Small is beautiful: Leopold Kohr & die Erben seines geistigen Nachlasses

Ihr Herz schlägt für Leopold Kohr: Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter. | Foto: Roland Hölzl
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Als der Philosoph und Weltbürger Leopold Kohr aus Oberndorf in jungen Jahren in einen Zug nach London steigt, erstaunen ihn die strengen Kleidervorschriften: Auf fast allen Schildern ist das Wort „Smoking“ zu lesen. Zum Glück hat sich der Denkfehler aufgeklärt, sonst wäre es womöglich nichts geworden mit der ersten großen Reise. Eine Reise, die schon eine Grundlage dafür ist, dass der 1994 verstorbene Salzburger ein vielfältiges geistiges Erbe hinterlassen kann. Dieses Erbe wird nun in der Universität Salzburg und im Oberpinzgau mit Leidenschaft und Akribie verwaltet. Und zudem auch praktisch umgesetzt.

Geboren 1909 in Oberndorf

Leopold Kohr erblickt im Oktober 1909 in Oberndorf das Licht der Welt. Seine Heimat ist noch Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, die neun Jahre später zusammenbricht. Dem Sohn eines Arztes und Teil einer großen Geschwisterschar ist jedoch - unberührt von den politischen Ereignissen - eine unbeschwerte Kindheit gegönnt.
So unbeschwert ist es im Laufe seiner 84 Jahre dann zwar nicht immer zugegangen, aber Leopold Kohr hat seine Lebensfreude niemals verloren. Zumindest, wenn man den über ihn existierenden Schriftwerken, dem Film „Small is beautiful - Rückkehr zum menschlichen Maß“ (Alfred Ninaus, 2010/11) und den Berichten jener, die ihn kannten, Glauben schenkt. Und warum sollte man das nicht tun? Deswegen... und wegen des einhelligen Tenors der Biografen und Erzähler!

Geistiger Impulsgeber von Tauriska

Zwei, die über Kohr viel zu erzählen haben, sind die Oberpinzgauer Eheleute Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter. Susanna lernt ihren späteren Mentor Leopold Kohr in den 80er-Jahren kennen, sie verdient als Teenager ihre Schillinge beim Tourismusverband Neukirchen „Fremdenverkehrsverband“ heißt es zu dieser Zeit noch. Und zunächst als „Fremder“ kommt auch Leopold Kohr daher. Gemeinsam mit Professor Alfred Winter, seines Zeichens der Salzburger Landesbeauftragte für kulturelle Sonderprojekte. Winters Auftrag ist es, bei der Gründung des Nationalparks Hohe Tauern, der dem Schutz der Natur dient, auch die Menschen der Region und deren Kultur miteinzubeziehen. Zu diesem Zweck gründet Alfred Winter 1986 den Verein Tauriska. Und als geistiger Impulsgeber für Tauriska dienen - richtig geraten - die Ideen und Erkenntnisse von Leopold Kohr. Daher wird zeitgleich auch die Leopold Kohr-Akademie mit regelmäßigen und international gut besuchten Symposien gegründet. Beide einander befruchtenden Institutionen haben ihren Sitz im sogenannten „Kammerlanderstall“ in Neukirchen.

"Wir sind immer Kohrs Wege gegangen..."

Und damit wieder zurück zu Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter. Zunächst leitet die von Kohr sehr geschätzte Susanna Vötter-Dankl die Geschicke des Vereines und der Akademie, schon bald folgt Christian Vötter an ihrer Seite nach. Präsident der Leopold Kohr-Akademie ist der Namensgeber höchstpersönlich. Und heuer wurde mit viel Engagement der runde Geburtstag gefeiert - und zwar der 30. (nach Adam Riese, ihn haben die „Rechenlehrer“ in den 80ern gerne zitiert).
Susanna und Christian jedenfalls kennen die Biografie von Leopold Kohr auswendig... und was sein Gedankengut betrifft, scheint es nicht viel anders zu sein. Kein Wunder, denn sie sind in ihrer vielfältigen Kultur-Arbeit immer Kohrs Wege gegangen. Den Weg des menschlichen Maßes, den Weg der überschaubaren Einheiten und den Weg, der das Ziel hat, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Und dies nicht nur, weil es von Alfred Winter ohnehin so vorgesehen gewesen war. Sondern auch, weil die beiden das Denken Kohrs zu ihrem eigenen gemacht haben. Hörbar im Gespräch mit ihnen, fühlbar in ihrer Leidenschaft für den Mentor und im Stolz auf seine Bücher, sein Mobiliar und seines aus allen Teilen der Welt stammenden Stein- und Holzsammelsuriums - und vor allem auch sichtbar in der praktischen Umsetzung.

Beispiele für die praktische Umsetzung

Einige Beispiele gefällig? Da gibt es etwa den Bramberger Apfelsaft mit dem Prädikat „Genuss Region Österreich“, den „Ruckzuck Epfökuchen“ im Glas oder noch ganz aktuell das vielversprechende Apfeltresterpulver „Bramberger Epfö-Genuss“, das wie Mehl zum Backen und zum Kochen verwendet werden kann. Die drei Naturprodukte sind gemeinsam mit anderen Lebensmitteln Teil des „Bramberger Obstprojektes - von der Tradition zur Innovation“. Für dieses regionale und daher überschaubare Projekt, das auch eine eigene Obstpresse beinhaltet, gewann Tauriska gemeinsam mit dem Obst- und Gartenbauverein Bramberg den Salzburger Volkskulturpreis 2015. Bramberg ist eine Nachbargemeinde von Neukirchen. Im Rahmen dieser Initiative sind hier - unter anderem auch mit Einbindung der Schulen unter dem Motto „jedem Kind sein eigener Baum“ - bisher rund 10.000 Bäume mit heimischen Apfelsorten gepflanzt worden.

Weitere sichtbare Beispiele sind die von Tauriska verlegten Bücher, in denen sich zu einem großen Teil altes Wissen und altes Kulturgut finden lassen. Dazu Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter: „Aber nicht nur aus sentimentalen Gründen, sondern weil wir es so wie Leopold Kohr für möglich halten, dass die Menschen in Zukunft womöglich froh sind, notwendige Gebrauchsgegenstände selber herstellen zu können - zum Beispiel Leinen aus Flachs. Dieses für die Gebirgsregionen gut geeignete Getreide hat man früher bei uns mit Erfolg angebaut.“

Kleine Einheiten mit autonomen Verwaltungen

Nicht dass sich das Tauriska-Ehepaar wünscht, dass die Zeiten schlechter werden - im Gegenteil! Aber sie verweisen auf Griechenland: „In dieser Krise zeigte sich, dass es die Menschen zurück aufs Land zieht, weil sie dort Lebensmittel anbauen können.“
Und die beiden verweisen nicht nur auf Griechenland, sondern natürlich auch auf „ihren“ Philosophen, dessen Meinung nach alles, was zu groß ist, wegen mangelnder Überschaubarkeit auf Dauer nicht funktionieren könne - ob das nun Staaten oder Unternehmen bzw. Konzerne sind. Und wenn etwas schon groß sein müsse, dann solle es zumindest in kleinere Einheiten mit jeweils autonomen Verwaltungen aufgeteilt werden. Auch die Europäische Union hat Leopold Kohr mit Skepsis gesehen. Er hat sich im Vorfeld deren Gründung ein „Europa der 75 Regionen“ mit bürgernahen Verwaltungen gewünscht.

"Ich höre nichts mehr"

Kohrs Erkenntnisse, die er vor allem in sieben Hauptwerken niedergeschrieben und in etlichen Universitäten dies- und jenseits des Atlantiks gelehrt hat, brachten ihm neben umgesetzten Projekten - etwa in der Dorferneuerung - viel Ehre ein; so auch 1983 den Alternativen Nobelpreis. Oft ist er aber auch belächelt worden. Wenn ihm dies manchmal zu viel geworden ist und er das Gefühl gehabt hat, nicht verstanden werden zu wollen, so hat er zu sagen gepflegt: „Ich höre nichts mehr.“ Dies hat er guten Gewissens tun können, denn in den Kriegsjahren - Kohr hatte jüdische Wurzeln - hat er wegen harter Arbeitsbedingungen in einem kanadischen Bergwerk einen Gehörsturz erlitten und ist später daher nie anders als mit einem Hörgerät unterwegs gewesen.
Als ihn Österreichs Kanzler Bruno Kreisky einmal als Sozialromantiker bezeichnet hat, meint der Philosoph der Kleinheit, der weltweit viele Spuren hinterlassen hat, allerdings: „Natürlich bin ich ein Romantiker. Nur Romantiker sehen etwas
(...Schönes) in dem Regenbogen, der den Anfang des Lebens mit dem Ende verbindet.“

Gestorben in England, doch die Urne ist in Oberndorf

Das Ende seines Lebens ereilt Leopld Kohr in der englischen Stadt Gloucester. Sein Plan war noch gewesen, zurück nach Oberndorf zu ziehen, wo er im „Salzachhof“ eine Dachwohnung beziehen wollte. Kohrs Urne jedoch ist auf dem Oberndorfer Friedhof zu finden und auch ein anderer „Plan“ ging ihm auf: Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter als würdige Hüter seiner geistigen Werke einzusetzen.

Aus Überzeugung, mit Leidenschaft und mit Stolz

Neben einem eigenen Raum im Oberpinzgau hat die Lepold Kohr-Akademie auch noch einen Platz in der Universität Salzburg gefunden: Professor Ewald Hiebl bearbeitet den wissenschaftlichen Nachtrag des Philosophen und die „Tauriskaner“ halten Vorlesungen ab. Und wieder gilt: Aus Überzeugung, mit Leidenschaft und mit Stolz auf Leopold Kohr.

Dieser Bericht entstand für das Bezirksblätter-Magazin "Salzburger G'schichten". Nachfolgend noch zwei Artikel daraus mit großem Pinzgau-Bezug:

Elisabeth Scharfetter und die Krimmler Judenflucht:
http://www.meinbezirk.at/pinzgau/lokales/elisabeth-scharfetter-und-die-krimmler-judenflucht-eine-rueckschau-d1893980.html

Warum unser Wasser so gut schmeckt und so einwandfrei ist:
http://www.meinbezirk.at/pinzgau/lokales/darum-schmeckt-unser-wasser-so-gut-zu-besuch-auf-einer-pinzgauer-alm-und-im-labor-d1894113.html

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