Weit gekommen, aber noch nicht weit genug

100 Jahre Frauentag ist ein Anlass zu feiern, aber auch um mal Bilanz zu ziehen, was die Frauenpolitik in den vergangenen Jahrhundert geleistet hat und woran es heute noch fehlt. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek spricht über Erreichtes und künftige Pläne.

BEZIRKSBLÄTTER: 2011 feiern wir 100 Jahre Frauentag. Am 18. März 1911 gingen 20.000 Menschen auf die Straße, um für die Frauenrechte zu demonstrieren. Damals waren Frauenwahlrecht, Gleichberechtigung und Frieden die Hauptanliegen. Nicht alle Probleme der Frauen von gestern sind die Probleme der Frauen von heute. Aber viele davon, zu viele. Was hat sich in diesen 100 Jahren geändert und mit welchen Problemen kämpfen Frauen heute?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Seit 100 Jahren setzen sich viele engagierte Frauen für unsere Anliegen und für mehr Gerechtigkeit ein. Wir sind schon sehr weit gekommen. Aber damit Frauen gleiche Chancen am Arbeitsmarkt haben, im Beruf genauso gut vorankommen wie Männer und es selbstverständlich ist, dass sich Väter zu gleichen Teilen an der Familienarbeit beteiligen, da liegt noch ein Stück des Weges vor uns. Dazu brauchen wir auch die Männer. Denn nur gemeinsam mit den Männern können wir erreichen, dass Frauen gleiche Chancen am Arbeitsmarkt haben, dass die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen kleiner wird und dass Beruf und Familie für Frauen besser vereinbar wird, weil sich die Väter mehr an der Kinderbetreuung beteiligen.“

BEZIRKSBLÄTTER: Ein großes Problem ist die Einkommensschere. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist in Österreich auch im Jahr 2011 noch immer eine Illusion. Österreichs Frauen sind top ausgebildet und trotzdem verdienen sie um bis zu 18 Prozent weniger als Männer. Woran liegt es? Wer ist schuld an der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen? Was kann man dagegen tun?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Es gibt in Summe natürlich mehrere Gründe für die riesige Einkommensschere. Angefangen davon, dass junge Mädchen vor allem sogenannte typisch weibliche Berufe wählen, in denen sie schlechter bezahlt werden als in den sogenannten Männerberufen, über die hohe Teilzeitquote – oftmals bedingt durch die fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen – bis zum Fakt, dass es nur ganz wenige Frauen in Führungspositionen gibt. Aber es zeigt sich auch, dass Frauen nur deshalb weil sie Frauen sind weniger verdienen. Da kann Transparenz bei den Einkommen helfen. Ich habe aber vor wenigen Wochen ein wichtiges Gesetz auf den Weg bringen können: Österreichs größte Betriebe sind ab 1. März 2011 dazu verpflichtet, Einkommensberichte zu erstellen. So soll es gelingen, dass Frauen für die gleiche Arbeit gleich viel verdienen wie Männer. Transparenz kann der Schlüssel sein, um die Einkommen von Frauen zu verbessern.“

BEZIRKSBLÄTTER: Bei Frauen ist das Thema Geld ein Hemmschuh. Es schickt sich nicht über Geld zu reden. Wie wichtig wäre aber eine offene und ehrliche Diskussion zum Ausräumen des Problems?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Sehr wichtig. Genau deshalb setze ich mich ja auch für mehr Transparenz bei den Gehältern und Löhnen ein. Wir haben hier heuer mit den betriebsinternen Einkommensberichten und den verpflichtenden Entgeltangaben bei Job-Inseraten einen großen Schritt in diese Richtung gemacht. Heuer werden wir noch ein Internet-Tool, einen Gehaltsrechner vorstellen. All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, das Tabu-Thema Geld und Gehalt zu brechen. Ich bin überzeugt, dass es gerade Frauen dabei hilft, selbstbewusster und vor allem informierter in Vorstellungsgespräche oder Gehaltsverhandlungen zu gehen. Und eine bessere Orientierung zu haben, welche Branchen und Berufe ‚finanziell lukrativer‘ sind.“

BEZIRKSBLÄTTER: Im Aktionsplan für Gleichstellung ist der Ausbau der Kinderbetreuung, mehr Väter in Karenz und verpflichtende Berufsorientierung in der Schule als drei der möglichen Maßnahmen für mehr Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt genannt. Warum?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Ganz klar: weil ohne diese Maßnahmen die Frauen weiterhin an Haus, Heim und Kind gefesselt bleiben. Ohne Kinderbetreuungsplätze mit Öffnungszeiten, die einer Vollzeitbeschäftigung entsprechen, kann keine Frau voll berufstätig sein. Das ist aber wichtig, um ein eigenständiges Einkommen zu erhalten. In Österreich haben nur 15 Prozent aller Kindergärten Öffnungszeiten, die dem entsprechen. Daran sehen Sie, wieviel da noch gemacht gehört. Beim Thema Väterkarenz ist das ähnlich: Je länger Frauen den Job unterbrechen, umso mehr Gehaltseinbußen und Karriererückschritte müssen sie hinnehmen. Wenn Männer auch einen Teil der Karenz übernehmen, kann die Frau früher an den Arbeitsplatz zurück. Sei hat was davon, er hat was davon - nämlich wichtige Zeit mit dem Kind. Das prägt, das bindet, das schafft soziale Kompetenz.“

BEZIRKSBLÄTTER: Männern geht es in den bestehenden Strukturen bestens. Warum sollten Sie sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzen. Was haben sie davon?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Zunächst einmal: Weil es ein Gebot der Fairness ist und der Gerechtigkeit. Das ist allen Menschen mit sozialem Gewissen und Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft ein Anliegen und das gilt für Männer wie für Frauen. Ich persönlich kenne viele Männer, die den Wert, in einer gerechten und fairen Gesellschaft zu leben sehr hoch schätzen. Zudem ist das zum Teil auch eine Generationenfrage. Und: Weniger Zeit bei der Arbeit zu verbringen, den Fokus im Leben nicht nur auf den beruflichen Aufstieg zu legen, das bedeutet auch mehr Lebensqualität, und das haben auch viele Männer schon erkannt.“

BEZIRKSBLÄTTER: Braucht man um Fraueninteressen lautstark und erfolgreich vertreten zu können nicht mehr Frauen in der Politik? Doch wo sind die Politikerinnen? Was kann man dagegen tun? Wie kann man Politik für Frauen interessanter machen? Wie kann man Sie für Politik begeistern?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Das Problem ist oft nicht das fehlende Interesse für die Politik, sondern die mangelnde Zeit. Die Rahmenbedingungen, damit Frauen in der Politik aktiv werden, sind in Österreich nicht die Besten. Beruf, Haushalt und Kinder in Kombination ermöglichen Frauen in den derzeit bestehenden Familienstrukturen so gut wie keine Möglichkeit am Abend auch noch zu Sitzungen zu gehen. Wir wissen, dass berufstätige Frauen, die Kinder und Haushalt zu versorgen haben, wöchentlich etwa 70 Stunden arbeiten, während die erwerbstätigen Männer im selben Alter 20 Stunden weniger arbeiten. Zusätzlich war die Politik über Jahrhunderte von Männern dominiert. Sich als Frau da durchzukämpfen ist keine leichte Aufgabe, gerade auch weil viele Männer weiterhin in den bestehenden Strukturen verbleiben wollen. Eine Frau mehr, bedeutet ein Mann weniger. Aus meiner bisherigen Erfahrung kann ich sagen, dass sich ohne Quote nicht viel ändern wird. In meiner Partei, der Sozialdemokratie, haben wir daher eine verpflichtende Quote von 40Prozent für alle Listen beschlossen und ich bin zuversichtlich, dass sich dadurch einiges ändern wird.“

BEZIRKSBLÄTTER: Wenn Frauen den Weg in die Politik wagen, dann bekleiden Sie meist die Ressorts wie Soziales, Integration, Bildung, Jugend, Frauen. Warum werden Frauen im Normalfall auf diese „typisch- weiblichen“ Themen reduziert?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Uns Frauen wird von vornherein eine sozialere Ader als den Männern zugeschrieben. Daher werden wir automatisch mit diesen Themen assoziiert. Diese Rollenklischees werden uns bereits ab der Kindheit vermittelt und sind fest in den Köpfen verankert. In der österreichischen Regierung haben wir da schon eine gute Mischung gefunden. Zum Beispiel ist Minister Rudolf Hundstorfer für Soziales und Konsumentenschutz zuständig oder auch Ministerin Doris Bures, die für männlich behafteteThemen wie Verkehr und Infrastruktur verantwortlich zeichnet. Studien haben uns gezeigt, dass gemischte Führungsteams bessere Ergebnisse erzielen. Das gilt meiner Meinung nach auch für die Politik. Verschiedene Herangehensweisen an ein Thema können für den Diskurs und das Resultat nur positiv sein. Ich bin aber überzeugt, dass das Frauenressort von einer Politikerin geführt werden muss, damit für die Frauen in unserem Land etwas weitergeht.“

BEZIRKSBLÄTTER: Abschließend: Wie wichtig ist in Zeiten wie diesen noch ein Frauentag?
GABRIELE HEINISCH-HOSEK: „Sehr wichtig. Denn 100 Jahre Frauentag, das ist ein Grund zum Feiern, aber auch ein Appell an uns alle, weiterzukämpfen. Denn esgibt noch genug zu tun, bis Frauen in allen Bereichen des Lebens gleichgestellt sind. Da liegt noch ein großes Stück der Arbeit vor uns – und diesen Weg müssen wir gemeinsam gehen.“

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