Nachholbedarf bei Pflege
Stefan Bauer: "Menschenwürdige Pflege braucht Zeit"

Gabriele Bindreiter ist als Pflegearbeiterin in der Altenpflege tätig. | Foto: Bauer
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Die Pflege hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert – deshalb brauche es Veränderung, vor allem beim Mindestpflegepersonalschlüssel. Stefan Bauer, Zentralbetriebsrat beim Sozialhilfeverband Linz-Land, und Pflegerin Gabriele Bindreiter geben Einblick in die aktuelle Situation.

ENNS. "Vor genau 25 Jahren war der Mindestpflegepersonalschlüssel eine Innovation. Leider passte sich die Landesverordnung, in welcher dieser geregelt ist, nie den veränderten Aufgabenstellungen an", sagt Stefan Bauer, Betriebsratsvorsitzender im Zentrum für Betreuung und Pflege Enns. Früher seien noch viele Senioren mit leichtem Betreuungsbedarf in den Altenheimen gewesen – "heute sind fast nur noch Bewohner mit hoher Pflegebedürftigkeit bei uns untergebracht." Hinzu kommt, dass immer mehr zusätzliche Aufgaben dem Pflegebereich zugeteilt wurden: "Brauchte jede Mitarbeiterin früher pro Tag 15 Minuten zum Dokumentieren, so verdreifachte sich der Zeitaufwand. Leider dient dies meist nur der Rechtfertigung und hebt nicht wirklich die Qualität der Betreuung."

Viele suchen andere Arbeit

Anstatt in das Personal zu investieren, sei in den vergangenen Jahren genau in diesem Bereich gespart worden. Durch die Pandemie verschärfte sich die Situation enorm: "In meinen Beratungen merke ich den Trend, dass sich viele Mitarbeiterinnen um andere Arbeit umsehen, oder versuchen mit Reduzierung der Wochenstunden, sich der enormen Überlastung im Pflegeberuf zu entziehen." Es brauche Veränderung, um diesem Trend entgegenzuwirken: "Der Mindestpersonalschlüssel muss um mindestens 15 Prozent angehoben werden – natürlich in mehreren Schritten, da sonst unser System zusammenbricht. Die Ausbildung muss leistbar werden und der Verdienst gehört auf ein angemessenes Niveau angehoben. Das wichtigste ist aber, uns die Zeit zu geben, wieder menschenwürdig pflegen zu können", fordert der Betriebsratsvorsitzende.

Kampagne für mehr Budget

Insgesamt 14.000 Unterschriften aus oberösterreichischen Pflege-Einrichtungen sind zusammengekommen und 54 Kilogramm Postkarten brachte unter anderem Stefan Bauer vor wenigen Wochen zum Landtag. "Viele Bürgermeister haben angerufen oder geschrieben und Solidarität bekundet. Auch haben sich alle im Landtag vertretenen Klubs gemeldet. Ich hoffe, dass der Landtag noch vor der Wahl Ende September die Heimverordnung entsprechend ändert, weil sonst müsste man sich Kampfmaßnahmen überlegen, weil dann ist Schluss mit lustig", sagt Bauer, "denn: Nicht nur der Körper braucht Pflege, auch die Seele eines Menschen braucht Betreuung."

Mehr Wertschätzung gefordert

Auch Gabriele Bindreiter, die 55-jährige Fachsozialbetreuerin in Enns, wünscht sich mehr Zeit und damit mehr Qualität im Beruf: "Manchmal komme ich mir vor, dass ich im Akkord die Bewohner waschen muss. Ich möchte mich wieder auf ihr Tempo einlassen können und ihnen die Zeit geben, die sie brauchen." Mehr Wertschätzung würde den Pflegeberuf ebenso attraktiver machen: "Ich bekomme Anerkennung sehr oft in Form einer Geste wie dem Lächeln unserer Bewohner, oder in Gesprächen mit manchen Angehörigen erhalte ich Wertschätzung. Aber ich wünsche mir mehr Anerkennung in der Gesellschaft, der Politik und von meinen Vorgesetzten."

"Möchte bis Pension bleiben"

Bindreiter ist seit 19 Jahren in der Pflege tätig. Die Zeit für Bewohner sei immer weniger geworden. "Für mich ist es ein Grundsatz, dass ich meine Klienten als Menschen wahrnehme, sie aufmerksam, respektvoll und wertschätzend behandle. Ich hoffe sehr auf eine Verbesserung der Lage, da ich meinen Beruf liebe und ich ihn noch bis zu meiner Pension ausüben möchte."

Gabriele Bindreiter ist als Pflegearbeiterin in der Altenpflege tätig. | Foto: Bauer
Landesrätin Birgit Gerstorfer (Mitte) mit Stefan Bauer, Jaqueline Tasch sowie Michaela und Enrico Putz vom Ennser Zentrum für Betreuung und Pflege. | Foto: MecGreenie
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