Kommentar
Rückkehrer

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

„Entschuldigung, aber bei uns im Geschäft ist Maskenpflicht!“ Hastig suche ich nach meinem Mund-Nasen-Schutz, zieh die Maske über und blicke mich um. Stimmt, in Bäckereien ist Maskenpflicht. Sowohl Kunden, als auch Verkäufer schauen mich vorwurfsvoll an. Erst als ich die Maske korrekt über Mund und Nase gestülpt habe, geht das Verkaufsleben in der Bäckerei weiter. Das war knapp.
Derzeit ist es auch nicht ganz einfach zu wissen, wo und wann man eine Maske benötigt. Bei den offenen Grenzen wird die Situation noch schwieriger. Wie war das noch einmal in Liechtenstein und der Schweiz? Und warum muss ich in Lindau, auch wenn ich nur einen Kaffee trinken möchte, meine Daten hinterlassen? Hinzu kommen jetzt fast stündlich neue Reisewarnungen vom auswärtigen Amt. Viele Bekannte sind gerade in solchen „gefährlichen“ Ländern und ebenso viele Schulkinder beziehungsweise Kinder aus Vereinen, die nach und nach wieder den Trainingsbetrieb aufnehmen. Was hat das für Konsequenzen? Lassen sich wirklich alle RRKs (Reiserückkehrer) aus Ländern mit Reisewarnung testen? In knapp drei Wochen startet die Schule und wenn ein Kind Schnupfen oder gar erhöhte Temperatur hat und kurz davor aus einem der „gefährlichen“ Ländern aus dem Urlaub gekommen ist, was ist dann?

Viele Familien haben es in diesem Sommer vermieden den Rest ihrer Familie in den ursprünglichen Heimatländern zu besuchen. Eine extrem schwierige Entscheidung, aber mit Hausverstand. Das ist für manchen Vorarlberger, der seine Eltern im selben Haus oder Nachbarhaus hat und die Schwiegereltern im Ober- oder Unterland wohnen nicht nachvollziehbar. Die eigenen Eltern wiederzusehen oder nicht, dazwischen liegen jetzt eineinhalb Jahre. Und eine Gewissheit sie im Sommer 2021 gesund wiederzusehen, ist mehr als fraglich.

Am Ende werden die Infektionszahlen auch bei uns wieder steigen. Das liegt aber nicht nur an den RRKs, sondern auch an unserem Verhalten und den teilweise rücksichtlosen Egoismen. Darum ist es gerade jetzt immens wichtig, dass wir nicht gleich Be- und vor allem Verurteilen. Studien haben gezeigt, dass der Schul-Lockdown in der Zukunft noch große Auswirkungen auf unsere Kinder haben wird – schulisch wie psychisch. Es sind viele Kinder, die jetzt ihre Großeltern in sogenannten Risikoländern besuchen. Damit konnten sie nach all der Zeit der Isolation mit einem kurzen Aufenthalt in den Heimatländern ihrer Eltern oder Großeltern die Probleme vom Alltag zumindest kurzfristig vergessen, bevor in circa drei Wochen die Schule wieder startet. Diese Kinder und Jugendlichen sind ebenfalls RRKs. Warum ich das so abkürze? Weil es mit dieser Bezeichnung schon eine Absonderung darstellt. Reiserückkehrer aus gefährdeten Ländern mit hohen Infektionszahlen werden somit automatisch anders behandelt. Ähnlich wie die Kunden und Verkäufer in der Bäckerei, werden Mitschüler, Trainingskollegen beziehungsweise Vereinsmitglieder solche RRKs mit skeptischen Blicken anschauen. Genau diesen Kindern und Jugendlichen sollten wir aber mehr denn je das Gefühl geben, dass sie sich bei uns integriert fühlen und ihnen ein Stück Heimat wiedergeben können. Sonst wird die soziale Kluft noch größer und die ganzen Studien über eine Benachteiligung sozial schwächeren Kindern und Jugendlichen während dieser Pandemiezeit wird sich schneller bewahrheiten, als uns lieb ist.

Oder anders gesagt: Wenn wir anfangen Ängste, Sorgen und Bedenken in Mitmenschen zu projizieren, dann kann sich diese Projektion negativ auswirken.

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