Flucht vor gewaltätigem Ehemann
Polizeiliche Anzeige nach Handgreiflichkeiten und Betretungsverbot des ehelichen Wohnsitzes für Täter
Es begann mit Handykontrollen und endete mit Prellungen: erst nach Eskalation wandte sich junge Frau an Polizei.
GROSSRAUM NEULENBACH (wp). „Ich habe das einfach nicht mehr ausgehalten es hat einfach so kommen müssen“, erzählt Gerlinde S. (Name geändert) gegenüber dem Bezirksblatt. „Die Nachbarn und unsere eigenen Verwandten haben es nicht wahrhaben wollen, dass mich mein Mann immer wieder geschlagen hat. Sie wollten sich nicht in unsere Ehe einmischen und haben meine Bitten zu vermitteln ignoriert“, berichtet Gerlinde S. unter Tränen.
Gegen Kasten geschleudert
An einem Wochenende kam es nach einem Wortgefecht zur Eskalation. In einem Tobsuchtsanfall schleuderte der stämmige Ehemann die zierliche Frau mit voller Wucht gegen einen Kasten, wobei diese Prellungen und ein blaues Auge erlitt.
Betretungsverbot für den Ehemann
Erst am nächsten Tag, als ihr Ehemann das Haus verlassen hatte, um seine Arbeitstätte in Wien aufzusuchen vertraute sich die 35Jährige einer Arbeitskollegin an, die ihr riet, sich an die Polizei zu wenden. „Das wollte ich anfangs nicht“, erzählt Gerline S., sie willigte aber dann doch ein. Die Behörden trat sofort auf den Plan und sprach für den Täter ein mehrwöchiges Betretungsverbot aus. Derselbe holte unter Aufsicht der Polizei seine wichtigsten Utensilien zog in eine Privatunterkunft. Über den Vorfall informierte die Polizei auch das Gewaltschutzzentrum in St. Pölten, wo eine Mitarbeiterin tätig wurde und Gerlinde S. kontaktierte. „Wir haben eine enge Kooperation mit der Polizei“, bestätigt Marlies Leitner, die neue Leiterin dieser Opferschutzeinrichtung dem Bezirksblatt, „Betretungsverbote werden sofort an uns gemeldet.“ Danach beginnt für die Opfer eine intensive Beratungsphase. Wenn sich Gewaltopfer trotz Betretungsverbot ihrer Peiniger fürchten, dann empfehlen wir schon auch ein Frauenhaus“, meint Leitner. Allerdings wären in Niederösterreich alle Frauenhäuser voll, bedauert die gelernte Sozialarbeiterin; sie hoffe auf baldige Abhilfe.
„Polizei wichtigster Partner“
Beziehungskonflikte dieser Art entstünden schleichend, so Leitner. „Oft beginnt es mit Beschimpfungen, sozialer Kontrolle, Einschränkgungen, Erniedrigungen“. Häusliche Gewalt wären Wiederholungstaten. „Sie häufen sich, wenn von außen nicht interveniert wird“, erklärt Leitner. „Keine einzige Frau hat beim ersten Mal, wenn ihr Partner Gewalt gegen sie anwandte, die Polizei gerufen. Oft wird Gewalt in der Familie bagatellisiert und den Opfern an der Situation Mitschuld gegeben“. Zum Glück würde „Opferschutz bei der Polizei mittlerweile sehr ernst genommen“, meint Leitner, „die Polizei ist hinsichtlich Gewaltprävention unser wichtigster Partner“.
Kontakt Gewaltschutzzentrum:
Tel.: 02742/319 66
Nicht wegschauen!
(Kommentar)
Emotionen können manchmal hochgehen, wenn unterschiedliche Standpunkte temperamentvoll vertreten werden. Lautstarke, verbale Auseinandersetzungen bei den Nachbarn sind noch kein Indiz dafür, dass sich hinter verschlossenen Türen familiäre Dramen abspielen. Häufen sich diese aber, sollte man hellhörig werden und zumindest in Gesprächen nachforschen, ob etwas falsch läuft. Nicht zögern, die Exekutive zu rufen, sollte man allerdings, wenn es eindeutige Anzeichen für tätliche Gewalt im nachbarschaftlichen Umfeld gibt. Denn wenn derartiges zu beobachten ist, ist es meistens schon sehr spät. Sich nicht einmischen zu wollen und wegzuschauen ist hier eindeutig der falsche Weg. Das Einschreiten der Polizei ist meistens die Befreiung eines jahrelangen Martyriums eines Menschen, in der Regel nach wie vor Frauen und Kinder. 1.600 Personen, 90 Prozent davon Frauen, wurden 2010 vom Gewaltschutzzentrum in NÖ betreut. Die Dunkelziffer der Opfer ist zwar hoch, aber trotzdem im Sinken, da familiäre Gewalt, die im Übrigen nicht immer handgreiflich sein muss, kein Kavaliersdelikt mehr ist und öfter angezeigt wird. Und es gilt: unbelehrbaren Tätern kann nur mit der Härte des Gesetzes begegnet werden.
Werner Pelz / Kontakt: wpelz@bezirksblaetter.com // Tel.: 0676 700 11 75
Kontakt Gewaltschutzzentrum:
Tel.: 02742/319 66
Zur Sache
Gewaltschutz
2010 wurden in NÖ 874 Betretungsverbote der Polizei an das Gewaltschutzzentrum gemeldet. 51 davon im Bezirk St. Pölten Land, 80 in St. Pölten Stadt. In NÖ wurden 1.600 Personen, davon 90 % Frauen, betreut. Im Bezirk St. Pölten waren es 158 (davon 147 Frauen) Personen.
Kontakt Gewaltschutzzentrum:
Tel.: 02742/319 66
Info: www.gewaltschutzzentrum.at/noe
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