Wo die Fäden zusammenkommen – die Lodenmacher der "Zillertaler Loden Kreutner" im Interview

14Bilder

Jagd in Tirol: Wie entsteht Lodenstoff?
Rosmarie Kreutner: Die gewaschene Schafwolle wird nach Naturhaarfarbe sortiert, maschinell aufgelockert und kommt dann auf die Kardiermaschine. Diese hat viele kleine Nadelwalzen. Dadurch werden die einzelnen Fasern der Wolle parallel gelegt und gekämmt. Am Ende dieses Vorganges entsteht ein dünnes Vlies, das in 96 Fäden geteilt wird – das sogenannte Vorgarn. Diese Vorgarnspulen kommen auf die Spinnmaschine, wo jeder Faden durch die Drehung der Spindel seine Festigkeit erhält. Nun wird der gleichmäßig dick gesponnene Wollfaden auf einem mechanischen Webstuhl zu einem Tuch verwoben. Dieses Grundgewebe wird anschließend gewalkt und an der Sonne getrocknet.

JIT: Woran erkennt man Qualitätsloden?
Rosmarie Kreutner: Die Qualität beginnt beim Ausgangsprodukt, also der Wolle. Jeder einzelne Arbeitsschritt trägt schlussendlich zur Qualität bei: Die Drehung des Vorgarns zum fertigen Faden und die Bindung des Grundgewebes entscheiden darüber wie robust der Loden im Endeffekt wird.

JIT: Welche Eigenschaften zeichnen den Lodenstoff für das Anfertigen von Jagdbekleidung aus?
David Kreutner: Durch das Walken wird das Gewebe des Lodenstoffes verdichtet; er wird wasserabweisend, windundurchlässig, wärmend, temperaturausgleichend und strapazierfähig. Loden kann aufgrund seines Ausgangsmaterials – der Schafwolle – erhebliche Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen und fühlt sich trotzdem immer noch warm an. Zudem raschelt Lodenbekleidung nicht und das ist sehr vorteilhaft für die Jagd. Neben den vielen Vorteilen des Lodenstoffes gehört er gerade deswegen zur Grundausstattung eines jeden Jägers.

JIT: Was geschieht beim Walken?
David Kreutner: Das Tuch wird bei 60 Grad Wärme mit Wasser und durch Walkarbeit zu Loden verfilzt. Je nach Lodenart schrumpft das Tuch beim Walken zwischen 30 und 40 Prozent.

JIT: Wie viel Kilogramm Wolle benötigt man, um einen Meter Lodenstoff produzieren zu können?
David Kreutner:
Je nach Wollart und Stärke benötigt man zwischen 1,5 und 2 Kilogramm Wolle für einen Laufmeter Loden.

JIT: Was geschieht mit den Abfällen, die bei der Lodenproduktion anfallen?
David Kreutner:
Wir verarbeiten nur gewaschene Wolle. Es fällt lediglich Staub an.

JIT: Wie langlebig sind Lodenstoffe?
David Kreutner (lacht):
Es kommt immer darauf an, wie oft der Loden getragen wird. Wenn man nicht rauswächst und sich keine Motten über die Lodenbekleidung hermachen, hält sie – wenn sie aus starkem Loden gemacht wurde – ein Leben lang. Man kann Löcher stopfen, allerdings ist kaum etwas zu retten, wenn der Lodenstoff von Motten in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Rosmarie Kreutner: Der Loden braucht nicht besonders viel Pflege. Gegen Motten helfen starke Düfte wie etwa Lavendel oder Zirbenholz. So wie nahezu jeder Stoff braucht auch der Lodenstoff Bewegung – ist das der Fall, haben Motten keine Chance.

JIT: Wie reinigt man Lodenstoff am besten?
David Kreutner:
Man sollte Lodenbekleidung möglichst selten und vor allem nicht zu heiß waschen, wenn doch, sollte man auf gar keinen Fall zu chemischen Mitteln greifen – sie zerstören die Eigenschaften der Wolle. Der natürliche Lanolingehalt der Wolle verleiht dem Lodenstoff seine schmutz- und wasserabweisende Eigenschaft.
Rosmarie Kreutner: Die Wolle nimmt zwar keinen Körpergeruch an, dafür aber Umgebungsgerüche wie etwa Zigarettenrauch. Es reicht allerdings vollkommen aus, wenn die Lodenbekleidung gelüftet wird. Es gibt noch eine billige, bewährte und sehr einfache Methode, um starke Verschmutzung aus dem Loden bzw. jeglicher Wollbekleidung zu entfernen: Man legt das Kleidungsstück in harschen Schnee und klopft es aus.

JIT: Was gefällt Ihnen persönlich am Handwerk des Lodenmachers?
Rosmarie Kreutner:
Es ist eine abwechslungsreiche Arbeit mit einem reinen Naturprodukt. Wir sind mit dem Handwerk groß geworden und „hineingewachsen“. Die Maschinen unterstützen und ermöglichen uns, in einem Ausmaß zu produzieren, das unser Einkommen sichert.
David Kreutner: Unser Handwerk ist mit sehr viel Tradition verbunden. Früher waren die Bauern Selbstversorger, auch was die Herstellung der Kleider anbelangt. Die Wolle der Schafe wurde im Winter verarbeitet, viele Bauern waren im Besitz eines Webstuhls. Unsere Urgroßmutter – sie ist die eigentliche Gründerin der Zillertaler Lodenerzeugung Kreutner – hat mit der Produktion auf ihrem Hof begonnen. Nahezu jeder Arbeitsschritt ging damals händisch vonstatten, was heutzutage undenkbar wäre, wenngleich das Prinzip der Lodenerzeugung immer noch dasselbe ist. Wie bei allen Handwerksberufen spielt viel Erfahrung und Geschick eine große Rolle, wenn man gute Qualität erzeugen möchte.

JIT: Wer sind Ihre Woll-Lieferanten?
Rosmarie Kreutner:
Wir beziehen die Wolle von den Bauern aus der Region. Spezielle Wolle, wie die des Merino-Schafes, kaufen wir zu.
David Kreutner: Wir verarbeiten hauptsächlich die Wolle des Berg- und Steinschafes. Die Wolle des Merino-Schafes besitzt mehr Fasern und deshalb kann man daraus einen feinen Loden produzieren. Die Wolle des Berg- und Steinschafes hat weniger Fasern, fühlt sich deshalb zwar gröber an, ist aber besonders robust und hält allerlei Strapazen aus.

JIT: Wer gehört zu Ihrem Kundenkreis?
Rosmarie Kreutner:
Zu unseren Kunden zählen Forstarbeiter, Jäger, Bauern, aber auch Sportler, wie etwa Skitourengeher. Wir gehen zwar individuell auf jeden Kunden ein und fertigen alles auf Maß, erzeugen aber keine Modestoffe. Das war nie unsere Absicht und wäre räumlich und wirtschaftlich auch nicht machbar.
David Kreutner: Wir liefern unseren Loden an ein paar Schneidereien und verschicken ihn sogar bis nach Kanada. Unsere Kunden brauchen den Loden wegen seiner Eigenschaften – also als Arbeitskleidung – und nicht deshalb, weil ihn die Mode verlangt.

JIT: Wie hat sich das Geschäft mit den Loden in den letzten Jahrzehnten verändert?
David Kreutner:
Die großen Fabriken in Tirol haben alle zugesperrt. Sie haben sich auf die Produktion von modischem Tuchloden spezialisiert. Weil die Mode einem starken Wandel unterliegt, war es für diese Fabriken schwierig, qualitativ hochwertige Ware zu einem leistbaren Preis anzubieten. Hohe Personal- und Produktionskosten waren auch ein Grund dafür, dass sie zusperren mussten.

JIT: Denken Sie, dass sich die synthetische Funktionsbekleidung zukünftig bei Jägern durchsetzen wird?
David Kreutner:
Die Funktionskleidung ist stark auf dem Markt vertreten und bei den Leuten beliebt, weil sie modisch und bunt ist. Die meisten Menschen wollen Abwechslung, weshalb jedes Jahr unzählig neue Modelle für den Markt produziert werden. Wer sich für synthetische Kleidung entscheidet, muss sich im Klaren sein, dass er im Prinzip ein Stück Plastik trägt. Auch wenn die moderne Hightechbekleidung tolle Eigenschaften besitzt, weiß ich – und das tun viele unserer Kunden –, welche unschlagbaren Vorteile der Lodenstoff mit sich bringt.

Über die Lodenmacher:
Die Geschwister Rosmarie (im Bild links), Walpurga und David Kreutner führen den Familienbetrieb „Zillertaler Lodenerzeugung“ in Hart im Zillertal in der vierten Generation. David Kreutner hat das Handwerk des Lodenmachers von seinem Vater erlernt. Rosmarie absolvierte die Fachschule für Damenbekleidung in Innsbruck und einen Speziallehrgang für Trachtenschneiderei in Salzburg (Meisterprüfung). Im Jahr verarbeitet die Manufaktur mehrere tausend Kilogramm Wolle. Die Hochsaison in der Lodenproduktion ist im Herbst. Der Betrieb ist von einer funktionierenden Landwirtschaft abhängig. Momentan gibt es wieder mehr Schafe, folglich wird auch mehr produziert. Loden Kreutner spricht sich gegen die Schnelllebigkeit der Wegwerfgesellschaft aus, setzt ein hohes Maß an Qualität und genießt weit über die Grenzen hinaus einen guten Ruf.
Telefon: 05288-631-91

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.