"St. Pölten könnte 75 Mio € Schaden einfahren"

BEZIRKSBLÄTTER: Herr Gemeinderat Wagner, Sie sind als Bankprüfer ein profunder Kenner von Währungs- und Derivatgeschäften. Jetzt hat sich die Stadt von Risikogeschäften freigekauft, von variablen Zinsen zu fixen und daher berechenbaren Zinsgeschäften gewechselt, sind Sie zufrieden?
WAGNER: Naja, ganz so ist es ja nicht mit dem Freikaufen. Es bestehen immer noch offene Risken in Höhe von rund 2,5 Mio. Euro, die schlagend werden können. Das wurde bisher seitens der SPÖ in der Öffentlichkeit verschwiegen. Außerdem könnte letztendlich das nunmehr mit den Swaps erzeugte und gegebene Fixzinsgeschäft teurer kommen als jenes mit variablen Zinsen. Wenn in Europa – so wie in Japan – die Zinsen über Jahre hinweg niedrig bleiben (der 3-Monats-Euribor liegt derzeit bei rund 0,5 %), könnte der Fix-Zinsaufwand 13 Mio. Euro an Mehrkosten für die Stadt ergeben.

BEZIRKSBLÄTTER: Und dann gibt es ja noch einen Rechtsstreit zwischen Stadt und Raiffeisen. Das ist ein Damoklesschwert.
WAGNER: Ja, wenn die Stadt den Prozess verliert, könnten Kosten in Höhe von 75 Mio. Euro schlagend werden, worauf ich bereits in der Gemeinderatssitzung im Juni 2011 hingewiesen habe.

BEZIRKSBLÄTTER: Es gab durch den Gemeinderat vorgegebene Risikolimits für Verluste, die 2008 überschritten wurden. Warum hat damals niemand die Notbremse gezogen oder die Opposition nicht aufgeschrien?
WAGNER: Der ÖVP-Vizebürgermeister a.D. Hannes Sassmann hat des öfteren darauf verwiesen. Darum hat auch die ÖVP im Jänner 2011 eine Sonderprüfung durch das Kontrollamt beantragt, da die Derivativgeschäfte bis zu diesem Zeitpunkt nicht kontrolliert worden waren. In der Vergangenheit war es ja so, dass der Gemeinderat erst nachträglich und nicht ad hoc über das Überschreiten der Limits unterrichtet wurde und dann wurde durch Bürgermeister Stadler bzw. in den Berichten an den Gemeinderat erzählt, dass die Verluste sowieso durch sogenannte Up-Front-Zahlungen locker gedeckt werden konnten.

BEZIRKSBLÄTTER: Können Sie den Begriff der Up-Front-Zahlungen für Laien verständlichen machen?
WAGNER:Up-Front-Zahlungen sind Geldbeträge, die man sozusagen als Belohnung erhält, weil man bei den Swapgeschäften ein höheres bzw. besonderes Risiko eingeht. Die Opposition bekam nie die Vertragsunterlagen über die laufenden Derivatgeschäfte zu Gesicht. Die Berichte der Stadtverwaltung waren bis zuletzt auch nicht immer fehlerfrei. Bei Nachverfolgen der Derivativgeschäfte im Dezember des vergangenen Jahres wurde mir klar, dass es zwischen 2005 und 2007 unglaubliche 170 geschriebene Währungsoptions-Geschäfte gab. Das kommt einem Roulettspiel gleich.

BEZIRKSBLÄTTER: Was bedeutet das?
WAGNER Daraus wurden Verluste in Höhe von 4 Mill. Euro eingefahren, die durch die oben erwähnten Up-Frontzahlungen abgedeckt und geschönt wurden. Seit wir im Dezember 2011/Jänner 2012 über Risken und annähernd über die Struktur aller Geschäfte Bescheid wussten, haben wir seitens der VP die Berichte der Finanzverwaltung nicht mehr zur Kenntnis genommen. Es wäre Bgm. Stadler, der wohl als einer der wenigen oder möglicherweise der Einzige war, der sich innerhalb der SPÖ als Vertragsunterzeichner mit den laufenden Geschäften auskannte und deren Vertragsinhalte kannte, freigestanden bzw. wäre es seine Verantwortung gewesen, zeitgerecht Gegenmaßnahmen gegen die aus den Ufern laufenden Verluste bzw. Risiken zu setzen. Angeblich hat Herr Bürgermeister Stadler ja wöchentlich Risikoreporte erhalten.

BEZIRKSBLÄTTER: Was haben die Spekulationsgeschäfte die Stadt bisher gekostet, bzw. welche Kosten prognostizieren für die nächsten Jahre?
WAGNER: Ich kann hier nichts Endgültiges sagen, da der Opposition die notwendigen Informationen zu den in der letzten Gemeinderatssitzung am 13.7. beschlossenen Geschäfte und Modifikationen im Detail nicht vorliegen. Derzeit stellt es sich aus meiner Sicht per heute so dar, dass aus allen Derivativgeschäften Geschäften seit 2003 ein Abgang von rund 1,5 Mio. Euro entstand. Also von einem Gewinn von 6 Mio Euro, wie die SP das verkauft, meilenweit entfernt. Dazu kommt noch das derzeit offene Risiko aus einer geschriebenen Währungsoption zum Schweizer Franken in Höhe von rd. 2,5 Mio. Euro. Wollte man sich jetzt aus dem Fix-Zinskorsett der Swapgeschäfte freikaufen, wären noch Kosten für das Freikaufen in Höhe von rd. 8,0 (in Worten acht) Mio. Euro anzusetzen. Und die anhängige Gerichtssache ist da noch nicht eingerechnet. Kann man da zufrieden sein?

Interview: Werner Pelz, Kontakt: wpelz@bezirksblaetter.com // Tel.: 0676 700 11 75

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