Burgenland-Legenden
Die ehrwürdige Martinskirche von Deutsch Schützen
Die älteste Glocke des Burgenlandes läutete Jahrhunderte hindurch in der Martinskirche in Deutsch Schützen. In der Nazizeit sollte sie eingeschmolzen werden, blieb aber bis heute erhalten und ist nun Teil eines Glockenmuseums in Krems-Stein.
DEUTSCH SCHÜTZEN. Deutsch Schützen wurde 1221 erstmals urkundlich als "Perwolff" in einer Schenkungsurkunde erwähnt. Die historischen Hinweise gehen aber viel weiter zurück. Bereits in der Römer- und Keltenzeit ist der Weinbau rund um den Eisenberg dokumentiert. Im Dreizehnten Jahrhundert gehörte das damalige Perwolff (inklusive Eisenberg an der Pinka ("Schauka") und Kroatisch Schützen) zum Besitz der Grafen von Güssing, obwohl das umliegende Gebiet zum Hoheitsgebiet der Familie Ják zählte.

- Der Martinskirche ist auch in der 800 Jahr-Chronik entsprechender Platz eingeräumt.
- Foto: Michael Strini
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Wehrkirche aus Holz
Gegründet wurde die Ortschaft von deutschsprachigen Bogenschützen, die zum Grenzschutz in die Region beordert wurden. Die Martinskirche wurde in ihrem Ursprung vermutlich bereits im zwölften Jahrhundert als Holzkirche erbaut und in späteren Jahrhunderten erweitert. Sie war stets als Wehrkirche konzipiert und bis ins neunzehnte Jahrhundert gab es auch eine Mauer, innerhalb welcher der Pfarrer eine eigene Wiese besaß.
Die Kirche wurde auf einem ehemaligen römischen Friedhof aus dem vierten oder fünften Jahrhundert errichtet. Bis heute steht der Rest der Martinskirche - etwas außerhalb des Ortsgebietes am Weg zum Weinberg - dort, wo früher die Siedlung Perwolff lag, die 1274 zerstört wurde. Die vertriebenen Schützen kehrten aber 15 Jahre später zurück und bauten ihren Ort - als "Klein Schütz" - wieder auf. Dieser wurde später erneut zerstört und Ende des dreizehnten Jahrhunderts im heutigen Ortsgebiet von Deutsch Schützen als "Groß Schütz" neu begründet. Vermutlich bestanden danach über Jahrhunderte hindurch Klein Schütz und Groß Schütz nebeneinander.

- Seit Jahren gibt es einen gemütlichen Rastplatz bei der alten Kirche von Deutsch Schützen.
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Pfarrkirche bis ins 20. Jahrhundert
Die Martinskirche selbst blieb bis ins 20. Jahrhundert Pfarrkirche und über viele Jahrhunderte auch als Schutz für die Menschen. Um 1400 wurde die Kirche neu errichtet und 1751 barockisiert. Der Turm und spätere Zubau aus dem 19. Jahrhundert stürzten 1945 ein, weitere Teile der Kirche wurden beschädigt. So besteht nur noch ein Teil der Kirche (Chorjoch, Apsis, Sakramentsnische) bis heute. Das Gewölbe ist aus einfach gekehlten Rippen, die auf Dienstbündeln und schlanken Runddiensten lagern. In der südlichen Innenmauer befindet sich ein Grabstein des Georg Debreczenyi, der 1593 verstarb.
Seit 1938 ist die von 1933 bis 1937 neu errichtete Mariäe Namen-Kirche im Ortszentrum Pfarrkirche von Deutsch Schützen. Zur Pfarrgemeinde gehörten damals Eisenberg und Kroatisch Schützen, das auch nach der Trennung von Österreich 1923 bis 1945 von Deutsch Schützen mitbetreut wurde, ehe Kroatisch Schützen (Horvátlövő) zur Pfarrgemeinde Großdorf (Vaskeresztes ) kam. Heute umfasst die Pfarrgemeinde Deutsch Schützen noch Eisenberg und Höll. Zum Pfarrverband gehört auch die Pfarre St. Kathrein, zu der noch die Filialen Edlitz, Harmisch und Kroatisch Ehrensdorf gehören. Beide Pfarren gehören zum Dekanat Güssing und werden von Dechant Karl Schlögl betreut.

- Die älteste Glocke des Burgenlands ist heute im Glockenmuseum Krems-Stein zu sehen.
- Foto: Chronik Deutsch Schützen
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Älteste Glocke des Burgenlandes
Über mehrere Jahrhunderte hinweg sorgte in der Martinskirche eine ganz besondere Glocke für das Geläut. Zwar wird das Gussjahr von 1242 bezweifelt, aber die älteste Glocke des Burgenlandes stammt mit Sicherheit aus dem dreizehnten Jahrhundert und war bis in die 1940er Jahre im Turm der Martinskirche zu finden.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie aber ausgebaut und sollte eingeschmolzen werden, um daraus Waffen herzustellen. Die Glocke blieb jedoch - wie durch Wunder - in Ebenfurt zurück und gelangte dann 1964 durch die Gießerei Pfundner ins Glockenmuseum Krems-Stein. Dort ist die älteste Glocke des Burgenlandes bis heute zu bewundern. Versuche sie - zumindest für Feierlichkeiten anlässlich 800 Jahre Deutsch Schützen als Leihgabe "heimzuholen" - scheiterten. Besondere Anlässe wie die Weinsegnung zu Martini oder Feldmessen an Feiertagen werden nach wie vor bei der Martinskirche zelebriert.

- Foto: Chronik Deutsch Schützen
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Historische Funde
Neben der ältesten Glocke des Landes gab es in der Martinskirche noch weitere Kulturschätze zu entdecken. So wurden bei archäologischen Grabungen in den Jahren 1970 und 1971 Fundamente der romanischen Kirche und eines römerzeitlichen Friedhofs freigelegt. Ein romanisches Doppelkapitell mit Kelchblättern und Männerkopf wird im Pfarrhof der Mariä Namen-Kirche aufbewahrt, ein Löwenkopf in der Grabkapelle der Familie Erdödy in Kohfidisch.
Beide stammen aus dem frühen 13. Jahrhundert - vermutlich um 1200 entstanden. Fachleute sehen dieses Prunkstück als Besonderheit und Zeichen für eine Sonderstellung der Perwolff-Schützen im Dienste der Grafen von Güssing.

- Gedenktafel für die 1945 bei Deutsch Schützen ermordeten jüdischen Zwangsarbeiter
- Foto: Michael Strini
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Gedenktafel
Im Jahr 1995 wurde eine Gedenktafel, gestiftet vom damaligen österreichischen Botschafter in Israel, Herbert Kröll, an der Außenmauer angebracht, die an die Ermordung von 57 jüdischen Zwangsarbeitern im Deutsch Schützer Wald erinnert, angebracht. Nach der Entdeckung des Grabes 1995 wurden die Toten von Oberrabiner Paul Chaim Eisenberg an der Fundstelle bestattet.
Bis heute ist die Martinskirche das historische Wahrzeichen von Deutsch Schützen, ein zentraler Teil der 800-jährigen Geschichte und gleichsam ein wichtiger Zeitzeuge der südburgenländischen Geschichte.
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