Hofer: Angstpolitiker erschaffen Wutbürger

- Experten Kapp (l.) und Hofer: Über Politik kann man viel sagen – aber auch viel streiten
- Foto: Jantzen
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Politexperten Hofer und Kapp im Doppel-Interview: Den Parteien fehle es an echten Perspektiven.
Die Parteien verlieren an Vertrauen. Lässt sich der Trend noch aufhalten?
HOFER: Die SPÖ kann noch auf eine relativ treue Kernwählerschicht vertrauen. Das Zwischenhoch namens Josef Pröll hat über fundamentale Probleme der ÖVP hinweggetäuscht. Strache bekommt ein Problem, denn viele Wähler sind zur FPÖ gegangen, weil keine andere Protestpartei da war. Stronach hat gezeigt, dass er da eine Alternative sein könnte. Der Wutbürger wurde eben vom Angstpolitiker geboren.
KAPP: Wenn Politiker zukunftsgerichtete Programmatik formulieren, wenn sie sachorientiert sind und das Ganze mit Charisma verbinden können, wie es bei Pröll der Fall ist, dann honoriert der Wähler das. Die Grünen leiden darunter, dass sie zwar nicht angepatzt sind, aber damit allein verbindet sich noch keine Zukunftsperspektive.
Fehlen doch die Visionen?
KAPP: Ich bin kein Pröll-Nostalgiker. Aber die Herausforderung für jede Partei ist das Angebot einer Perspektive. Der Wahltag ist nicht die Belohnung für vergangene Arbeit, sondern die Entscheidung darüber, wer die kommenden fünf Jahre gestalten soll.
Fehlt der Politik doch der Mut, Reformen anzugehen?
KAPP: Meine Sorge ist, dass die etablierten Parteien an sich selber scheitern werden und sie in ihren Strukturen ermüden.
HOFER: Die Ermüdungsphase ist schon lange abgeschlossen.
Wie ist diese Abwärtsspirale dann zu durchbrechen?
HOFER: Die jüngsten Korruptionsfälle sind ein Sittenbild, das zeigt, dass viel zu lange mehrere und auch staatstragende Parteien nach dem Prinzip „Wir sind der Staat“ gehandelt haben. Ein Ausweg wäre, wenn sich alle Parteien an einen Tisch setzen und endlich die transparentesten Regeln, die es gibt, schaffen würden.
KAPP: Regeln ersetzen keinen Anstand.
HOFER: Sie sind die Grundvoraussetzung. Nur wir haben nicht einmal die Regeln. Stichwort Parteispenden. Die relevanten Parteien haben darum gekämpft, die Grenze möglichst hoch nach oben zu schrauben, ab wann Spenden publik gemacht werden müssen – anstatt alle Spenden offenzulegen und als Investition in die Demokratie steuerlich absetzbar zu machen.
Was wird sich mit der Nationalratswahl ändern?
KAPP: In der Politik ändert sich erst etwas, wenn der Leidensdruck groß genug ist.
HOFER: Wir werden wohl wieder eine rot-schwarze Koalition haben. In Richtung Perspektive und Erneuerung geht diese Zusammensetzung jedoch nicht.
Autorin: Karin Strobl



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