Wr. Neustadt gedachte des 9. Novembers 1938
Wiener Neustadt. Die Stadt Wr. Neustadt hat große Geschichte geschrieben. Glanzvolle und weniger gloriose. Freudige und auch traurige. Zu letzterer zählt die Erinnerung an die mehr als 230 jüdischen Bürger der Stadt, die vor genau 80 Jahren hier eine tiefe Lücke hinterließen und an die man sich am 9. November im Rahmen einer Gedenkfeier zur Progromnacht 1938 erinnerte. Etwa 250 Besucher kamen, um daran teilzunehmen. Als besondere Ehre, auch zwei Überlebende der Shoah aus Wiener Neustadt: Gertrude Rosenberg, geb. Pollak, und Miriam Yaron, geb. (Herta) Gerstl, die die Mühen der Anreise aus Israel auf sich genommen haben, um gemeinsam mit Familienangehörigen in Österreich zu sein. Von Freunden aus Österreich begleitet kamen sie nach Wr. Neustadt, um an der lokalen Gedenkveranstaltung teilzunehmen.
Synagoge als Symbol
Dem Wr. Neustäter Historiker Werner Sulzgruber war es ein großes Anliegen, dass in Wiener Neustadt eine solche Veranstaltung heuer stattfindet.
So bestand sein Part darin, auf den "Erinnerungsort Synagoge" einzugehen und die Synagoge als einstiges religiöses Zentrum der Wiener Neustädter jüdischen Gemeinde bewusst zu machen. Werner Sulzgruber: "Das Gedenken sollte gezielt in Verbindung mit der Synagoge (am Baumkircherring 4) stehen, einer Synagoge, deren Schlusssstein aus Jerusalem stammte, um 1902 eine symbolische Verbindung zu Israel herzustellen, und ein Bau, der als "Haus des Gebets für alle Völker" (worauf die Inschrift an der Fassade hinwies) verstanden werden sollte."
Schwer traumatisiert
Vor 80 Jahren wurde die Synagoge aber "ein Ort der Angst und Gewalt", da Nationalsozialisten den großen Davidstern herausmeißelten, das Innere des Gotteshauses zerstört wurde und der Sakralbau, aber auch das Bethaus, zu einem Sammellager, einem Gefängnis für rund 100 Jüdinnen und Juden wurde, die dort Demütigungen, physische Gewalt und Beraubung erlebten, erklärte Sulzgruber in seiner Rede. Die jüdische Bevölkerung, die die "Reichskristallnacht" in Wiener Neustadt erleben musste, wurde schwer traumatisiert und nach Tagen der Haft nach Wien abgeschoben.
Synagoge wurde abgerissen
1952 wurde die Synagoge abgerissen; es war niemand mehr da, der vielleicht "seine schützende Hand über die Synagoge gelegt" hätte.
Von den rund 860 Jüdinnen und Juden, die 1938 in Wiener Neustadt gelebt hatten, kamen 235 nachweislich in der Shoah um, rund 320 überlebten in diversen Exilländern (vor allem Palästina, Großbritannien und den USA) und nur rund zehn Personen kehrten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Wiener Neustadt zurück.
Beruührender Gedenkakt
Anlässlich des Gedenkjahres 2018 hat Werner Sulzgruber seine Forschungen und Datenbanken über die IKG Wiener Neustadt auf den aktuellsten Forschungsstand gebracht. Namen der dokumentiert Ermordeten wurden von Max Huber und Pastor Peter Mömken verlesen. Symbolisch wurden
von Gästen Lichter und Steine auf den Stufen vor dem Stadtmuseum abgelegt, ein Akt, der gezeigt hat, dass hier alle Kulturen, Religionen gleichermaßen betroffen waren. Bgm. Klaus Schneeberger fand schließlich berührende Worte zum Gedenken in Wiener Neustadt.
Wissenschaftliche Projekte
Zur anschließenden Abendveranstaltung fanden sich viele Interessierte - mehr als 200 Gäste - im "Gläsernen Saal" im BORG Wiener Neustadt ein.
Herr LAbg. Stadtrat Dipl-Ing. Dinhobl erschien in Vertretung des Bürgermeisters, mit ihm Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Militär, Kirche, Kunst und Kultur sowie viele Interessierte aus Wiener Neustadt und der Region.
Frau Dr.in Bailer-Galander - die Expertin zum Thema Nationalsozialismus und langjährige Leiter des DÖW Wien - gab im ersten Teil einen interessanten Einblick in die Novemberpogrome in Österreich. Erstmals wurden von Werner Sulzgruber die jüngsten Forschungsergebnisse über die Pogrome in Orten um die Steinfeldstadt herum präsentiert, die der Experte in den letzten Jahren in wissenschaftlicher Quellenarbeit gewonnen hatte.
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