Goldmarie und Pechmarie
Die Ferienzeit steht wieder vor der Tür und Tausende Schüler werden ein Pflicht-Ferialpraktikum absolvieren. Die folgende Geschichte ist zwar erfunden, die Inspiration dafür lieferte jedoch das wirkliche Leben:
„Mama, Mama, heute war es wirklich lustig mit der Marie! Sie hat für uns Pudding gemacht!“
Marie ist die neue Praktikantin. Von ihrer Schule hat sie eine ellenlange Liste mitbekommen mit Dingen, die sie üben soll. Von A wie Apfelmus kochen über B wie bügeln bis zu Z wie Zubettbringen der Kinder muss sie bei allen Tätigkeiten des täglichen Einerlei zuschauen, mithelfen und einfache Arbeiten selbständig durchführen, sofern zumutbar.
„Welchen Pudding hat sie euch denn gemacht?“ frage ich. „Zuerst Schoko und dann Vanille und dann wieder Schoko!“ Oscar strahlt über das ganze Gesicht. „Was? Gleich dreimal hat sie Pudding für euch gemacht?“ „Ja. Aber beim ersten Mal hat sie mit dem Löffel umgerührt und dann ist der Löffel in den Pudding gefallen und dann hat sie noch einen Löffel gebraucht und mit dem Löffel wollte sie den ersten Löffel herausfischen. Aber da ist der Pudding angebrannt und der hat dann nach Rauch geschmeckt, und den wollte der Flynn nicht essen und ich auch nicht und dann hat sie noch einen machen müssen, weil wir haben ganz schrecklich geweint!“
„Und der hat euch so gut geschmeckt, dass sie euch noch einen dritten gemacht hat?“
„Nein, weil wir wollten ja einen Schokopudding und keinen Vanillepudding, aber der zweite Pudding war ein Vanillepudding und den wollte der Flynn nicht essen und ich auch nicht und dann hat sie noch einen Schokopudding machen müssen, weil wir haben ganz fürchterlich geweint.“
Ich bekomme nun doch ein wenig Mitleid mit Marie, die uns immer ein so schönes Augenrollen schenkt. Bei jeder Gelegenheit verdreht sie ihre Augen. Zuerst nach oben, dann nach links, um nach einem kurzen Augenrollen gegen den Uhrzeigersinn mit einem theatralischen Seufzer zu enden, immer wenn wir sie um etwas bitten, das versehentlich auf ihrer Liste steht, obwohl es dort aufgrund völliger Unzumutbarkeit sicher nicht hingehört. Soll ich mir den ganzen Sommer lang ihr Augenverdrehen gefallen lassen und dann erst Pech über sie gießen? Oder sie doch vorher schon in den Brunnen werfen? Es ist zum Heulen!
Tränen scheinen jedoch der Schlüssel zu sein! Scheinen sie gefügig zu machen. Sie zu überzeugen, dass eine Arbeit getan werden muss.
„Marie, könntest du bitte den Müll für mich hinaustragen?“ Augenverdrehen ihrerseits. Tränenausbruch meinerseits. „Okay, einfach in die Mülltonne hinein, oder?“ „Danke, das wäre nett von dir!“ Eine begnadete Schauspielerin ist an mir verloren gegangen!
„Marie, wärst du so nett und hängst die Wäsche für mich auf?“ Augenverdrehen. Tränen. „Meinetwegen, auf die Wäscheleine zwischen den Apfelbäumen?“ Es sind zwar Birnenbäume, aber so streng will ich mit ihr nicht sein. Schließlich war ich auch mal 16. „Genau, zwischen die Bäume!“
„Marie, könntest du bitte hinunter zum Postkasten gehen und schauen, ob der Briefträger heute schon da war?“ Augenrollen, beantwortet von meinen. Tränen. „Na gut. Und soll ich die Post auch gleich mit heraufbringen, falls welche drin ist?“ Nein, vergraben sollst du die Briefe, an Ort und Stelle! „Ja, das wäre eine gute Idee, danke!“
„Marie, bitte geh doch nach oben und schüttle die Betten ordentlich aus, damit es unten auf der Erde endlich schneit!“ Kein Augenverdrehen. Sie schaut mich verständnislos an. Ich verdrehe die Augen nach allen Regeln der Kunst selbst und stoße einen gekonnten Seufzer aus. Sie hält sich an die Reihenfolge im Drehbuch und kämpft mit den Tränen. „Das war doch nur ein Scherz!“ sage ich versöhnlich. „Wer will denn Schnee im Juli? So ein Pech wünschen wir keinem, oder, Marie?“
Ich wünsche allen Familien einen schönen Sommer und alles Gute mit euren goldigen Haushaltspraktikantinnen, sofern ihr das Glück hattet, eine zu ergattern!
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