Alleinsein ist nicht steigerbar

Foto: TV Thaur
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Eine alte Frau steht im Stadtpark und füttert Enten. Im Hintergrund die Silhouette einer größeren Stadt, ein paar Takte Musik – Einstimmung zur ersten Szene von „Paradiso“, einem Stück der österreichischen Autorin Lida Winiewicz, aufgeführt im alten Turnsaal der Volksschule Thaur. Reiner Bachor hat als Spielleiter mit den Damen Maria Drummel und Bettina Hölbling das Wagnis auf sich genommen, in einem räumliche Provisorium die Aufführung eines höchst anspruchsvollen Stückes zu verwirklichen, das trotz allem Ernst die Merkmale einer Komödie trägt.
Dass dieses Vorhaben großartig gelungen ist, sei einmal vorweggenommen. In gut zwei Stunden mit acht Szenen, werden wir Zeugen einer sehr langsamen Annäherung zweier sehr unterschiedlicher Frauen, die sich auf einer Parkbank kennenlernen.
Die selbstgerechte, pedantische und bildungsarrogante pensionierte Schuldirektorin und die arbeitslose, von Delogierung bedrohte Krankenschwester, welche ihr eine Sterbeversicherung verkaufen will, kommen erst nach und nach drauf, dass sie füreinander da sein könnten, es ergeben sich komische, traurige und berührende Situationen, an deren Ende das Pflegeheim „Paradiso“ steht. Bis zum Schluss lernen die Frauen voneinander, die geizige Lehrerin gewinnt die Einsicht, dass „man am Ende merkt, dass aller Besitz nur geliehen ist.“

Bettina Hölbling verwandelt sich mit Einfühlungskraft und Authentizität in die Krankenschwester Vicky, Maria Drummel, schon in früheren Produktionen der Schlossspiele Thaur erfolgreiche Laienaktrice, hat diesmal wieder mit erstaunlicher Professionalität der Figur der Lehrerin Martha Gesicht und Stimme gegeben. Beide Damen hatten trotz der enormen Textfülle keine Mühe, durchgängig jeden Schritt der Annäherung glaubwürdig zu vermitteln. Und wenn die alte Frau penetrant korrigierend meint „alleinsein ist nicht steigerbar“, so könnte man mit dem Filmtitel parieren: „Zusammen ist man weniger allein.“
Ein großartiges Stück, nach dem zwei hoch motivierte Frauen und ein sensibler Regisseur mit Recht den Applaus mit „standing ovations“ verdienten. Es wird bis 3.12. gespielt.

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