Wir passen in keine Schubladen

Typisch Frau, typisch Mann: Stimmt das Schubladendenken über Männer und Frauen?

WIENER NEUSTADT. Frauen sind das schwache, Männer das starke Geschlecht. Frauen reden den ganzen Tag, Männer können nicht zuhören. Mädchen spielen mit Puppen, Buben mit Autos. ‚Typisch Frau, typisch Mann’ eben. Seit Jahrhunderten prägen Rollenklischees und Stereotypen den gesellschaftlichen Alltag. Doch wie real sind die tradierten Rollenbilder von Frauen und Männern heute noch? Petra Unger, MA für Gender Studies und feministische Forschung, geht den Geschlechterrollen auf den Grund.
BEZIRKSBLÄTTER: Früher waren die Geschlechterrollen ganz klar verteilt. Wie sieht es heute aus? Sind althergebrachte Rollenklischees im 21. Jahrhundert überwunden?
UNGER: So einfach ist das nicht. Es gab zu allen Zeiten Menschen, die abseits der traditionellen Rollen gelebt haben, aber die Sanktionen für dieses Leben außerhalb der Norm waren härter, und Diskriminierung bis hin zur Verfolgung war stärker. Früher war außerhalb der Norm nur wenig erlaubt. Wer den Rollenvorstellungen nicht entsprochen hat, wurde stärker ausgegrenzt als das heute der Fall ist. Aber auch heute sind die Rollenklischees nicht überwunden. Auch heute versuchen Männer, dem veralteten Männerbild zu genügen, indem sie ihre Körper disziplinieren, versuchen muskulös und „cool“, sprich gefühllos zu sein. Die Verherrlichung von Gewalt ist für dieses Männerideal noch immer alltäglicher Bestandteil. Bei Frauen steht vor allem in den Medien der sexualisierte Körper im Vordergrund. Frau soll dem männlichen Schönheitsideal entsprechen und darüber hinaus auch perfekte Mutter und erfolgreiche Karrierefrau sein. Gerade jetzt, in Zeiten der Krise, haben die konservativen Werte wieder Hochkonjunktur. Unter dem extremen Druck, den Frauen am Arbeitsmarkt erleben, wird der Rückzug ins Private, in die klassische Frauenrolle für viele Frauen wieder zur attraktiven Option. Dass das eine Falle ist und in die finanzielle, existenzielle Abhängigkeit vom Mann führt, erkennen sie dann meist erst sehr spät. Es ist ein enormer Rückschritt mit folgenschweren Konsequenzen. Gleichzeitig wird ständig davon gesprochen, Frauen seien längst schon emanzipiert. Tatsächlich gibt es aber noch viel zu tun. Denken wir nur an die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern. Wir sind noch lange nicht am Ziel.
Ist es heute leichter, nicht der Norm zu entsprechen?
In Großstädten leben mittlerweile viele Menschen außerhalb des Rollenbildes. Die reale Vielfalt verschiedener Lebensformen und Lebensentwürfe hält ja auch in TV und Medien Einzug. Dennoch sind Menschen, die anders leben wollen als die Mehrheit, nach wie vor mit Diskriminierung konfrontiert. Auch hier sind wir noch nicht am Ziel der völligen Anerkennung und Gleichberechtigung. Es geht ja zudem nicht nur um Selbstverwirklichung abseits der Geschlechternormen und Traditionen, sondern auch um gerechte Verteilung von Macht, Ressourcen und Lebenszeit. Emanzipation haben wir nur dann verwirklicht, wenn in allen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Feldern Frauen zu 50 Prozent vertreten sind und Männer zu 50 Prozent die unbezahlte Arbeit im Haushalt, in der Kinderbetreuung und in der Alten- und Krankenpflege machen. Und nicht zuletzt: Wir haben erst dann „neue Männer“, wenn keine Frauenhäuser, kein Notruf für vergewaltigte Frauen und keine Gewaltinterventionsstellen mehr gebraucht werden. Und wenn kein Mädchen/ keine Frau mehr in Österreich im Keller eingesperrt oder ermordet wird.
In der Realität kann man Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen entdecken. Woher kommt das? Sind Männer und Frauen oder Jungen und Mädchen wirklich so verschieden? Ist es gar angeboren oder wurde dies anerzogen?
Ganz klar anerzogen. Hier ist auch die soziale Rolle ein bedeutender Faktor. So sind die Unterschiede zwischen Männern größer als jene zwischen Männern und Frauen. Um es plakativ zu formulieren: Ein indischer Mann, der sein Feld bestellt, und ein Börsenmanager sind so verschieden wie Tag und Nacht. Während ein Manager und eine Managerin vieles gemeinsam haben, in ihrer Art zu sprechen, sich zu kleiden, sich zu benehmen etc. Von Geburt an wird mit Mädchen und Buben anders umgegangen. Erziehung durch die Eltern, aber auch die gesamte Gesellschaft sind hier prägend, die immer wieder im Alltag vorgibt, was ein „richtiges Mädchen“ und ein „richtiger Bub“ tut und tun darf . Und nicht zuletzt werden den Kindern ja tagtäglich die klassischen Rollenklischees vorgelebt.
Wie können Eltern gute Vorbilder sein?
Zuallererst sollten Eltern ihre eigenen Klischees und Rollenbilder reflektieren und aufbrechen, d.h. ihre eigenen Denkmuster durchbrechen, um dann ihre Kinder in alle Richtungen fördern und unterstützen zu können, ohne ihnen etwas zu verbieten, weil „ein richtiges Mädchen“ oder „ein richtiger Bub“ das nicht macht.
Wie sehen zukunftsfähige Rollenbilder aus?
In alle Richtungen offen. Fähigkeiten, Verhaltensformen bis hin zur Kleidung sollten nicht mehr danach beurteilt werden, ob sie weiblich oder männlich sind. In letzter Konsequenz müsste es dann ohne Diskriminierung und Ausgrenzung möglich sein, das Geschlecht und die sexuelle Orientierung jederzeit wechseln zu können. Das bedeutet auch, dass es für alle Geschlechter (es gibt ja mehr als nur zwei) möglich wird ,alle Tätigkeiten auszuüben, ohne dass Nachteile für sie entstehen. Eine Gesellschaft, in der Vielfalt mit der ganzen Bandbreite gelebt werden kann, ohne Nachteile für die Einzelnen.
Wann könnte eine derart vielfältige Gesellschaft Realität sein?
Das ist von vielen Faktoren abhängig. Im Großen und Ganzen liegt es aber an uns. Es kann schnell vorwärts gehen, aber auch genauso schnell wieder Rückschritte geben. Einen Zeitpunkt zu bestimmen, wann die völlige Gleichberechtigung Realität sein wird, wäre Wahrsagerei, und die beherrsche ich nicht.

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