"Schönheit. Aber was sagt die schon."

Foto: Matthias Breit

Der in Hall aufgewachsene Komponist Peter Zwetkoff ist vergangene Woche im Alter von 87 Jahren in Baden-Baden gestorben. Dort hat er seit 1954 gelebt und für den Südwestfunk bis Mitte der 90er Jahre als Hauskomponist für radiophone und filmische Aufgaben, musikdramaturgische Arbeit mit Schauspielern, Musikern, Regisseuren und Technikern gearbeitet. Zentrales Thema seiner Kompositionen war aber das Hörspiel. Fast 300 deutschsprachige Hörspiele, darunter Klassiker des Genres wie Ingeborg Bachmanns "Der gute Gott von Manhattan" oder Melchior Schedlers "Cordoba oder die Kunst des Badens", tragen seine musikalische Handschrift. Auch als Komponist von Filmmusiken machte er sich einen Namen. Der Intendant des SWR, Bernhard Hermann, erklärte zum Tod von Peter Zwetkoff: "Wie kaum ein anderer hat er mit seinen Kompositionen die Entwicklung der Hörspielkunst seit Anfang der 50er Jahre mitgestaltet. In seiner Position als Hauskomponist und musikdramaturgischer Berater prägte er über 35 Jahre lang die besondere musikalische Komponente der Hörspielarbeit in Baden-Baden. Seine unverkennbare musikalische Handschrift zeichnet sich durch eine geradezu körperliche Intensität aus, die der eines Carl Orff oder Hanns Eisler in nichts nachsteht."

Im Widerstand in Hall
In den fünfziger und sechziger Jahre gab das Radio in Deutschland der neuen Literatur in Form von Hörspielen breitesten Raum. Nicht das Theater, sondern der Rundfunk war der Ort für die literarische Auseinandersetzung mit den Problemen der Nachkriegszeit und der unmittelbaren Vergangenheit des Nationalsozialismus. Und der Widerstand gegen dieses Regime hatte Zwetkoffs Jugend geprägt. In einer Zeugenaussage im Jahr 1947 beschrieb er eine seiner Verhaftungen in Hall folgendermaßen: "In der Nacht vom 3. auf 4. November 1944 bin ich neuerlich von den Gestapobeamten Mölk und Moser sowie einem dritten Beamten mir unbekannten Namens in Begleitung des NSDAP-Ortsgruppenleiters von Solbad Hall, weiters des Bürgermeisters von Solbad Hall, Walter Jud, und eines Vertreters der Wehrmacht verhaftet worden. Ich wurde per Auto in die Herrengasse gebracht. Der Gestapobeamte Hermann Mölk hat bei der Verhaftung meine Mutter beschimpft, und als mein Bruder Michael Zwetkoff, wohnhaft Hall, Unterer Stadtplatz 7, dagegen Stellung nahm, wurde er von Mölk geohrfeigt. Ich sagte Mölk, er solle davon ablassen, weil mein Bruder einen Schädelbruch hatte. Mölk hat dann erst recht mit aller Gewalt auf diese Stelle hingeschlagen, sodaß mein Bruder umgefallen ist. Mein Bruder kam ebenfalls mit nach Innsbruck." 1940, 1943 und 1944 war Zwetkoff in Hall mehrmals von der Gestapo verhaftet und mißhandelt worden – er hatte als Schüler Flugblätter des Widerstands nach Wien transportiert und dort verteilt. Aber auch an seiner Schule, dem Haller Gymnasium, hat Zwetkoff seine Ablehnung des Nationalsozilismus in einem Schulaufsatz zum Ausdruck gebracht. Der damalige Direktor denunzierte Zwetkoff bei der Geheimen Staatspolizei und so wurde er in der Folge nicht zur Matura zugelassen. Unmittelbar nach der Befreiung im Mai 1945 half Peter Zwetkoff den Amerikanern dabei, die Leichen von neun im "Arbeitserziehungslager Reichenau" hingerichteten NS-Opfern am Nordrand des Haller Friedhofs zu exhumieren.

Mich hat das absolute Komponieren immer weniger interessiert.
In einem Interview hat Peter Zwetkoff seinen Zugang zur Musik einmal so erklärt: »Mich hat das absolute Komponieren immer weniger interessiert. Als ich studierte, habe ich gesehen wie wir alle schrieben, wie wir schrieben. Und sah wie viel geschrieben war, das nie, damals nie gespielt wurde. Und dann sah ich wie viel Sonatensätze wir noch schrieben, als Musikstudenten. Und wissend, dass die Haydn-Violinsonaten nie gespielt werden, dachte ich, bist du verrückt, qualitativ unmöglich da irgendwie in die Nähe zu kommen. Es war ja auch nicht meine Absicht. Aber auch von der Wichtigkeit war ich nicht überzeugt, nicht überzeugt, dass ich das machen muss. Es gab natürlich viele Kollegen, die weiter genau so ihren Weg gingen – jetzt machen wir Sonaten, da versuchen wir eine Symphonie – die dann diesen vielleicht rollenden Weg gingen, wo wenig Steine da sind. Und ich hatte das Glück, dass ich diese Steine ziemlich bald bemerkt habe und mir der Gefühlsüberschwang als zu wenig übereinstimmend mit der Wirklichkeit erschien, wie er umschlug in melodische Wohltuerei oder auch, wenn es einmal gelungen war, in Schönheit. Aber was sagt die schon.«

Zwetkoffs Musik entzieht sich dem Konzert- und Musikbetrieb. Sie hat kein Aufführungs-, sondern ein Sendedatum, seine Instrumente können Tannenzapfen, Kämme, Sägen oder Scheren sein, seine Kompositionen dauern oft nur Sekunden. Der Schlagzeuger Horst Friedel, er hat oft mit Zwetkoff gearbeitet, charakterisierte Zwetkoffs Kunst, sein Hörspiel-Musik dem rein Illustrativen, dem Erzählenden zu entziehen, einmal so: »Für mich liegt sein Stil, sein unnachahmlicher Stil darin, dass er gewisse Zustände ins Musikalische übertragen kann. Zustände, über die viele Komponisten ganz banal hinweggehen: Ein Mensch hat so dargestellt zu werden, ein Schritt auf Kies so … man hört einfach nur narrative Umsetzung. Er aber kann es abstrakt umsetzen. Man hört dann die Musik und sagt, eigentlich ist es das – und doch benennt er den Gegenstand nicht, sondern seine Auswirkungen, seine Ausstrahlung, seine Farbe.« Bereits 1955 hat Peter Zwetkoff den wichtigsten deutschen Hörspielmusik-Preis, den Karl-Sczuka-Preis erhalten. In der Folge wurde er insgesamt sechsmal mit internationalen Preisen für Radiokompositionen ausgezeichnet. 2011 erhielt er das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

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