Tourismusinvestition
Eine waghalsige Gratwanderung für das Bergsteigerdorf Zell/Sele
Zwischen Hoffnung und Angst um das Naturjuwel: Ein touristisches in Planung befindliches Großprojekt sorgt für hitzige Diskussionen in der Gemeinde Zell/Sele.
ZELL/SELE. Ein Thema spaltet die Bürger des Bergsteigerdorfs Zell/Sele im beschaulichen Rosental: die Rede ist vom geplanten Life Movement Resort. Ein deutscher Investor, Dennis Jansen, will in Zell ein nachhaltiges Naturerlebnis Resort errichten. Die Gemeindepolitik gibt sich zu dem Projekt wenig auskunftsfreudig, steckt es noch in den Startlöchern und die zwei wichtigsten Punkte stehen noch in weiter Ferne: eine Umwidmung des gekauften Grundstücks sowie weitere Investoren. Jansen hat im Bergsteigerdorf mit dem Life Movement Resort einiges vor: ein Häuser-Dorf, ein Hauptgebäude, einen Waldkindergarten, eine Gartenanlage, Sauna- und Yogabereich, Abenteuerpark, Bogensportzone, Campingbereich, Fischteich, natürlichen Schwimmteich, eine Moutainbikestrecke. u.v.m. will Jansen mit Diana Wachtendonk und Henning Kempkes errichten. Laut Eigenbeschreibung hat Jansen drei Fitnessstudios in Deutschland aufgebaut. Für das Projekt ist Jansen auf Partner- sowie Investorensuche: auf der Webseite sind Fitnessentwickler Bodycheck, Bären Bikes, Containerwerk (Container-Hausbau) sowie Glam Pro (Glamping) als erste Partner angegeben.
"Finanzierung fehlt"
Ende Juni soll Dennis Jansen wieder nach Zell kommen, um weitere Schritte mit der Gemeinde zu besprechen. "Bei diesem Treffen werden wir Neuigkeiten erfahren. Das letzte Treffen fand in der Osterzeit statt, dabei war auch Raumplaner Johann Kaufmann anwesend", sagt Bürgermeister Heribert Kulmesch (SPÖ). Zurzeit geht es darum, die Finanzierung für das Großprojekt zu sichern, glaubt man den Plänen auf der Projektwebseite, ein Millionenprojekt. "Die Finanzierung ist noch nicht gesichert. Es gibt einen Entwurf, jedoch noch nichts Konkretes. Es geht einmal darum, wie es gewidmet wird", erklärt Kulmesch.
Angst vor Ausverkauf
Besagtes Grundstück ist nur teilweise als Bauland gewidmet. Als weitere Frage muss geklärt werden, in welcher Form das Grundstück umgewidmet wird. "Von Medien werden aktuell viele Berichte von Chalet-Dörfern gebracht mit vielen negativen Stellungnahmen, daher ist die Bevölkerung ein wenig sensibilisiert. Es gibt gewisse Ängste", sagt Kulmesch. Im nächsten Atemzug will der Bürgermeister die Befürchtungen entkräften. "Dieses Projekt hat aber nichts mit einem klassischen Chalet-Dorf zu tun", so Kulmesch. "Welche Widmung wird es vom Land Kärnten geben?" ist die zentrale Frage, die noch geklärt werden muss. Landesrat Daniel Fellner (SPÖ) wollte zu dem Projekt keine Stellungnahme abgeben. "Der Abteilung (Anm.: Raumordnung) liegt aktuell zu diesem Projekt kein Antrag auf Widmung vor, deswegen können wir dazu auch nichts sagen." Die Meinung von Landesrat Daniel Fellner zu „kalten Betten“ ist bekannt: Er bezeichnet sie als „Untergang vieler Gemeinden“, so sein Statement.
Bedrohtes Bergsteigerdorf?
Das zertifizierte Bergsteigerdorf Zell hat mit Abwanderung zu kämpfen, ist auf wirtschaftsfördernde Projekte angewiesen. "Als Bergsteigerdorf sind wir gewarnt, für dieses Zertifikat sind gewisse Kriterien zu erfüllen. Sollte sich da etwas ändern, besteht die Gefahr, dass man den Status des Bergsteigerdorfs verliert. Dafür gibt es bereits Beispiele", sagt Kulmesch. Dass Hoffnungen in das Life Movement Resort geweckt sind, will die Gemeinde nicht bestreiten. Denn das Bergsteigerdorf hat keine einzige Übernachtungsmöglichkeit für seine Gäste. Für die Gemeinde im Naturjuwel wird das Projekt eine Gratwanderung. Einerseits gilt es wirtschaftlich als Gemeinde zu arbeiten, andererseits gibt es genügend Beispiele, bei denen sich die Hoffnungen auf eine Investition nicht gelohnt haben. "Erst wenn wir konkrete Fakten zu dem Projekt haben, werden wir eine endgültige Bewertung durchführen, es ablehnen oder befürworten", sagt Kulmesch.
Diverses Meinungsbild
Die Gemeindepolitik will sich zu dem Millionenprojekt kaum äußern. "Wir können nicht sehr viel zu dem Projekt sagen, es ist ja in letzter Zeit still um das Projekt geworden. Es darf die Lebensqualität der Zellaner nicht schlechter werden, es muss mit den Anrainern abgesprochen werden", sagt Danijel Olip von der Einheitsliste/Enotna Lista. Gemeinderat Philipp Rakuschek (ÖVP) ist einer derjenigen, der das Projekt befürwortet. "Von meiner Seite gesehen, ist es ein gutes Projekt, es wird für eine touristische Belebung sorgen. In der Gesamtbevölkerung hört man viele verschiedene Meinungen. Manche wollen nicht, dass mehr Fremde kommen", so Rakuschek. Einige Zellaner befürchten den Ausverkauf von Zell und dass zu viele Zweitwohnsitze entstehen.
Zur Sache
"Nähe ohne Respektlosigkeit, "Genuss auf hohem Niveau", "Bewegung aus eigener Kraft", "Anregung ohne Hektik" und "Belebtheit ohne Lärm" lauten die Credos der Bergsteigerdörfer. Beim Terminus Bergsteigerdörfer handelt es sich um eine Auszeichnung für ein touristisch hochwertiges Angebot. Zell/Sele ist eines von fünf Bergsteigerdörfer Kärntens.
Als Dachverband hinter dieser Initiative stehen der Österreichische Alpenverein (Anm. der Initiator), der deutsche Alpenverein, der Alpenverein Südtirol, der slowenische Alpenverein, der Schweizer Alpen-Club, der italienische Alpen-Club sowie die Alpenkonvention. "Die österreichischen Bergsteigerdörfer sind vorbildhafte regionale Entwicklungskerne im nachhaltigen Alpintourismus mit einer entsprechenden Tradition. Sie garantieren ein hochwertiges Tourismusangebot für Bergsteiger und Bergwanderer, weisen eine exzellente Landschafts- und Umweltqualität auf und engagieren sich für die Bewahrung der örtlichen Kultur- und Naturwerte", lautet die Eigendefinition. Seit 2013 ist die 600-Seelen-Gemeinde Zell/Sele ein sogenanntes Bergsteigerdorf. Durch das geplante Tourismusprojekt besteht die Möglichkeit, dass Zell/Sele seinen Status verliert. In einem Schreiben zu den Kriterien für diese Auszeichnung werden Pflicht- und Ausschlusskriterien definiert. Ein Punkt kommt beim geplanten Großprojekt zum Tragen und könnte zur dessen Aberkennung führen: "Dominierende Parahotellerie (großräumige Ferienparks, Appartementanlagen, Time-Sharing-Anlagen u. dgl.)". Die Projekt-Initiatoren des Life Movement Resorts waren übrigens trotz mehrfacher Versuche, eine Stellungnahme zu bekommen, bis zu Redaktionsschluss nicht erreichbar.
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