, Restriktionen und Gesetzen funktioniert. Es war aber kein Jahr der Erlebnisse, Eindrücke und der Gemeinschaft. Viele Aktionen, Feste, Reisen und dem Anlass entsprechenden Veranstaltungen konnten nicht durchgeführt werden. Und werden auch nie wieder kommen. Das betrifft vor allem die Abschlussklassen und damit meine ich nicht nur die Maturajahrgänge. Erlebnisse, die wie blinde Flecken in den Erinnerungen unserer Kinder bleiben, weil es diese schlicht nicht gegeben hat. Viele Experten im Bildungsbereich prophezeien, dass die Kinder die Pandemiezeit gut wegstecken werden. Mag sein, aber was sollen sie denn auch anderes sagen?
Für das Schuljahr 2021/22 wünsche ich mir Kontinuität in der Bildungslandschaft. Abseits von einer digitalen Offensive, die übrigens auch gelernt und gelebt werden muss. Ich wünsche mir ein motiviertes Lehrpersonal, das das Wohl der Kinder in den Vordergrund stellt und nicht ein in die Jahre gekommenes Bildungssystem.
Allen Schülern und Abgängern sowie Lehrern und Eltern wünsche ich in den kommenden Wochen die Kraft zu gewinnen, die mitunter verloren ging. Funktionieren können wir nur, wenn wir auch das Recht haben zu leben. Sonst sitzen in den Klassen demnächst Roboter, die in den Nasen bohren.
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