TIERISCHES AUS DEM SÜDBURGENLAND
DIE VÖGEL - Eine Kurzgeschichte von Evelyn Resch

Es sind uns Vögel vom Himmel gefallen. Vier an der Zahl.
Frühlingmorgen, ein Blick auf die Terrasse, und ein tierisches Drama enthüllt sich vor unseren Augen: Zerfledderte Reste eines Nests liegen verstreut am Boden. Daneben die Insassen. Vier Jungspatzen. Einer sitzt verstört auf meiner Campingliege, der Zweite versteckt sich bibbernd darunter, der Dritte streckt mit spastischem Zucken seinen linken Flügel zur Seite, der Vierte besteht nur noch aus seinen sterblichen Überresten.

Was tun? Ich sammle die drei Überlebenden in einen Korb ein und zeige Bernd meinen Fund. „Wir müssen zuerst den Toten begraben“ ist seine lakonische Antwort. Gut, entgegne ich, entsorge die Leiche jedoch heimlich auf dem schattig gelegenen Komposthaufen, in der Hoffnung, dass irgendein Jäger des Waldes die mehr oder weniger würdevolle Bestattung des Opfers übernimmt.
Die drei überlebenden Federtiere aber gehören von nun an uns. Aber wie bringt man drei hilflosen Spatzen das Fliegen bei, noch dazu, wenn einer davon ein Schwerverletzter ist?

Zuerst einmal finde ich, dass sie Wasser brauchen, könnte ja sein, dass sie schon in der Nacht verunfallt und demgemäß mittlerweile dehydriert sind. Ich tauche ihre Schnäbel in ein mit Wasser gefülltes Schnapsglas, und es scheint, dass sie trinken. Zumindest bewegen sie ihre kleinen Schnäbelchen - vielleicht aber auch nur, weil sie sich durch mein Waterboarding überwältigt fühlen.

Wie alt sie wohl sein mögen? Und was fressen Kinder-Spatzen so, um satt zu werden? Dr. Google gibt Antwort. Sobald sie über ein Federkleid verfügen, dauere es ca. zwei Wochen, bis Jungspatzen flügge würden. Fallen sie aus dem Nest, kann es sein, dass die Eltern sie weiter füttern, wenn nicht, hätten sie lt. Google kaum Überlebenschancen. Die kleinen, bedauernswerten Dinger.

Bernd ist der Meinung, es müsse unbedingt ein Nest her. Aber woher kriegen? Nestbauen ist eine Fertigkeit, die mir nicht zueigen ist. Die Telefonrecherche ergibt, dass das Lagerhaus in Hartberg etwas Artgerechtes haben könnte.
Bernd fährt los - 20 km hin, 20 km zurück, ein lächerlicher Aufwand, wenn man damit Tierleben retten kann. Ich versuche einstweilen, den Dreien gut zuzureden und sie bei Laune zu halten. Mein gelegentliches Imitieren von Spatzengezwitscher, um die Präsenz der Eltern vorzutäuschen, quittieren sie mit Ignoranz.

Was Bernd nach einer guten Stunde aus Hartberg mitbringt, ist eine Blumenampel, kein Nest; aber dazu reichlich eiweißhaltiges Aufbaufutter, mit dem man einen ganzen Spatzenschwarm ernähren könnte. Allein - den Gästen scheint es nicht zu munden. Dass sie in die Blumenampel umgebettet werden und mit flauschigem Fließ meines Swiefer-Staubwedels bedeckt werden, lassen sie lustlos über sich ergehen. Die Blumenampel wird in die Gartenlaube gehängt, und wir hoffen, dass nun die Eltern alles weitere übernehmen würden. Von den Scharen an Spatzen, die sich im Garten tummeln, wird sich doch hoffentlich einer erbarmen. Aber was, wenn die Eltern ebenfalls ihr Leben ausgehaucht haben? Vielleicht ist ja ein feindlicher Zugriff auf das Nest erfolgt, durch einen größeren Vogel, einen Marder, oder was sich sonst so in der Nacht herumtreibt. Vielleicht wurde die Restfamilie ausgerottet? Worst Case Szenario.

Wir hanteln uns telefonisch von einem Spezialisten zum anderen, und landen beim Verein „Wir fürs Tier“. Der dortige Vogelkundler ist sehr freundlich und kompetent. Er weist uns darauf hin, dass, sollten die Vögel keine Eltern oder Zieheltern mehr finden, WIR diese Aufgabe übernehmen müssten. Mehlwürmer seien besonders geeignet, aber auch zerkleinerte Regenwürmer wären schmackhaft für unsere Patienten; das teuer gekaufte Aufzuchtfutter sei eher nicht empfehlenswert, da stopfend.

Mehlwürmer habe ich zuletzt vor 50 Jahren als Kind in der Mehldose meiner Mutter gesehen - damals, als das Mehl noch nicht mit zweifelhaften Konservierungsmitteln behandelt wurde. Eklig. Und Regenwürmer? Der Vogelflüsterer meint, wenn man sie nicht töten will, könne man sie filetieren, der Wurm regeneriert sich dann wieder und überlebt. Schön für den Wurm. Man will ja keiner Kreatur was zuleide tun - wobei: ein Stück Wurm abschneiden klingt nach blutiger Operation. Wir beschließen, erst mal zu beobachten, ob Ziehvögel kommen.

So vergeht der erste Tag. Wir glauben, zufliegende Vögel in der Laube gesichtet zu haben, das nährt unsere Hoffnung, nicht als Nahrungslieferant mit Gewürm einspringen zu müssen. Ein Blick in das Behelfsnest zeigt, dass die Verdauung der Kleinen jedenfalls funktioniert; auch hat der Verletzte seinen Flügel wieder angezogen und wirkt nun entspannter. Bernds ordnungsliebenden Hinweis, man müsse vielleicht die neue Heimstätte der Vögel säubern, ignoriere ich mit den Worten, dass in der Natur auch keiner das Vogelklo putze.

Mittlerweile droht jedoch erneut Unbill - ein aufziehender Regen gepaart mit Sturm lässt die Blumenampel hin und her schwingen. Zudem zittert unser Verletzter vor Kälte.
Bernd findet, er müsse ihn vorerst einmal zur Beruhigung in seinen Händen wärmen - er sitzt also bewegungslos mit dem Vögelchen und formt eine Höhle aus seinen Händen. Dieses beruhigt sich wirklich, jedoch wird Bernd zunehmend unruhig, da der Schaum in seinem Bierkrug absinkt und abgestandenes Bier nicht sein Ding ist, er aber jetzt keine Hand mehr frei habe. Ich meinerseits führe also ihm - Bernd, nicht dem Vogelkind, den Krug zum Mund. Ebenfalls zur Stärkung.

Wir beratschlagen ausführlich, wie wir die Pflegekinder vor dem Regen schützen könnten. Es ist ganz klar, dass Bernd aufs Dach der Laube klettern muss, um meinen blau-weißen Neckermann Regenschirm über der Nest-Blumenampel zu montieren. Mein zarter Einwand, dass ich noch nie einen Vogel mit Regenschirm gesehen hätte, wird unerbittlich abgeschmettert.

Stunden später, als der Sturm stärker wird und mittlerweile den Schirm davo geblasen hat, beschließen wir, nun doch das Spatzendomizil auf den Schlafzimmerbalkon zu verlegen, damit unsere Spatzen nicht noch einen weiteren Nestabsturz erleben müssen. Bei dieser Gelegenheit entwischt mir der Aufmüpfigste der drei. Er flattert unbeholfen hoch, ich kriege ihn nicht zu fassen, und er nutzt die Gunst der Stunde, um sich im Blätterwald der Hainbuchenhecke zu verstecken. Ich krieche unter die Hecke, er aber ist verschwunden. Ich höre nur noch sein Getschirpe, dann ist er weg. Beunruhigender Weise schleicht Stunden später allerdings der Nachbarskater genau an dieser Stelle herum, unter lautem Gezeter einiger Altspatzen. Oh Gott - der verdammte Räuber wird doch nicht ….. ich will ihn durch Geschrei vertreiben, doch nun ist auch er unter der Hecke verschwunden …. so bleibt nur die Illusion, dass Freund Sperling irgendwo im Dickicht der Büsche noch lebt. Jedenfalls sind es jetzt nur noch zwei.

So vergehen weitere Tage, es sind gerade die Eismänner - Pankratius, Servatius, Bonifatius.
Bernd plagt immer wieder die Sorge, dass die beiden da draußen frieren könnten - wir könnten sie doch wenigstens in der Nacht in Haus nehmen - Sarkastisch schlage ich vor, dass wir sie ja auch mit ins Bett nehmen könnten ….

Und immer die bange Frage, ob sie denn von irgendwo her Futter bekämen. Unsere Kontrollgänge ergeben, dass die Ziehkinder großteils schlafen. Wir wissen allerdings nicht, ob aus Schwäche, oder ob sie - wie Babys eben - viel Schlaf benötigen.

Am Morgen des fünften Tages ist auch der Verletzte von uns gegangen - er ist seinen Entbehrungen erlegen - ich finde ihn regungslos in der Blumenampel. Ich hatte es gespürt, das ES passieren würde…. Nun werden auch seine sterblichen Überreste zu Grabe getragen - diesmal werfe ich das tote Tier pietätlos über die Hecke …. soll ihn doch der Kater haben.

Nun lebt nur noch einer - möge sich der Schutzgott der Spatzen über ihn erbarmen. Das Leben um ihn herum scheint ihn nur bedingt zu locken. Zwischen Wasserspender, Aufbaufutter usw. sitzt er apathisch in einer Ecke. Dass wir im Garten nach Regenwürmern und Schnecken graben, um ihn zu delektieren, sei nur nebenbei erwähnt - übrigens erfolglos. Und das, obwohl wir ständig Federvieh mit Würmern im Schnabel herumfliegen sehen.

Und dann kommt der alles entscheidende Moment: Freund Spatz hat uns verlassen. Nach mehreren Flatterversuchen hat er es scheinbar geschafft, die Balkonbrüstung zu überwinden. Jedenfalls ist er verschwunden - gesang- und grußlos; ohne ein Wort des Dankes oder der Anerkennung. Eine herbe, menschlich-tierische Enttäuschung. Undank ist der Welten Lohn. Heimlich ist er auf und davon und ward nicht mehr gesehen. Wir hoffen inständig, dass er den Aufbruch in die große, weite Welt geschafft hat.

Vielleicht kommt Freund Spatz ja irgendwann einmal auf Besuch vorbei und schaukelt in der Blumenampel.

© Evelyn Resch - Mai 2020

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