„In Aleppo habe ich kein Haus mehr“
Krieg, Flucht, Abschiebung, Rückholung: eine Geschichte ohne vorläufiges Happy End
SIEGENDORF. „Ich brauche nur eine kleine Unterkunft für meine Familie und mich. In Aleppo habe ich kein Haus mehr, das haben sie zerbombt“, so Ahmed. Er und seine Familie haben einen steinigen Weg hinter sich – mit einem vorerst glücklichen Ausgang in einer Wohnung in Siegendorf.
Flucht über Kroatien
Ahmed entfloh gemeinsam mit seiner schwangeren Frau Rokan und seinen vierjährigen Zwillingen Hamrin und Peruin den syrischen Kriegswirren. Über Kroatien fand er den Weg nach Siegendorf. Vor rund einem Jahr wurde der Familie von der Gemeinde eine Wohnung zur Verfügung gestellt.
Im Dorf integriert
Im Ort schloss die Familie Freundschaften, integrierte sich im Dorfleben. Die Kinder besuchten den Kindergarten, verbrachten Zeit am Spielplatz und lernten schnell die deutsche Sprache. „Sie waren mittendrin statt nur dabei. Es ist eine offene Familie, die den Kontakt zu den Siegendorfern sucht“, bringt es eine Freundin der Familie auf den Punkt.
Abgeschoben nach Zagreb
Abrupt wurde der Familie dieser sichere Hafen entrissen. Eine Nachbarin war dabei, einen privaten Deutschkurs zu organisieren. Alle Unterlagen waren bereits beisammen, doch noch vor der ersten Einheit kam die Rückführung. Binnen zweier Tage wurde die Familie zurück nach Kroatien – das Land ihrer Erstregistrierung – abgeschoben. „Siegendorf war mein Dorf. Ich hatte dort Gemeinschaft, wir haben uns wohl gefühlt. Wir waren glücklich!“, konnte es Ahmed nicht fassen.
Schlechte Versorgung
In Zagreb fand die Familie schreckliche Bedingungen vor. Zwei Waschmaschinen für 600 Personen, zum Teil über Tage kein Wasser, eintönige Ernährung und kaum ärztliche Versorgung für die schwangere Rokan.
Zurück in die neue Heimat
Bereits am 6. Dezember hält die kurdische Familie einen Beschluss des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts in Händen, der besagt, dass ihre Abschiebung nach Kroatien illegal ist. Doch über 70 Tage mussten die jungen Eltern auf Nachrichten aus dem Innenministerium, das für die Rückholung zuständig ist, warten. Dank des großen Engagements vieler Österreicher und Kroaten und der Diakonie, die die Gerichtsentscheidung erwirkt hatte, konnte die Familie vergangene Woche zurück nach Siegendorf.
„Fühle mich hier zu Hause“
In der Wohnung hängen kleine Kunstwerke der Zwillinge, die sie vor der unfreiwilligen Abreise im Kindergarten gebastelt haben, sonst ist sie spärlich eingerichtet. Süßigkeiten für die Kinder und Nahrung haben fürs erste Freunde aus Siegendorf mitgebracht. „Ich fühle mich hier zu Hause. Hier habe ich mein Herz und meine Freunde“, ist der Vater glücklich, wieder in seiner neuen Heimat zu sein. Auch für seine schwangere Frau Rokan kam der Weg zurück nach Siegendorf keinen Moment zu früh: „Im Mai erwarte ich ein Baby, ich sorgte mich um die Gesundheit meines Kindes. Wir danken allen, die uns in dieser schweren Zeit unterstützt haben.“
„Haben für Familie gekämpft“
„Wir haben Briefe an das Innenministerium und die Diakonie geschrieben, haben darum gekämpft, dass das Asylverfahren in Österreich abgewickelt wird. In dieser Hoffnung haben wir die Wohnung auch freigehalten“, setzte sich Siegendorfs Bgm. Rainer Porics für die kurdische Familie ein – vergangenen Dienstag bezogen sie ihre Wohnung in Siegendorf.
Von Siegendorf nach Traiskirchen
Doch der Leidensweg nimmt kein Ende. Weil die Zuweisung vom Bund an das Land fehlt, wurde die Familie nach Traiskirchen gebracht. „Wir gehen davon aus, dass sie wieder zurückkommen, es sollte nur eine Formalität sein. Normal dauert dies nur einige Tage. Doch dieser Fall ist ein Novum. Wir müssen abwarten, wie das Ministerium hier grundsätzlich vorgeht“, so die Informationen aus dem Büro von LR Darabos.
Warten auf Asylbescheid
Einen positiven Asylbescheid hält die Familie nicht in den Händen, hat also keine Gewissheit, ob sie endgültig bleiben darf. Ahmed und seine Familie wollen nicht viel – sie brauchen nur eine kleine Unterkunft, denn ihr altes Haus in Aleppo wurde zerbombt.
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