"Lotte Living": Wohnen 30+ in der Kochgasse
Respekt, Anstand und abends ein gutes Glas Wein: Die Spielregeln in der Ü30-Wohngemeinschaft unterscheiden sich nur geringfügig von der klassischen Studenten-WG.
JOSEFSTADT. Unter Studierenden zählt sie schon seit jeher zu der beliebtesten Form des Wohnens: Die Wohngemeinschaft. Leistbares Wohnen und eine tolle Gemeinschaft; die gelegentlichen Einbußen im Bereich der Privatsphäre nimmt man da gerne in Kauf. Dass dieses Konzept nicht nur bei Studierenden funktionieren kann, beweisen Charlotte Kirchgaesser und Martin Bergler. In der "Lotte Living" Wohngemeinschaft in der Kochgasse stolpern die beiden über jegliche Vor- und Nachteile des WG-Alltags. Und warum auch nicht? "Zwischen der klassischen Studenten-WG und dem betreuten Wohnen im Alter ist bekanntlich noch einiges an Raum", erklärt Kirchgaesser mit einem Zwinkern.
Und das funktioniert? "Ja, auf alle Fälle. Man muss es halt wollen, sich drauf einlassen", so die 52-jährige Initiatorin des Lotte Living Wohnprojektes. Dabei folgt das Zusammenleben in ihrer WG den selben Regeln wie in jedem anderen vernünftigen Wohnverbund: Mit Rücksicht auf den jeweils anderen, gegenseitigen Respekt und bei Gelegenheit einem guten Glas Wein, lassen sich viele Probleme bereits im Keim ersticken. Für beide ist es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie in einer WG leben - bereut hat diese Entscheidung keiner. Im Gegenteil: Mit großem Interesse stattet Bergler seinem eigenen Kind Besuche in dessen WG ab.
Im Leben auf den Punkt kommen
Der 57-Jährige ist Unternehmensberater, viel unterwegs und wohnt seit rund elf Monaten in der "Lotte Living"- Gemeinschaft. Nach der Trennung von seiner Frau sei die Ü30-Wohngemeinschaft genau das Richtige gewesen, erklärt Bergler. Die schnelle Verfügbarkeit, ein gewisser Grad an Unkompliziertheit und die gute Lage in der Stadt, waren für ihn damals ausschlaggebend. "Ursprünglich war das nur für zwei bis drei Monate geplant", so Bergler. "Wenn du nach drei Tagen anstrengender Arbeit aus Rumänien zurückkommst, willst du nicht in eine leere Wohnung", erklärt der 57-Jährige. Abends bei einem Gläschen Wein ein wenig plaudern, schaffe da ganz gut Abhilfe.
Auch für Gründerin Kirchgaesser sind es die sozialen Aspekte, welche diese Form des Wohnens besonders reizvoll erscheinen lassen. Nachdem die Weltenbummlerin ihre Jugend in New York, Paris, Tokyo, Stuttgart und Salzburg verbracht hatte, arbeitete sie einige Jahre in Wien, in den USA, lebte später in Rom. Trotz aufregender Jahre war es irgendwie nicht "das" Leben, erinnert sich die 52-Jährige. "Irgendwann hatte ich das Gefühl, ich will auf den Punkt kommen im Leben", so Kirchgaesser. Sie schloss ihre Firma in Rom, lebte auf den Okinawa-Inseln und absolvierte ihren schwarzen Gürtel bei einem der letzten "Grand Master" des Karate. Beim Betreuen eines luxuriösen, sehr geräumigen Hauses im australischen Perth kam ihr irgendwann der Gedanke: "Wenn mir das gehören würde, was würde ich damit machen?"
"Man merkt dann relativ schnell, ob das passt"
Die Antwort findet sich in der Kochgasse: Ein Leben, einem gewissen materiellen Standard folgend, geteilt mit interessanten und interessierten Mitmenschen. Platz bietet die Wohngemeinschaft für drei Personen, Ex-Mitbewohnerin Alanna, hat Wien vor Kurzem verlassen. Um die WG wieder zu vervollständigen kommen Bewerber direkt in die Wohnung, man unterhält sich ein bisschen, plaudert, "man merkt dann relativ rasch, ob das passt", so Bergler. Ob die beiden auf ewig dem WG-Leben verschrieben sind? Wir werden sehen. "Die einzige Konstante im Leben ist ohnehin die Veränderung", schließt Kirchgaesser.
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