Oberschulrat Johann Wöhrer im 102. Lebensjahr verstorben
Im 102. Lebensjahr ist der älteste Gemeindebürger OSR Johann Wöhrer am 3. Jänner friedlich im Kreise seiner engsten Familie eingeschlafen.
HÖLLES (Bericht: Ernst Schagl). Wöhrer hat jahrzehntelang in der Gemeinde viel zum Sport- und Kulturleben ua. als Mitgründer des Sportklubs ebenso wie als Obmann des Männergesangsvereines und Aktiver bei den verschiedensten Vereinsfesten und der Pecherei
beigetragen.
Am 25. September 1920 im damaligen 30-Häuser-Dorf Hölles geboren, fuhr er
nach der Pflichtschule täglich mit dem Rad in die Lehrerbildungsanstalt Wr.
Neustadt, um dann als Lehrer in Matzendorf, Leobersdorf und Felixdorf
unterrichten zu können.
Fronteinsatz an der Wolga
OSR Wöhrer galt bis zuletzt als einer der allerletzten noch lebenden
Stalingrad-Kämpfer im deutschen Sprachraum, die wieder zurück nach Hause
kamen. Beim Fronteinsatz an der Wolga wurde der junge Hans durch
Artilleriebeschuss mit Granatsplitter schwer verwundet und war alleine 3
Wochen unterwegs, bis er ein Feldlazarett fand. "Ich habe unvorstellbares
Leid gesehen", sagte er noch zu seinem 100. Geburtstag, nannte aber kaum
Details. Seinen Lebens-Leitsatz in schwierigen Zeiten zitierte er oft: "Wer
Stalingrad überlebt hat, überlebt alles andere im Leben auch!". Auch sein in
Stenografie verfasstes Kriegstagebuch, dass er am Boden versteckte, durfte
nach Auffindung vor einigen Jahren "nicht zu meinen Lebzeiten übersetzt und
gelesen werden". Während seines Kriegseinsatzes starb 1942 auch sein Vater
Johann.
Die große Liebe gefunden
Auf der Rückfahrt aus Russland lernte er in Znaim (Südmähren) seine Frau
Julia kennen, blieb als Junglehrer und nach der Hochzeit 1944 wurde dort
auch Sohn Gerhold geboren. Anfang 1945 musste die Jungfamilie aus Mähren
flüchten und kam so wieder für immer zurück nach Hölles. Später wurde hier
noch Tochter Ilse, spätere Leiterin der örtlichen Volksschule, als 2. Kind
geboren.
Die Familie und das Gemeinwohl prägten sein ganzes Leben. Als Jugendlicher
lernte er mit einem von seiner Mutter selbst genähten "Fetzenlaberl" (weil
einen Lederfussball konnten wir uns nicht leisten") das Fussballspielen und
spielte auf der "Trift" ebenso wie auf der "Stierwiesen" hinter der
Dorfkapelle mit dem späteren, in Hölles aufgewachsenen 84fachen
Teamfussballer Karli Koller. Später war er ua. mit Hubert Uhlschmid und dem
damaligen Bgm. Franz Mannsberger Mitinitiator für die Gründung des örtlichen
Sportklubs, trat 1946 dem Männergesangverein bei, dem er als Obmann von 1961
bis 1991 vorstand und selbst nach einem abendlichen Sturz von der Probe am
Heimweg mit dem Fahrrad wurde "die Stütze des 2. Tenors" dann noch weiter
von seinem Enkerl und heutigen MGV-Obmann Roland Pammer bis 2013 regelmäßig
zur Gesangprobe chauffiert.
Der bis vor kurzem geistig fitte Oberschulrat, der zeit seines Lebens ein
Tagebuch schrieb, sah sein hohes Alter immer als "Gnade und Geschenk" an.
Medikamente nahm er nie: "Wennst da einmal anfängst, brauchst immer mehr -
und das ist für den Körper nicht gut!", wusste er von früheren Ärzten.
Freund der Natur
Sein Spruch auf der Pate gibt ein eindrucksvolles Zeugnis auch zu seiner
Beziehung zur Natur: "Wenn ich nicht mehr bin, werden meine Bäume noch stehn`n und die großen Wolken drüberweh`n". Damit ist seine Beziehung zu seinem geliebten Hölleser Föhrenwald gemeint, als er neben der kleinen Landwirtschaft seiner Mutter auch als Pecher bis zu 1800 Bäume gemeinsam mit seinem Sohn Gerhold bearbeitete, bis er 1968 zum Direktor der damals größten Hauptschule des Bezirks in Pernitz bestellt wurde. Beim Bau der Pecherkapelle legte er selbst mit Hand an und warf immer einen kontrollierenden Blick auf das Projekt, zeigte mit seiner Weisheit und Erfahrung Kleinigkeiten auf, die sonst niemand bemerkte aber wichtig waren und beschrieb für den Josef Schöffel-Preis des Landes NÖ fachkundig die einzigartige Flora und Fauna unseres Waldgebietes. Zuletzt war er beim großen Pecherfest zum
20-Jahr-Bestand 2016 mit seiner Pflegerin ebenso noch dabei wie später im November 2019 zu Besuch am Pecherpfad mit seiner weitschichtigen Verwandten Katharina Wöhrer, jeder der beiden damals mehr als 100 Jahre alt.
Am Sonntagabend, 2. Jänner, schloss der beliebte Hölleser in seinem Bett nach 36.892 Lebenstagen für immer die Augen.
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