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So sind wir nicht

Die Bevölkerung scheint bei den nächsten Wahlen schneller zu vergessen, als ein Elefant. | Foto: pixabay
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Vor drei Jahren trat Alexander Van der Bellen als Bundespräsident vor die Vertreter der Medien und nahm einen bemerkenswerten Satz in den Mund: „So sind wir (Politiker) nicht.“ Gemünzt war diese Aussage auf die Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Drei Jahre später und nach Bekanntwerden diverser Chatprotokolle ist leider eines klar: Das stimmt so nicht für alle. Wären all die Skandale rund um Politiker, Wirtschaftstreibende und Medienschaffende eine Soap-Produktion für einen Fernsehsender oder Streamingdienst, dann wären wir bereits in Staffel 8 mit jeweils 10 Episoden und die Drehbuchautoren würden sabbernd zu Hause warten, bis neue Protokolle oder „bsoffene Gschichtn“ veröffentlicht werden. Das Drehbuch schreibt sich quasi von selbst. Mitunter passiert genau das in diesem Moment. Je höher du in einem politischen Amt tätig bist, umso mehr Leuten schuldest du einen Gefallen. Diesen Satz hat mir ein Bekannter einmal gesagt, als ich fest der Überzeugung war, dass er der Richtige für ein solch hohes politisches Amt sei. Ja, auch die Schuldenfrage mag bei vielen stimmen, trifft aber nicht auf alle zu.

Schaut man derzeit auf den gesamten Sumpf, den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aufarbeiten und trockenlegen muss, dann zeichnet sich für ganz Österreich das Bild eines Eisbergs aus Intrigen und schwarzen Schafen ab. Seit mehr als drei Jahren werden wir immer wieder mit neuen Skandalen konfrontiert. Und jeder weiß: Das ist nur die Spitze des besagten Eisberges. Es ist leider genügend Stoff, um die in vielen Bereichen berechtigterweise die Vertrauensfrage zu stellen. Mangels vorhandener Alternativen ist der Ruf nach Neuwahlen fast schon absurd, außer alle würden eine Partei wählen, die sich neu aufstellt. Ähnlich der Bierpartei. Bei all den bestehenden ist die politische Sauberkeit zu unsicher, wenn die Schuldenfrage um diverse politische Ämter und Aufsichtsratsmandate nicht gänzlich geklärt ist. Ist aber auch verflixt. Könnte man also unterm Strich behaupten, dass Österreich ein korruptes Land ist? Moralisch gesehen, schreit es geradezu danach. Und das Eingestehen von persönlichen Fehlern und Fehlverhaltens mancher Menschen in der Öffentlichkeit bestätigt dies. Das Dilemma ist nur, dass es in anderen Ländern nicht sonderlich besser ist, außer dass im Vergleich zu Österreich ähnliche Skandale erst gar nicht an die Öffentlichkeit kommen und/oder nicht sanktioniert werden. Es bleibt ohne Konsequenzen. Ja gut, bei uns ist das auch oft der Fall, aber wenigstens hätten wir als Wähler am Ende durch das Bekanntwerden solcher Skandale die Chance, den Parteien dementsprechend auch Denkzettel zu verpassen. Leider ist das kollektive Wählergehirn der Österreicher viel vergesslicher als das eines Elefanten, der ja bekanntlich nichts vergisst.

Auf die neusten Chatprotokolle zwischen Politikern und hochrangigen Medienleuten ist aus meiner Sicht im Sinne Van der Bellens zu sagen: „So sind wir nicht!“ Und dennoch erschüttert es mich genauso wie jeden anderen, der solche Protokolle zu lesen bekommt. Es scheint alles wie ein schlechter Film zu sein, der auf wahren Begebenheiten beruht. Somit kämpfen und bemühen wir uns im Mediensektor um Aufklärung, richtige Darstellung von Gegebenheiten, Bekämpfung von Fake News und journalistisch objektiver Berichterstattung. All das wird zunichtegemacht, wenn das Vertrauen durch Korruption und Postenschacherei narzisstischer und machtgeiler Menschen zerstört wird. Ein Wertebild fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

So sind wir nicht – das sollte sich jeder für jedes Thema, jeden Teil, jede Handlung in seinem Leben immer als Prämisse im Hinterkopf behalten. Genügend Punkte hätte wohl jeder von uns auf seiner ganz persönlichen Liste.

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ
Die Bevölkerung scheint bei den nächsten Wahlen schneller zu vergessen, als ein Elefant. | Foto: pixabay
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