Buchpräsentation mit Landeshauptmann a.D. Dr. Erwin Pröll

Landeshauptmann a.D. Dr. Erwin Pröll, Dr. Johann Hagenhofer, Mag. Dr. Werner Sulzgruber, Mag. Dr. Kurt Dressel, Bürgermeister Hans Rädler, Regionsobmann DI Friedrich Trimmel. | Foto: H. Wrede
  • Landeshauptmann a.D. Dr. Erwin Pröll, Dr. Johann Hagenhofer, Mag. Dr. Werner Sulzgruber, Mag. Dr. Kurt Dressel, Bürgermeister Hans Rädler, Regionsobmann DI Friedrich Trimmel.
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BAD ERLACH (Bericht und Foto: Harald Wrede). Ein äußerst umfangreiches Forschungsprojekt fand im Gemeindesaal in Bad Erlach seinen feierlichen und würdigen Abschluss im Rahmen der Präsentation des Buches „Eine versunkene Welt“.

Kurz zur Ausgangssituation: Jahrzehntelanger mehr oder weniger offen gelebter Antisemitismus entlud sich in der Zeit des Nationalsozialismus und führte zu Flucht oder Deportation und Ermordung der jüdischen Landbevölkerung in der Buckligen Welt und im Wechselland. Landjuden, die wohl integriert in den Dörfern im südlichen Niederösterreich in guter Nachbarschaft mit ihren Mitbürgern lebten, wurden rasend schnell zu Feinden erklärt und endeten, sofern ihnen nicht eine oft entbehrungsreiche und gefährliche Flucht gelang in Todeslagern.

Lebensbedingungen in der Buckligen Welt
Lange Zeit wurde über diesen Aspekt der Vergangenheit kaum gesprochen. Die Buchreihe Lebensspuren, die sich mit den Lebensbedingungen in der Buckligen Welt, mit Krieg und Vertreibung beschäftigte trug dazu bei, den Weg zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu ebenen.
Der Entschluss von Bürgermeister Hans Rädler in Bad Erlach ein Kulturzentrum mit Museum für Zeitgeschichte zu schaffen und eine erste Ausstellung der Vertreibung der Landjuden zu widmen, war dann die Initialzündung für ein Mammutprojekt, an dem, geleitet durch das Team bestehend aus Dr. Johann Hagenhofer (Organisation), Mag. Dr. Werner Sulzgruber (Jüdische Geschichte) und Mag. Dr. Gert Dressel (Oral History), Heimatforscher aus 26 Gemeinden der Region Bucklige Welt – Wechselland teilnahmen.
Ein Teil der in diesem Projekt mühevoll zusammengetragenen Ergebnisse, wurde nun einem gespannten Publikum im restlos vollbesetzten Gemeindesaal präsentiert.

Akribische Forschungsarbeit
Regionsobmann DI Friedrich Trimmel übernahm die angenehme Aufgabe, ein herzliches Dankeschön an die vielen ideellen und materiellen Unterstützer, sowie an die zahlreichen Forscher für ihre akribische Arbeit zu sagen.
Moderator Martin Lammerhuber führte souverän durchs Programm des Abends und übergab das Wort an Bürgermeister Hans Rädler, der dazu mahnte, zeitgeschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten nicht ausschließlich aus heutiger Sicht, sondern im Kontext der damals herrschenden Verhältnisse zu betrachten. Ihm sei es bei dem Forschungsprojekt und bei dem bald zu eröffnenden Museum für Zeitgeschichte, darum gegangen Geschichte erlebbar zu machen, so Rädler weiter. Ein wichtiger Meilenstein sei dabei die Bereitschaft von Landeshauptmann a.D. Dr. Erwin Pröll gewesen, die Schirmherrschaft zu übernehmen.
Herausgeber und Verleger Robert Ivancich erinnerte daran, dass bei dem Forschungsprojekt Eile geboten war: „Wenn diese Erfahrungen jetzt nicht aufgearbeitet werden, sind sie einfach weg!“ Es sei höchste Zeit gewesen, die Erinnerungen der noch lebenden, betagten Zeitzeugen zu dokumentieren und dieses Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.

Dramatische Flucht
In bewegenden Worten erinnerte anschließend Dr. Hagenhofer an die dramatische Flucht von Magda Winkler, einer jüdischen Einwohnerin aus Hochwolkersdorf. Kurt Winkler, damals ein 12-jähriger Lausbub, sagte Dr. Hagenhofer in einem Interview: „Ich konnte nicht verstehen, was sich plötzlich in unserer Gemeinde geändert hat!“
Auch Mag. Dr. Dressel ging in seinem Beitrag darauf ein, dass sich trotz sozialer Teilhabe der meisten Juden in der Region, wie z.B. der Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr, sich sehr schnell eine offen feindselige Stimmung gegenüber den jüdischen Mitbewohnern aufgebaut habe. Veranschaulicht wurde dies durch die Beiträge von Helene Rennhofer und Maximilian Bauer, beide Schüler des Gymnasiums Sachsenbrunn in Kirchberg, die aus Briefen und Zeitungsartikeln zitierten.
Mag. Dr. Werner Sulzgruber erinnerte daran, dass es sich bei den vertriebenen Juden hauptsächlich um Angehörige der Unterschicht, allenfalls der Mittelschicht gehandelt habe. Nur ein verschwindender Bruchteil von ihnen waren finanzkräftige Industrielle.

Mutiger Umgang mit Geschichte
„Wir sind im Umgang mit unserer Geschichte mutiger geworden!“ rief Landeshauptmann a.D. Dr. Erwin Pröll den Zuhörerinnen und Zuhörern zu. „Geschichtskultur, wie sie am heutigen Abend spürbar wurde, ist ganz und gar nicht selbstverständlich und ein Zeichen für einen neuen Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Einer Vergangenheit, die nicht nur angenehme Seiten hat, sondern auch bittere!“ so Dr. Pröll.
Den Satz „Der Mensch lernt nichts dazu“ könne er so nicht gelten lassen, fuhr Dr. Pröll fort. Europa habe dazu gelernt, dass er als ein im Jahre 1946 geborener Mensch keinen Krieg miterleben musste, sei ein Ergebnis dieses Lernprozesses.
Und dann richtete der ehemalige Landeshauptmann den Blick nach vorne: Es gelte geschichtliche Erfahrungen einzubeziehen und sich aktiv mit den Themen Migration und soziale Umwälzungen auseinander zu setzen, damit Verwerfungen, wie in der Zeit des Nationalsozialismus ausbleiben.
Ganz konkret wurde Dr. Pröll zum Ende seiner Ausführungen: „Antisemitismus ist ein Mix aus Rassenhass, Machtgier und Neid. Lassen Sie uns Dialog und Zusammenarbeit der Stummheit und der Trennung vorziehen!“ Mit einem entschlossenen Ausruf „Nie mehr wieder!“, der mit viel Beifall bedacht wurde, beendete Dr. Erwin Pröll seine Ausführungen.

Was wird bleiben von dieser Buchpräsentation?
Ja, es war ein Abend, der eine gehörige Herausforderung für das Sitzfleisch der Zuhörerinnen und Zuhörer bedeutete, da die Veranstaltung in etwa doppelt so lange als geplant dauerte. Allerdings war es das Thema einfach wert und die Veranstaltung durchaus kurzweilig, aufgrund der sich ergänzenden, musikalischen Beiträge der „Quadra Bluckliga“ und des „Moritz Weiss Klezmer Trios“. Überaus wichtig auch die Aussagen von Dr. Pröll, der als überzeugter Europäer klarstellte: „Ohne Erinnerung an die eigene Geschichte, kann man nicht mit der Zukunft klarkommen!“ Oder wie es Verleger Robert Ivancich allgemein verständlich auf den Punkt brachte: „Ich verurteile niemanden der sich damals vom Nationalsozialismus verführen ließ. Aber jeder ist ein Volltrottel, der heute ein Nazi ist!“

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