Barbara Thaler im Interview
„Außengrenzschutz und Klimaschutzgesetzgebung sind zentrale Themen bei der EU-Wahl!"

Möchte in Brüssel bleiben: Die EU-Abgeordnete Barbara Thaler im Gespräch mit „BezirksBlätter“-Redakteur Michael Kendlbacher. | Foto: BezirksBlätter
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  • Möchte in Brüssel bleiben: Die EU-Abgeordnete Barbara Thaler im Gespräch mit „BezirksBlätter“-Redakteur Michael Kendlbacher.
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Die BezirksBlätter reisten im Oktober im Rahmen der „Europäischen Woche der Regionen und Städte" nach Brüssel und trafen die EU-Abgeordnete Barbara Thaler zum Interview.

BRÜSSEL. Die Tirolerin Barbara Thaler ist seit 2019 Abgeordnete zum Europäischen Parlament und beschäftigt sich mit den Themen Verkehr und Tourismus in Europa. Welche Ziele ihr Projekt „Brenner ohne Grenzen" verfolgt und ob sie bei der kommenden EU-Wahl noch einmal antreten wird, verrät sie im Interview.

BezirksBlätter: Frau Thaler, welche Maßnahmen verfolgt die EU derzeit beim Thema große Beutegreifer (Wolf, Bär) und wo gab es bisher Fortschritte?
Thaler: Vielleicht noch einmal eine kurze Rückblende. Ich habe 2019 im Parlament angefangen, also vor vier Jahren, und damals war eigentlich bei dem Thema diskutieren wir mal über den Schutzstatus vom großen Beutegreifer nichts zu machen. Keine Chance. Nach zwei, drei Jahren harter Überzeugungsarbeit innerhalb vom Parlament, bei den verschiedensten Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern, ist es uns letztes Jahr im Dezember gelungen, eine große Mehrheit im Parlament bei einer Abstimmung zu überzeugen, bei der wir die Kommission aufgefordert haben, den Schutzstatus zu überprüfen. Hätte ich mir 2019 nie gedacht, dass uns dies 2022 gelingt. Jetzt möchte ich unbedingt dazusagen, das hilft jetzt keinem Bauern, denn das war kein Gesetz, es war eine Resolution. Vor wenigen Wochen hat dann die Kommissionspräsidentin veröffentlicht, dass alle Regionen, Institutionen, privaten Menschen, Verbände und Vereine in der Europäischen Union sich an die Kommission wenden und Zahlenmaterial aus ihrer Region zusenden können. Alle Risse, Wolf- oder Bär-Sichtungen und andere große Beutegreifer können nun gemeldet werden. Im Anschluss daran werden wir wahrscheinlich eine Präsentation bekommen und daraus werden eventuell weitere Maßnahmen abgeleitet.

Sie haben das Pilotprojekt ,,Brenner ohne Grenzen" auf den Weg gebracht. Können Sie uns über die Ziele aufklären und welche Herausforderungen dabei noch zu bewältigen sind?
Brenner ohne Grenzen" ist ein Pilotprojekt von mir, das ich im EU-Parlament eingereicht und dafür eine Mehrheit bekommen habe. Es geht darum, die Hürden, die es auf der Strecke gibt für die Züge, abzubauen. Ziel ist es, den operativen Prozess zu verbessern, wenn ein Zug über eine Landesgrenze fährt. Dafür gab es 1,4 Mio. Euro, die die Kommission jetzt verwenden kann, um zum Beispiel zu untersuchen, wie viel Zeit und Nerven Eisenbahnunternehmen sparen würden, wenn sie von München bis Verona ohne einen Stopp durchfahren könnten. Das machen wir quasi wie einen Echttest. Keine doppelten oder dreifachen Bremstests mehr und kein Warten, bis ein anderssprachiger Lokführer aufsteigen kann etc. Es gilt die Bremsdiagramme zu harmonisieren, damit sich alle angleichen und der Zug ohne lange Wartezeiten an der Grenze schnell drüberfahren kann. Das würde allen helfen und viel Zeit und Kosten sparen. Es hat sehr viele Vorteile! Ende 2023 kommt dann ein Endbericht zu diesen Echttests vom Pilotprojekt ,,Brenner ohne Grenzen" heraus und dann kann man ab Jänner 2024 diese Lösungsvorschläge umsetzen. Es ist eine langwierige Geschichte, aber am Ende wird eine deutliche Effizienzsteigerung für die Schiene stehen, und das hilft im Wettbewerb mit der Straße.

Wie stehen sie zum Thema E-Fuels?
Für mich sind E-Fuels (synthetische Treibstoffe) eine wunderbare Möglichkeit, klimaneutrale Brennstoffe und Treibstoffe zu produzieren, die einen sehr hohen Brennwert haben. Die Industrie wird das brauchen. Alles zu 100 Prozent zu elektrifizieren wird nicht gehen, daher wird es ganz viel grünes Gas und grüne Brennstoffe brauchen. Wenn wir die Transformation vom ganzen Wirtschaftssektor schaffen wollen, müssen wir auf mehrere Möglichkeiten setzen. E-Fuels werden noch nicht produziert, man weiß, dass der Hochlauf zehn Jahre dauern wird. Wir werden viel von E-Fuels und anderen synthetischen Kraftstoffen importieren müssen, weil wir unseren gesamten Bedarf nicht selbst produzieren können. Ja zu E-Fuels und anderen synthetischen Treibstoffen. Weniger CO₂ definitiv, aber wie ich das erreiche, überlassen wir bitte den Mitgliedsstaaten. Ich glaube, dass wir uns in einigen Jahren im Pkw-Bereich ganz selbstverständlich entscheiden zwischen Wasserstoffbrennstoffzelle, Elektroauto oder Verbrennungsmotor mit Biotreibstoff. Das wäre für mich der ideale Fall, denn alle drei reduzieren maßgeblich CO₂. Der Kunde kann auswählen – E-Fuels per se sehe ich eher im Schwerverkehr, aber das soll der Markt selbst entscheiden.


Bleiben wir beim Verkehr. Das Aus der Verbrennermotoren ab 2035 in der EU ist beschlossene Sache. Sie haben damals dagegen gestimmt. Warum?

Ich habe aus voller Überzeugung gegen das Aus des Verbrennermotors gestimmt, aber nicht, weil ich auf ewig mit Diesel und Benzin weiterfahren will, sondern weil ich glaube, dass es falsch ist, wenn der Gesetzgeber einer Technologie ein Monopol gibt und alles andere, was genauso CO₂-arm oder -neutral wäre, außen vor lässt. Es ist ja nicht der Motor selbst, der quasi „böse" ist, sondern das, was man einfüllt. Und ich bin eine absolute Verfechterin von Technologieoffenheit. Es ist nicht in Ordnung, dass der Gesetzgeber per Gesetz sagt, als Elektroauto gilt man als null Gramm CO₂, selbst wenn man Kohlestrom tankt. Das finde ich von der grundsätzlichen Entscheidung her falsch und deswegen habe ich damals auch gegen das Aus von Verbrennermotoren gestimmt.

In der ersten Jahreshälfte 2024 steht die Europawahl an. Werden Sie wieder antreten?

Ich mache diesen Job sehr, sehr gerne, um quasi Brüssel nach Tirol und Tirol nach Brüssel zu bringen. Und ja, ich würde das sehr gerne weitermachen. Derzeit sind wir mit unserer Listenerstellung noch nicht ganz fertig, aber ich würde mich sehr freuen, wenn ich eine zweite Periode dranhängen könnte.

Welche zentralen Themen sehen Sie für die kommende EU-Wahl?
Außengrenzschutz, Ukrainekrieg und Klimaschutzgesetzgebung sind Themen, die uns im Wahlkampf sicherlich begleiten werden. Stichwort: Renaturierungsverordnung, wo man vergessen hat, die Leute mitzunehmen, denn Klimaschutz müssen alle gemeinsam machen. Die Wirtschaft, Landwirtschaft und die Menschen müssen auch ihren Teil dazu beitragen. Aus Tiroler Sicht gesprochen, sind natürlich auch Verkehrsthemen ein sehr zentrales Thema.


Danke für das Gespräch!

Anmerkung:
Die Reisekosten nach Brüssel sowie die Unterkunft wurden vom europäischen Ausschuss der Regionen übernommen.


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