Migranten-Shuttle an burgenländischer Grenze
Angeblich geplante Hochzeit diente Schlepper als Alibi

- In Handschellen wartete ein türkischer Schlepper auf seinen Prozess im Landesgericht Eisenstadt.
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Blühende Phantasie. Bunte Kreativität. Absurdes Bla bla. Allesamt erfundene Alibi-Konstrukte. Kurzum fadenscheinige Ausreden am laufenden Band. Schlepper-Jargon im Landesgericht Eisenstadt. Mit ganz besonderen Verbal-Ergüssen. So mutierte beim aktuellsten Menschenschmuggler-Prozess sogar eine angeblich geplante Hochzeit zu einem Vorwand. Nützte aber alles nichts. Trotz Schäfchenblicks und einem Mitleids heischenden: „Ich fühle mich nicht schuldig!“ - kam, was kommen musste. Ein jähes Ende der schwachsinnigen Jammerei auf tiefstem Niveau. Nämlich: Schuldspruch und Haftstrafe. Somit gings für den Angeklagten wieder zurück ins Gefängnis!
BURGENLAND. Shuttle-Service für illegale Migranten. Zwar komfort-befreit auf Ladeflächen von Lkw‘s, dafür aber auf direktem Weg vom Burgenland, etwa Nickelsdorf und Deutschkreutz, nach Deutschland. Organisierte "Spezial-Reisen" eines türkischen Brüderpaares. Während einer in Deutschland inhaftiert werden konnte, ging der andere der österreichischen Justiz in Netz. Und saß nun im Landesgericht Eisenstadt vor einem Schöffensenat auf der Anklagebank.
16 Migranten nach Bayern geschmuggelt
Der Türke, geschieden, Vater dreier minderjähriger Kinder, arbeitslos, ist in Oberösterreich wohnhaft. Als Mitglied einer kriminellen Vereinigung warf ihm die Staatsanwältin vor, gewerbsmäßig illegale Migranten entlang der ungarisch-burgenländischen Grenze aufgesammelt zu haben. Um diese Personen dann über die Grenze nach Bayern zu bringen, konkret Freilassing und Passau. Eine dieser Menschenschmuggler-Fahrten am 26. März, mit insgesamt 16 Flüchtlingen, konnte ihm stichhaltig nachgewiesen werden.
Auf Video-Beweis ist der Angeklagte sichtbar
Diese Tat gestand der Beschuldigte. Mangels Alternative. Immerhin auch schwer abzustreiten, gab es doch von jener Schlepper-Tour eine von seinem Bruder "gedrehte" Videoaufnahme. Mit allen Migranten auf der Lkw-Ladefläche. Als „Bild-Beweis“ für seine Auftraggeber, dass die Personen tatsächlich in Deutschland abgeliefert worden sind. Zu sehen auf dem "Film" übrigens auch der Angeklagte. Uppps. Unstrittig ebenso, dass der Türke in Österreich einen gefälschten bulgarischen Reisepass inklusive einer gefälschten ID-Karte als Ausweis verwendet hatte.
Zum "Lebensmittel einkaufen" nach Deutschland
Sonst aber habe er nichts angestellt. „Ich sage nur die Wahrheit!“ Stilles Gelächter im großen Schwurgerichtssaal. Denn laut Handy-Ortung befand sich der Angeklagte mehrmals in Deutschland. „Das kann nicht stimmen“, so die Erklärung des Täters. Und wenn doch, dann aber „nur zum Essen und zum Spazieren gehen!“ „Aaah, und zum Lebensmittel einkaufen!“ Ja, genau. Von Linz aus schnell und spontan mal nach Deutschland, um Semmerl zu kaufen...
Deutsches Mobilfunknetz in OÖ eingekoppelt
Als ihm von Richterin Mag. Karin Knöchl vorgehalten wurde, dass auf seinem Handy mehrmals an verschiedenen Tagen „Welcome-SMS-Nachrichten“ eingegangen sind, und zwar vom einem deutschen Mobilfunkbetreiber, erklärte das der Beschuldigte damit: „Vermutlich hat sich das deutsche Netz in Oberösterreich eingekoppelt!“ Auf Vorhalt, dass er diesbezüglich sogar von seinem eigenen Bruder belastet wird, gab es keine Antwort.

- Der Schöffensenat musste zur Kenntnis nehmen, dass "nur" das geortete Handy, nicht aber der Angeklagte an den Schlepper-Tatorten war...
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Hochzeit in Wien und Funkmast im Burgenland
Schon kreativer zeigte sich der Türke als es darum ging, dass sein Mobiltelefon im Burgenland geortet werden konnte. Im Großraum der Gemeinde Unterloisdorf, nahe der ungarischen Grenze. „Ich wollte in Wien eine Freundin heiraten. Zum Papiere machen war ich öfters dort. Vermutlich hat sich das Handy dann mit einem Funkmast im Burgenland verbunden.“ Als ihm die Staatsanwältin, ob der Entfernung, klarmachte, dass dies unmöglich sei, kam ein „Ich war NIE im Burgenland. Ich kenne mich in Österreich gar nicht aus!“ Und: „Ich war sicher nie an der ungarischen Grenze! Tzzzz!“
Das Handy war an Tatorten, der Angeklagte nicht
Somit musste der Schöffensenat zur Kenntnis nehmen, dass „nur“ das Handy im Burgenland und mehrmals in Deutschland war, nicht aber der Angeklagte. Was für eine Posse... Als der Türke plötzlich auch jene Straftaten bestritt, die er zuvor schon gestanden hatte, unterbrach die Richterin den Prozess mit der Empfehlung, der Beschuldigte möge sich mit seinem Verteidiger beraten. Und fügte hinzu: „Er kann sich gerne bei allem für nicht schuldig erklären, dann muss er sich aber auch der Konsequenzen bewusst sein. Denn ein Geständnis ist in Österreich allemal ein Milderungsgrund!“
Geständnis ade - dann doch Sinneswandel
Keine fünf Minuten später - ach Wunder - ein Sinneswandel. Gefälschte Dokumente und Schleppung von 16 illegalen Migranten gehen doch auf die Kappe des Angeklagten. Wobei er nur mit seinem Bruder mitgefahren ist, ihn begleitet und nur gewusst hat, dass sich Menschen auf der Lkw-Ladefläche befunden haben. Aber von Flüchtlingen hatte er keine Ahnung. Und Geld sowieso keines bekommen. Wie auch, hatte er ja mit der ganzen Schlepperei eigentlich nichts zu tun...
Bestrafung vs Freispruch
Selbstverständlich betonte der Türke monoton und beständig wie ein Uhrwerk, auch sonst nichts, aber rein gar nichts gemacht zu haben. In ihrem Schlussplädoyer sah das die Staatsanwältin jedoch anders. Nämlich als erwiesen, dass der Angeklagte mehrmals an Schleppungen aktiv beteiligt war und dem Gericht nur Märchen aufgetischt hatte. Während sie eine dementsprechende Bestrafung forderte, erbat der Verteidiger für seinen Mandanten einen Freispruch.
18 Monate Haft - wieder direkt in die Zelle
Freispruch? Mitnichten. 18 Monate Gefängnis. Unbedingt. So lautete das Urteil des Schöffensenates. Erstaunlicher Weise nahm der Türke den Spruch des Gerichtes an, seitens der Staatsanwaltschaft gab es keine Stellungnahme. Daher nicht rechtskräftig. Kurz darauf wurde der von einem Justizwachebeamten beaufsichtigte Schlepper wieder in seine Zelle geführt.


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