Gesundheit: Umdenken ist nötig!

- Dialog über die Zukunft der Gesundheit und des Systems: Peter Granig, Reinhard Eberhart, Johannes Kuschnig, Christian Raming, Martin Maitz, Helmut Graf, Wolfgang Müller und Robert Mack (v. li.)
- hochgeladen von Vanessa Pichler
Im fünften Zukunftsdialog verordnen Top-Experten dem Gesundheitswesen eine radikale Therapie.
Was versteht man unter Gesundheit? Wer versorgt die Menschen damit? Und wie ist dies finanzierbar? – Das sind die zentralen Themen des bereits fünften Zukunftsdialogs der WOCHE – in Kooperation mit dem Marketing-Club Kärnten.
Über die Zukunft des Gesundheitssystems diskutierten Psychotherapeut Helmut Graf, Berater Christian Raming, Uniqa-Landesdirektor Johannes Kuschnig, FH-Professor Peter Granig, Wolfgang Müller, Direktor des Krankenhauses Friesach, und WOCHE-Geschäftsführer Robert Mack. Den Dialog im Villacher „rem“ von Reinhard Eberhart moderierte Martin Maitz vom Marketing-Club.
Einig sind sich die Experten, dass Österreich im internationalen Vergleich zwar ein „gutes und effizientes Gesundheitssystem“ hat – wie es Kuschnig formulierte, dass man aber aufgrund der demographischen Entwicklung ein Problem mit der Finanzierung bekommen werde. Mack: „Die Ausbildung dauert länger, die Menschen gehen aber bei höherer Lebenserwartung nicht später in Pension.“ Eine Anpassung der durchschnittlichen Beitragsjahre sei gefordert.
Raming macht klar, dass es im derzeitigen System genügend Potenzial zur Einsparung gebe. „Allein in der Verwaltung sind locker zehn Prozent möglich“, ist er überzeugt.
Er – und auch Müller – warnen vor Sparmaßnahmen „am Patienten“. – „Wir sind bereits am Limit“, so der Direktor des Friesacher Krankenhauses. Eine dreiprozentige Steigerung der Kosten sei jährlich genehmigt. Aber: „Allein der Mehraufwand für Medikamente frisst diese drei Prozent auf.“ Raming dazu: „Die Medikamenten-Ausgaben sind in den vergangenen zehn Jahren um 80 % gestiegen!“
Graf bringt ein anderes Beispiel: „Für Psychotherapien werden 60 Millionen Euro ausgegeben, für Psychopharmaka aber 210 Millionen Euro.“
Für Müller ist klar: „Die Regional-Krankenhäuser brauchen eine klar definierte Aufgabe – und sie dürfen sich nicht gegenseitig konkurrenzieren!“ Häufig werden auch Diagnosen zuerst in Friesach und dann in Klagenfurt noch einmal gestellt. „Die doppelten Diagnosen müssen wegfallen“, regt er an. Raming fordert, dass man die angebotenen Leistungen in Kärnten analysiert und „auf das reduziert, was man braucht“.
Eine Revolution des Systems
Granig – er ist Professor an der FH für Gesundheitsmanagement – stellt fest: „Durch lineare Weiterentwicklung sind die Probleme nicht zu lösen; es braucht revolutionäre Ansätze.“ – Neue Modelle also, wie es Raming formuliert: „Es gibt genügend Ansätze, die den gesunden Menschen finanzieren, und nicht das Kranksein.“ Müller ergänzt: „Wir geben viel mehr Geld dafür aus, um kranke Menschen gesund zu machen, als dafür, Menschen gesund zu erhalten.“ Schließlich fordern die Experten ein Umdenken ein. „Wir müssen uns auf das konzentrieren, was uns gesund hält“, so Graf.
Für Kuschnig müsse es „Anreize geben, dass Menschen gesund bleiben wollen“. Er fordert auch die Politik auf: „Sie müsste viel mehr in aktiver Gesundheitsvorsorge tun!“ Mack mahnt zusätzlich die Eigenverantwortung jedes einzelnen Menschen ein.
Insgesamt sei notwendig, zu definieren, was man unter Gesundheit versteht. „Möglichst glückliche und lange Lebensjahre“, so Raming. Keinesfalls außer Acht lassen möchte Graf die seelische Gesundheit. Er stellt eine Frage: „Schaffen wir die Rahmenbedingungen, in denen Menschen Gesundheit überhaupt leben können?“
Es sei also ein ganzheitlicher Ansatz gefragt. „Das Gesundheitssystem ist ein Teil der Sozial- und auch der Wirtschaftspolitik“, so Raming. Man könne es nicht isoliert betrachten.
Die wichtigsten Thesen des Zukunftsdialogs:
System: Das Gesundheitssystem darf nicht isoliert betrachtet werden. Das
gesamte Umfeld entscheidet, ob Menschen gesund leben können.
Entwicklung: Eine lineare Weiterentwicklung löst die Probleme nicht, ein Umdenken ist gefordert.
Beitragsjahre: Bei steigender Lebenserwartung und länger dauernden Ausbildungen müssen die Beitragsjahre angepasst werden.
Paradigmen-Wechsel: Konzentration auf die Gesunderhaltung anstatt
darauf, erkrankte Menschen wieder gesund zu machen.
Krankenhäuser: Die Aufgaben der regionalen Krankenhäuser müssen definiert werden; sie dürfen nicht in Konkurrenz zueinander treten. Ärztegemeinschaften müssen forciert werden.
Einsparungen: Einsparungen dürfen nicht bei der Arbeit am Patienten vorgenommen werden; in der Verwaltung steckt Sparpotenzial.
Diagnosen: Doppelte Diagnosen können durch Vernetzung der Institutionen vermieden werden.
Autor: Gerd Leitner
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.