Geschichte
Durch die jüdische Josefstadt
80 Jahre Novemberpogrome: Wie viel jüdische Geschichte steckt noch in der Josefstadt und wo kann man sie heute noch entdecken?
JOSEFSTADT. Im Jahr 2018 steht ganz Österreich im Zeichen des Gedenkens. Eine gute Gelegenheit, um sich auch mit der Geschichte des eigenen Bezirks zu beschäftigen. Genau das hat das Bezirksmuseum getan. In der neuen Ausstellung "Jüdische Josefstadt" liegt der Fokus auf der jüdischen Geschichte des Bezirks. Viel ist davon heute jedoch nicht mehr übrig, wenn man bedenkt, dass einmal 6.000 Juden die Josefstadt ihr Zuhause nannten. Heute sind es nur noch knapp 150.
Wie viel jüdische Geschichte steckt also noch im Achten? Spuren davon kann man eigentlich jeden Tag entdecken: wenn man zur Arbeit geht, zum Einkaufen oder vielleicht auf dem Nachhauseweg. Viele Gebäude, die heute noch in der Josefstadt stehen, wurden von jüdischen Architekten entworfen. Ob in der Josefstädter Straße, der Albertgasse oder der Skodagasse, es gibt kaum eine Straße, in der man kein Stück jüdische Geschichte findet. Eine Liste aller Gebäude samt Bildern gibt es auch im Bezirksmuseum.
Wesentlich auffälliger war einst die Synagoge in der Neudeggergasse 12. Jeder, der jetzt denkt: "Komisch, da stehen doch nur normale Wohnhäuser", hat nicht unrecht. Der Prachtbau wurde im Zuge der Novemberpogrome 1938 von den Nazis niedergebrannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Grundstück zwar der Israelitischen Kultusgemeinde zurückgegeben, diese verkaufte es aber wieder an die Stadt, die auf dem Grund Gemeindebauten errichtete. Heute sind die Dimensionen, die die Synagoge einst eingenommen hat, kaum mehr vorstellbar.
Deportiert und ermordet
Hugo Bettauer ist wohl einer der berühmtesten Bewohner der Josefstadt. Als Sohn jüdischer Eltern gab er nach einer abgebrochenen Karriere bei der Armee seine eigene Zeitschrift heraus, die nicht nur Zuspruch erhielt. "Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik" behandelte zeitgenössische Themen wie Emanzipation oder die sexuelle Befreiung. Das ging dem NSDAP-Mitglied und Zahntechniker Otto Rothstock zu weit – er ermordete Bettauer in seiner Redaktion. Heute erinnert der Hugo-Bettauer-Platz in der Lange Gasse an den Schriftsteller.
Bettauer war bei Weitem nicht das einzige Beispiel von Gewalt gegen Juden. In der NS-Zeit wurden unzählige Menschen deportiert und ermordet. Die Autorin Irmtraut Karlsson hat die Schicksale vertriebener Josefstädter in ihrem kürzlich präsentierten Buch "Wege der Erinnerung" aufgearbeitet. Das Buch dient als Stadtplan und bietet den Begleittext zu den "Steinen der Erinnerung" und den Gedenktafeln im Bezirk. Vier Spaziergänge nehmen Familien, Prominente und Kaufleute unter die Lupe, die einst hier zu Hause waren. Das Buch ist im Czernin Verlag erschienen und kostet 20 Euro. Die begleitende Ausstellung im Bezirksmuseum ist ab sofort zu sehen. Infos: www.bezirksmuseum.at
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