Biobauern wollen keine "Turbokapitalisten"
Kontroverse bei einer Arbeitssitzung des Demeterverbands über Moral, Ethik, Gier und die Biozukunft. Bauern aus der Region St. Pölten, Melk, Lilienfeld, Tulln tagten in St. Andrä.
Im Gebälk des Biolandbaus kracht es in den letzten Monaten ordentlich. Nun gibt es auch bei Demeter interne Unstimmigkeiten.
ST. ANDRÄ/GEMEINLEBARN/NÖ (wp). Schon seit Wochen herrscht bei Demeter, einem der renommiertesten Bio-Verbände des Landes, dicke Luft: Nach dem Scheitern einer Vermarktungsgenossenschaft, in dem führende Demeter-Funktionäre das Sagen hatten, und dem erfolglosen Aufbau der Demeter-Marke „Morgenstern“, gebe es Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlung an Landwirte. Eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft steht über den Verantwortlichen im Raum. Während es sich einflussreiche Großbauern „gerichtet haben, warten kleine Landwirte noch immer auf ihr Geld für gelieferte Ware“, so Insider. Außerdem würden große Mengen an, in Tschechien und Ungarn zu günstigen Bedingungen, erzeugtem Getreide importiert und zu österreichischen Preisen verkauft werden, was einen enormen Wettbewerbsnachteil innerhalb der Demeterbauernschaft bedeutete. Um den Wahrheitsgehalt dieser Gerüchte zu prüfen, besuchten die Bezirksblätter eine Arbeitsgruppensitzung von Demeter-Niederösterreich am Hof der Familie Mogg in St. Andrä an der Traisen und gerieten prompt in eine hitzige Grundsatzdiskussion der Versammelten, wo es genau um die beschriebene Thematik ging. „Moral, Ethik und Solidarität waren bisher im Demeterlandbau hohe Werte und sollten nicht der Gier einzelner geopfert werden, und Turbokapitalisten sollten nicht die Oberhand gewinnen“, warnt Biobauer Franz Mayer aus Gemeinlebarn und erhält breite Zustimmung der Anwesenden. „Es gibt bei Demeter keine Turbokapitalisten“, kontert Vorstandsmitglied Franz Fink aufgebracht. Er gibt aber zu, „ein Marktpflegeinstrument für den Biolandbau zu benötigen, um Chancengleichheit für die landwirtschaftlichen Betriebe untereinander herzustellen“.
Ein solches schwebt auch der jungen Biomüllerin Lisa Dyk – neu im Demetervorstand – vor. „Es muss mehr Gerechtigkeit für die einzelnen Biobauern geben“, so Dyk. Sie will neue Wege finden, „wo die Bauern auf dem Markt faire Bedingungen vorfinden“. Außerdem will sie forcieren, dass Biobauern ihre Ware nicht zu schlechteren Konditionen ins Ausland verkaufen müssen, die-se dort veredelt und vom Handel nach Österreich importiert werden. „Dabei erfolgt die Wertschöpfung außerhalb Österreichs. Das ist ein schlechtes Geschäft für unsere Bauern. Die Wertschöpfung sollte im Inland stattfinden, das führt auch zu einer besseren CO2-Bilanz“, so Dyk.
Vertrauen können
(Kommentar)
Die Anzahl der Biobauern ist in den letzten Jahren erfreulicherweise gestiegen. Immer mehr wollen im Einklang mit der Natur und ohne aggressive Schädlingsbekämpfungs- und Düngemittel wirtschaften. Dem härteren Arbeitsaufwand, dem diese Bauern unterliegen, stehen auch zum Teil höhere erzielbare Preise gegenüber. Vorausgesetzt, die Vermarktung funktioniert. Denn in der letzten Zeit gerieten Biobauern immer öfter an kriminelle oder unfähige Vermarkter und mussten dabei herbe Geldeinbussen hinnehmen, die für den einzelnen Bauern ruinöse Ausmaße annahmen. Dazu kommen schlecht aufgearbeitete Skandale („EHEC“) und die Bauernschaft allgemein wird durch skrupellose Börsenspekulanten verunsichert. Zu allem Überfluss drängen seit einiger Zeit auch Großbetriebe in den Biobereich, die eher konventionellen landwirtschaftlichen Industriebetrieben gleichen und den Biogedanken solcherart pervertieren. Demeter galt bisher als recht stabil mit hoch gehaltenen Werten. Falls sich das ändert, würde bald wieder eine Bastion des Vertrauens fallen.
Werner Pelz, Kontakt: Tel.: 0676 / 700 11 75 /// Mail: wpelz@bezirksblaetter.com
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