Wenn Fliegen hinter Fliegen fliegen

- hochgeladen von Birgit Chalcraft
Sommer. Ich liebe ihn. Nichts ist schöner als vor Hitze flirrende Luft, zirpende Grillen, wilde Gewitter nach einem heißen Badetag, ein kühles Bier in einer lauen Sommernacht auf der Terrasse, Sonnenstrahlen schon um sechs Uhr morgens, duftendes Heu, Essigwurst zu Mittag. Und wenn das erste Wäschestück trocken ist, sobald ich das letzte auf die Leine hänge, werden in mir Glücksgefühle wach, wie ich sie seit meiner ersten Verliebtheit nicht mehr gespürt habe.
Wenn nur die Fliegen nicht wären.
Sie sind überall. Auf der schwarzen Haustüre, die von einem Farmhouse in Cornwall stammt und somit einen hohen sentimentalen Wert für uns hat, fühlen sie sich besonders wohl, bereit zur Invasion, sollte jemand von uns besagte Türe länger als eine Zehntelsekunde lang offen halten. Unsere beiden Kinder wissen zwar besser als wir selbst, wie man sämtliche Satellitenreceiver, Telefone oder Küchengeräte bedient, scheinen aber von der schließenden Bedeutung der Türklinke keine Ahnung zu haben. Eine Hausbesetzung ist den Fliegen daher ohne weiteren Aufwand erfolgreich gelungen. Für jede, die unter der Fliegenklatsche ihr Leben aushaucht, tauchen fünf neue auf. Ihr Surren ist das letzte Geräusch, das uns abends in den Schlaf begleitet und das erste, das uns morgens um vier Uhr aus den Federn reißt. Jede einzelne von ihnen hat sieben Leben und gibt stündlich ebensoviele weiter.
Sie umkreisen die Kühe in Schwärmen, machen sich im Ziegenstall breit, schwirren im Schafstall herum und fühlen sich im Hühnerstall zuhause.
Nur Eselin Easy scheint immun zu sein. Weit und breit keine Fliege. Sehr suspekt. Äußerst verdächtig. Ganz offensichtlich hütet sie ein Geheimnis, dem wir auf die Spur kommen müssen. Wir beobachten sie. Sie benimmt sich ganz normal, sofern man eseliges Verhalten überhaupt als normal bezeichnen kann. Knabbert wie jeden Tag die Wand der Scheune an, schnaubt, beißt ihre Mitbewohnerinnen, die Ziegen, ins Genick, hebt mit ihrem Gebiss den Melkschemel auf, wirft ihn mit elegantem Schwung über den Zaun, den Mineralleckstein gleich hinterher, und tritt mit ihrem Huf in den Wassereimer. Alles also völlig unverdächtig.
Doch dann macht sich unsere Geduld bezahlt und wir werden endlich Zeuge eines spannenden Rituals. Eselin Easy entleert ihre Blase auf dem Betonboden des Auslaufs und wälzt sich in der Lache, bevor diese in der Sonne verdunsten kann. Nach anfänglichem ungläubigen Gelächter wittert der findigste Ehemann von allen eine originelle Geschäftsidee - ein biologisches Insektizid mit phänomenaler Wirkung, das alle bisherigen auf dem Markt befindlichen Insektenschutzmittel eindeutig in den Schatten stellt. Die Tierversuche hätten wir schon hinter uns, nur am Menschen ist das neue Präparat noch unerprobt. Mein Mann opfert sich freiwillig als Versuchskaninchen. Er springt über das Gatter und wälzt sich ebenfalls auf dem harten Boden. Von diesem abartigen Verhalten etwas verunsichert und verwirrt, verzieht sich die Eselin in den Schatten.
Eingehüllt in eine Wolke augentränenden Gestanks und mit einem trimphierenden Lächeln verlässt der zukünftige Insektizidproduzent den Stall. Verfolgt von heiserem I-ah ... und einem riesigen, schwarzen, brummenden Fliegenschwarm!
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