Erste Angebote zur Absiedlung im kommenden Jahr
ENNS. "Ich kann mich gut erinnern", sagt ein aufgebrachter Enghagner. "Wir waren nach dem Hochwasser noch in den Gummistiefeln, da hat der Rudi Anschober im Fernsehen gesagt: 'Der Damm für Enghagen kommt!' Und jetzt sollen wir auf einmal absiedeln?" Bei der Informations- und Diskussionsveranstaltung im Pfarrsaal St. Laurenz sehen sich Bürgermeister Stefan Karlinger, Umweltlandesrat Rudi Anschober und die anderen Herren am Podium mit Vorwürfen und poetischen Vergleichen konfrontiert: "Da kommt man sich ja vor wie der Waglhund mit der Wurst vorm Gesicht", meint Hermann Sallaberger aus Enghagen. Viele Bewohner hätten nach dem Hochwasser vom heurigen Juni nur deshalb in die Renovierung ihrer Häuser investiert, weil die Errichtung eines Schutzdammes fix versprochen wurde. Wie berichtet, hatte sich in einer unverbindlichen Befragung jeweils die Hälfte der Enghagner Haushalte für und gegen die Absiedlung ausgesprochen. "Die Leut' sind sich aber untereinander nicht böse", ergänzt Hermann Sallaberger.
Hausgroße Pumpwerke
"Anders als bisher angenommen ist kein bestimmter Prozentsatz an Absiedlungswilligen erforderlich, damit das Projekt starten kann", erklärt Bürgermeister Franz Stefan Karlinger. Ein Hauptgrund für den Schwenk der Verantwortlichen vom Schutzdamm zur Absiedlung ist ein von der Stadt Enns in Auftrag gegebenes Gutachten des Geotechnikers Anton Zaussinger: "Der Untergrund im Bereich Enghagen ist extrem wasserdurchlässig." Eine Dichtwand zwölf Meter hinunter bis zum (beinahe) wasserdichten Schlier wäre sehr teuer, würde den gesamten Grundwasserstrom absperren und somit sämtliche Brunnen der Umgebung beeinflussen. "Um bei einer nur teilweisen Abdichtung das an der Damminnenseite eindringende Wasser zu beseitigen, wären mehrere hausgroße Pumpwerke erforderlich. Technisch ist es möglich, aber der Aufwand wäre enorm", so Zaussinger. Mit den budgetierten 14,2 Millionen Euro würde man hier bei Weitem nicht auskommen. "Die Mehrkosten für die Stadt Enns würden unsere finanziellen Möglichkeiten ganz einfach übersteigen", so Karlinger.
"Nie 100-prozentiger Schutz"
Viele Enghagner fragen sich, warum die Experten erst jetzt erkannten, dass eine sinnvolle Dammlösung aufgrund der Untergrundverhältnisse nicht machbar ist. "Die Vorstudie eines Ziviltechnikerbüros hat den Schutzdamm Enghagen ähnlich wie den Machlanddamm geplant und damit zu niedrige Wasserdurchlässigkeiten angesetzt", erklärt Stadtbaudirektor Werner Gurtner. "Eine technische Lösung kann nie 100-prozentigen Schutz bieten", ergänzt Landesrat Rudi Anschober. "Im Juni fehlten zum Beispiel in Grein nur neun Zentimeter zur Katastrophe." Für alle "Absiedlungverweigerer" hat Anschober eine gute Nachricht. "Obwohl die Gebäude künftig im ausgewiesenen Überflutungsgebiet liegen, werden deren Bewohner bei einem neuerlichen Hochwasser Mittel aus der Katastrophenhilfe erhalten." Bereits einen Tag nach der Infoveranstaltung beschloss der Ennser Gemeinderat einstimmig, den Bewohnern von Enghagen und einiger weniger Objekte in Erlengraben und Lorch ein "Angebot zur Absiedlung" vorzulegen. Die ersten Angebote könnten, so Anschober, nach Erstellung der Schätzgutachten im Juni 2014 erfolgen.
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