10 Jahre Garten der Begegnung
"Wir brauchen mehr Traiskirchen!"

- Am Podium diskutierten: Bgm.in Sabrina Divoky, Schauspieler/Sportler Lotfullah Yusufi, Karin Tschare-Fehr (Initiative Gablitz hilft), Alexandra Eichenauer-Knoll (ZusammenhaltNÖ), Petar Rosandic (SOS Balkanroute), Aimee Stuflesser (Amnesty International Österreich), Norbert Ciperle (Gemeinderat Traiskirchen und Moderator)
- Foto: Stockmann
- hochgeladen von Gabriela Stockmann
TRAISKIRCHEN. "Auch aus ganz schrecklichen Dingen kann Wunderbares entstehen." Mit diesen positiven Worten blickt die Traiskirchner Bürgermeisterin Sabrina Divoky (SPÖ) auf die 10-jährige Geschichte des "Gartens der Begegnung".
Das Jubiläum wurde am 20. September bei prachtvollem Spätsommerwetter vor Ort (Akademiestraße, hinter Erstaufnahmezentrum) gefeiert. Divoky wurde 2015 nach der Heimkehr vom Urlaub mit dem Flüchtlingselend in ihrer Heimatstadt konfrontiert und wurde - wie viele andere - zur aktiven Helferin.
Aus dem damaligen zivilgesellschaftlichen Engagement (Lukas Gahleitner-Gertz: von der Asylkoordination: "Wir sind eingesprungen, wo der Staat versagte.") entstand der Garten der Begegnung, bis heute ein beliebter Treffpunkt in Traiskirchen. Jeden Samstag gibt es dort (in der warmen Jahreszeit) orientalisches Frühstück und man kann frisches Gemüse und Obst aus dem Garten erwerben. Und man kann Menschen aus aller Welt kennenlernen.
Das Engagement besteht nach wie vor, doch die Zeiten sind schwieriger geworden. Bei einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion beleuchteten Aktivisten und Aktivistinnen, aber auch Betroffene, die Entwicklung in den letzten zehn Jahren.
Europa macht die Grenzen dichter, was die Geschäfte der Schlepperbanden lukrativer macht, da sie ihre Tarife steigern können.
Petar Rosandic von SOS Balkanroute berichtet von dem österreichischen Flüchtlingslager-Projekt Lipa in Bosnien. "Es ist abgelegen und es wurde sogar ein Gefängnis dort gebaut. Dessen Inbetriebnahme konnten wir verhindern, denn der Bau war illegal und musste abgerissen werden." Aimee Stuflesser von Amnesty International kritisiert die so genannte "Bezahlkarte", die in Niederösterreich Flüchtlingen nur täglich 5,71 Euro für Einkäufe, Öffi-Tickets etc. zugesteht. Das Geld wird täglich auf die Karte gebucht und berechtigt zum Einkauf nur bei bestimmten Supermärkten. "Davon kann man nicht menschenwürdig leben. Österreich ist aber verpflichtet, jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten", so Stuflesser. Sie erwähnt besonders - da der 20. September auch Weltkindertag ist - jene 83 Flüchtlingskinder, die derzeit in Traiskirchen leben. "Es muss doch möglich sein, diesen Kindern alle Rechte zu geben."
Der Schauspieler und Sportler Lotfullah Yusufi ist 2015 als unbegleiteter Minderjähriger nach Österreich gekommen. Im Garten der Begegnung gestaltet er Freizeitangebote. Er ist auch Mitglied des Community-Ensembles des Burgtheaters. Sein künstlerisches Projekt „Lotfullah & die Staatsbürgerschaft“ ist am 22. Oktober im Stadttheater Mödling zu sehen (19 Uhr). Er ortet eine Verschlechterung der Lage in den letzten Jahren. "Ja, man kann sich in vielen Bereichen integrieren. Aber man erwartet von uns Flüchtlingen viel Leistung und will dafür nichts bezahlen."
Die Ärztin Karin Tschare-Fehr (Gablitz hilft) berichtet von großer Bereitschaft der Geflüchteten, Deutsch zu lernen. Die Autorin Alexandra Eichenauer-Knoll (Herzverstand Hainfeld, ZusammenhaltNÖ) berichtet ebenfalls von Initiativen in ihrer Heimatstadt wie etwa Freizeitangeboten für Geflüchtete. "ZusammenhaltNÖ hat die Pass-Egal-Wahl durchgeführt, um zu verdeutlichen, dass viele in Österreich lebende Menschen gar nicht wählen dürfen und wenn sie dürften, wären die Wahlergebnisse oft anders als sie sind."
Einen "Dammbruch nach rechts" ortet Moderator Norbert Ciperle unter anderem auch durch die Aussetzung der Familienzusammenführung. "Ein im Zuge der schwarz-blauen Regierungsverhandlungen im Jänner bereits ausgehandelter Konsens hätte das zivilgesellschaftliche Engagement unter Strafe gestellt. Das heißt, alles was wir hier tun, wäre bestraft worden. Das triggert mich", so Ciperle.
Der Appell an Medien und Politik, Fragen der Migration nicht länger totzuschweigen und konstruktiv und menschenwürdig zu behandeln, zog sich durch alle Statements und verhallte auch nicht im Lauf des Festes, das sich an die Podiumsdiskussion anschloss. Fazit: "Wir brauchen mehr Traiskirchen in Österreich."
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.