Kriegsjubel bis der Hunger kam
Der Erste Weltkrieg wurde in St. Pölten von der Bevölkerung patriotisch willkommen geheißen. Spurensuche mit Siegfried Nasko.
ST. PÖLTEN (jg). "Inzwischen war Mitternacht angebrochen, aber die patriotischen Demonstrationen dauerten fort", schrieb die St. Pöltner Zeitung vor genau hundert Jahren. Der Erste Weltkrieg, der mit der Kriegserklärung von Österreich-Ungarn an Serbien am 28. Juli 1914 seinen Anfang nahm, wurde in St. Pölten von der Bevölkerung begrüßt. "Das Volk war nirgendwo in der damaligen Zeit ein Gegner des Krieges", beschreibt Siegfried Nasko die allgegenwärtige Stimmung. Der Historiker spricht von "unbändigem Jubel", der nicht zuletzt darauf basierte, dass die Bevölkerung nach langer Friedenszeit nicht mehr gewusst habe, was Krieg bedeutet.
Zeugnisse von dem Schrecken des Ersten Weltkrieges finden sich in Museen oder dem 100-Jahr-Jubiläum gemäß in Sonderausstellungen.
Kriegseid in St. Pölten
Auch Kriegerdenkmäler sprechen eine deutliche Sprache und mit etwas Fachwissen kann man sich in ganz St. Pölten auf Spurensuche begeben: Mit damals fünf Kasernen war die Stadt laut Nasko ein "zentraler Platz für Truppenbewegungen", 10.000 Soldaten leisteten am Rathausplatz ihren Kriegseid, ehe sie in den Kampf zogen. Am Bahnhofsplatz wurde ein "Wehrmann aus Eisen" aufgestellt – gegen eine Spende für den Krieg durfte in den Sockel des Ritters ein Nagel eingeschlagen werden.
Doch die Bereitschaft, für den Krieg zu geben, legte sich in St. Pölten allmählich ebenso wie der Jubel. "Wenn man nichts zu essen hat, hört sich der Zuspruch auf", sagt Nasko. Die Versorgung klappte zunehmend schlechter, bis schließlich die Bevölkerung – diesmal ohne Jubel – auf die Straße ging.
Marsch gegen den Hunger
300 Frauen zogen etwa vor die Bezirkshauptmannschaft und forderten ein Ende des Hungers. Trotz Versammlungsverbotes marschierten 6.000 Bürger Ende 1917 für den Frieden durch die Innenstadt. Schließlich mündete der Unmut im Jännerstreik 1918.
Die heutige Landeshauptstadt war eines der Zentren dieser großen antihoheitlichen Erhebung, an der sich 9.000 St. Pöltner beteiligten. Letztlich dauerte es bis November 1918, bis der Krieg, der nach offiziellen Zählungen 675 St. Pöltnern das Leben gekostet hat – Nasko selbst geht von 1.500 bis 2.000 Opfern aus – beendet wurde.
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