Produzieren für die Mülltonne

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Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist ein von Grund auf widersprüchliches und damit auch ein durch und durch Konfliktlastiges. Eine der Grundnotwendigkeiten im Kapitalismus ist Wachstum. Ohne Wachstum kommt dieses Wirtschaftssystem in die Krise. Mit einer Krise gehen wiederum die Ausbreitung von Armut, Elend und auch Gewalt einher.

Wachstum als strukturelles Grundmerkmal und unumgängliche Voraussetzung, gilt so natürlich auch für den Lebensmittelmarkt. Um die Gewinne zu steigern, was ja eine grundlegende Notwendigkeit für Firmen im Kapitalismus ist, sofern sie nicht von der Konkurrenz verdrängt werden wollen, muss immer mehr und/oder immer billiger produziert werden. Doch wir Menschen können zwar viel, aber nicht unendlich viel fressen (und kaufen). Überproduktion ist eine der Folgen. Was nicht mehr verkauft werden kann landet so im Müll.

Müll der keiner ist

Hast du dich schon mal gefragt, was mit Lebensmitteln passiert, die du nicht kaufen willst oder kannst? Die beispielsweise eine kleine Macke haben. Zum Beispiel bei den Äpfeln oder Birnen, eine etwas zu dunkle Banane, eine etwas matschige Karotte, Orange, Zitrone oder Mandarine im 1kg Sack, eine kleine Macke in der Dose, Lebensmittel die in ein oder zwei Tagen ablaufen, Brot von gestern. All das landet im Müll. Oft reicht es schon aus, dass eine neue Lieferung rein kommt oder Produkte eine neue Werbeaufschrift haben. Dann landen die alten, obwohl noch genießbar, im Müll. In den meisten Supermärkten ist es für Mitarbeiter_innen verboten, Lebensmittel, auch wenn sie nicht mehr verkauft werden, mit nach Hause zu nehmen. Aber selbst wenn sie das dürften, würden noch immer enorme Mengen im Müll landen. Die Tatsache, dass so Nahrungsmittel im besten Zustand weggeworfen werden, motiviert aber immer mehr Menschen zu einer ganz speziellen „direkten Aktion“. „Dumpstern“ oder „Containern“ nennt sich diese.

Gemeint ist damit das nächtliche Einschleichen in Müllräume von Supermärkten, um dort die noch guten Lebensmittel aus der Mülltonne zu holen. Aufwändig ist das nicht. Ein „Dumpsterausflug“ zum nächsten Supermarktmüllraum ist oft schneller erledigt, als der herkömmliche Einkauf samt anstehen an der Kassa.

Die Supermärkte freuen sich über das „dumpstern“ natürlich nicht. Denn wer Essen aus der Mülltonne holt, kauft es nicht mehr ein. So funktioniert die Maschine nicht. Dementsprechend werden alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt, um „Dumpsterern“ den Gang in den Müllraum zu verunmöglichen. Aus Erfahrung wissen viele zu berichten, dass vor allem die Supermarktkette „Hofer“ immer öfter Schlösser wechseln, Eisengitter um die Mülltonnen bauen oder Alarmanlagen installieren. Trotzdem bleiben die Möglichkeiten der Supermarktketten beschränkt. Denn dieser Müll gehört in Österreich rein rechtlich niemanden. Konkret befinden sich Menschen die in Österreich „dumpstern“ in einer rechtlichen Grauzone. Es ist nicht illegal aber auch nicht zu 100% legal. Demnach machen sich Leute die „dumpstern“ auch nicht des „Diebstals“ schuldig. Ein Betreten der Müllräume, ohne dass die Tür o.ä. beschädigt wird, fällt auch nicht in die Kategorie Sachbeschädigung oder Einbruch. Bis heute gab es in Österreich keine Verfahren oder gar Verurteilungen wegen „dumpstern“. Wär ja auch noch schöner, wenn Menschen für das Einsammeln von dem was Supermärkte wegwerfen bestraft werden würden. Leider gilt dies nicht überall. In Deutschland, Frankreich oder Spanien machen Polizei und Justiz nicht vor Menschen die Lebensmittel aus dem „Müll“ holen halt. Im Gegenteil…

Manche werden nun einwenden, dass es doch besser wäre, wenn die Lebensmittel anstatt weggeworfen zu werden, einfach günstiger verkauft werden würden. Allein, dies ändert am Warencharakter von Nahrungsmitteln nichts. Damit würde sich auch an der grundlegenden Problematik der Überproduktion nichts ändern und ebensowenig an der globalen Verteilung von Nahrungsmitteln, weil so keine grundlegenden Herrschafts- und Machtverhältnisse in Frage gestellt und geändert werden würden. Damit würde sich auch nichts an der grundlegenden Problematik ändern, dass Lebensmittel „für die Mülltonne“ produziert werden. Erzeugt wird demnach genug, damit kein Mensch hungern müsste. Da im Kapitalismus aber nicht produziert wird um Menschen zu ernähren, sondern um Geld zu verdienen, muss Kritik an den aktuellen Lebensmittelmärkten und der Produktion von Nahrungs- und Lebensmitteln auch immer Kapitalismuskritik sein.

Um das „dumpstern“ einem breiteren Publikum bekannt zu machen, folgt nun ein kleiner Erlebnisbericht eines Dumpsterausfluges, der irgendwann, irgendwo in Wien stattgefunden hat. Die Bilder sind Originalaufnahmen aus den Müllräumen der zwei Supermärkte in denen gedumpstert wurde.

Die “Müllklauber” sind wieder da!

Es ist ungefähr 22:00 Uhr. Heute stehen zwei „Zielpunkt“ Supermärkte am Plan. Besser gesagt deren Mülltonnen. Grundsätzlich eignet sich fast jeder Supermarkt zum „dumpstern“. In vielen wurden die Mülltonnen aber bereits hinter abgesperrte Eisengitter verbannt oder die Schlösser ausgetauscht. Die Müllraumschlüssel passen in den neuen Schlössern bzw. manchmal auch „Chipkartenlesegeräte“ natürlich nicht mehr. Manchmal ist der Weg in den Müllraum aber auch nicht notwendig, denn manche Supermärkte teilen sich die Mülltonnen mit den jeweiligen Hausbewohner_innen im Innenhof. Diese können, da sie von vielen Leuten genutzt werden, nicht einfach weggesperrt werden. Dafür ist es aber auch auffälliger dort die Tonnen durchzuschauen. Als wir einmal von einem Bewohner erwischt wurden, meinte der aber nur gutgelaunt: „Ah, die Müllklauber sind wieder da!“. Die meisten Menschen verstehen es nicht, wenn gute Lebensmittel im Müll landen und stehen unseren „Dumpsteraktionen“ deshalb positiv gegenüber. Nichtsdestotrotz würden die Meisten von ihnen niemals Lebensmittel aus dem Müll mitnehmen. Man könnte sich ja der Armut verdächtig machen oder etwas „Schmutziges“ oder Verdorbenes essen.

„Dumpstern“ hat für uns aber nicht zwangsweise mit Armut zu tun. Wir sehen es vielmehr als politische, direkte Aktion, zumindest teilweise, temporär aus der Konsumgesellschaft „auszusteigen“. Wir kaufen Lebensmittel nicht als Ware, sondern holen sie uns, nachdem sie aus dem Warenkreislauf rausgekickt worden sind. Dabei ist uns natürlich bewusst, dass „dumpstern“ keine Alternative für alle Menschen sein kann und dass die Lebensmittel im kapitalistischen Produktionsprozesses entstanden sind. Umso mehr wird aber deutlich, das „dumpstern“ ein Sabotageakt am kapitalistischen Akkumulationsprozess und der Unterwerfung immer weiterer Lebensbereiche unter die Verwertungslogik ist. „Dumpstern“ ist also auch eine Art Kritik zu üben.

Natürlich waschen wir trotzdem alle Lebensmittel vor dem Verbrauch. Und außer Obst und Gemüse sind ja alle anderen Lebensmittel verpackt. In vielen Fällen werden die Produkte aber auch direkt aus dem Regal in einen schwarzen Sack geworfen und dann weiter in den Müll entsorgt. Sofern dabei nicht ein Joghurt o.ä. geplatzt ist, sind diese Produkte dann aber komplett sauber. Das sorgfältige waschen empfiehlt sich aber nicht nur um eventuelle Verunreinigung von der Mülltonne zu beseitigen. In Hoferfilialen ist es bereits vorgekommen, dass Industrieputzmittel über die Lebensmittel in der Mülltonne gegossen wurden, um Menschen, die sie aus der Tonne holen, zu schädigen. (Siehe dazu: http://www.augustin.or.at)

Unterwegs sind wir mit zwei Rucksäcken und auf Rädern. Eine Taschenlampe und Handschuhe dürfen auch nicht fehlen. Bereits nach kurzer Fahrt, kommen wir beim ersten Supermarkt an. Die Straße ist leer und so sind wir schnell im Müllraum. Beim ersten Blick in die Tonne fällt sofort auf, was in den meisten Mülltonnen von Supermärkten Realität ist und wir bereits seit Jahren beobachten können: Mülltrennung gibt es nicht. Glas landet mit Biomüll, Papier und Restmüll in derselben Tonne. Auf Mülltrennung legen die meisten Supermärkte anscheinend keinen Wert. Oft genug haben wir bei den abendlichen Ausflügen übrigens schon die Mülltrennung nachträglich übernommen. Sofern Bio- und Restmülltonnen vorhanden sind heißt das, Restmüll raus aus der Biotonne und ab in die dafür Vorgesehene, oder eben umgekehrt.

Wir haben dieses Mal Glück, es wurde ein ganzer Sack mit Lebensmitteln weggeworfen. Salat, Brot, Milchprodukte, Paprika, Schokolade, Aufstriche und sogar 3 Flaschen Kürbiskernöl finden wir in der Tonne. Anscheinend ist eine Flasche kaputt geworden und anstatt die öligen, aber intakten Flaschen abzuwaschen, wurden alle einfach weggeworfen.

Zwar ist das „Dumpstern“ nicht illegal, trotzdem versuchen wir kein Aufsehen zu erregen. Wir achten auch darauf, keinen Dreck zu machen und am besten keine Spuren zu hinterlassen. Nicht weil wir Angst haben erwischt zu werden. Viel wichtiger ist, dass der Supermarkt nicht merkt, dass er „bedumpstert“ wird. Er könnte ja dann das Schloss austauschen. Also leise wieder raus und auf zum nächsten „Einkaufsladen“.

Von der vielbefahrenen Straße aus, ist der Müllraum leicht zu entdecken. Grundsätzlich gilt: je mehr Leute an einer Müllraumtür vorbei fahren oder spazieren, umso weniger wird auf uns geachtet. Schnell sind wir im Müllraum und auch hier dasselbe Bild. Eine volle Tonne mit Milchprodukten, Brot, Äpfeln, Birnen, Paprika, Mineralwasser, Topfengolatschen, Kuchen etc. Unsere zwei Wohngemeinschaften werden ein paar Tage gut essen können. Dann starten wir wieder los zur nächsten Dumpstertour. In dieser Nacht sind wir übrigens allein in den Müllräumen, nicht selten kommt es aber vor, dass wir auf andere „Dumpsterer“ im selben Müllraum treffen, denn in der Zwischenzeit werden es immer mehr Leute die das machen.

Nicht immer haben wir so viel Glück wie diesen Abend. Manchmal gibt es Tage, an denen wir nichts im Müll finden. Entweder weil andere schneller waren als wir oder weil an diesem Tag nichts weggeworfen wurde. Ärgern müssen wir uns darüber nicht, denn am nächsten Tag, so können wir annehmen, wird die Tonne umso voller sein. Wenn das nicht der Fall ist, fahren wir einfach zum nächsten Supermarkt und suchen den dortigen Müllraum oder Innenhof. Supermärkte gibt’s ja genug….

Film- und Kinktipps zur Thematik:

www.HungerMachtProfite.at

* Taste the waste

* Kaufen für die Müllhalde

* We feed the world

Wo: Wien, Wien auf Karte anzeigen
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