Der Baron im Tröpferlbad
Gewisse Regiepannen entziehen sich von selbst einer professionellen Theaterkritik. Ein derartiges Krepierl hatte in der letzten Woche als "Zigeunerbaron" seine Stadttheaterpremiere. Der Publikumsflucht folgte eine geharnischtes Buh-Orgie.
von Ilse Gerhardt
Ausgerechnet den geliebten Walzerkönig Johann Strauss nahm sich der Schwabe Florian Scholz vor, um ihn vom Briten Sam Brown veräppeln zu lassen. So wurde das Meisterwerk "Der Zigeunerbaron" durch die Mangel gedreht, entstellt und unter die kalte Dusche gestellt. Apropos Dusche: Schauplatz ist nicht ein ungarisches Schloss, sondern ein Tröpferlbad am Wörthersee. Der ausgezeichnet singende Chor, einstudiert von Günter Wallner- die Statisten und das -angebliche Ballett turnten in Badekostümen, Unterwäsche und Badeschlapfen herum. Höhepunkt dieser Badewascheloperette stellte ein Synchronschwimmerballett dar. Marius Burkert dirigiert sensibel das Kärntner Sinfionieorchester und stellt unter Beweis, dass "Joschis" Charme wenigstens im Graben nicht umzubringen ist. Obwohl auf der Bühne jener Versuch geglückt scheint. Brown gestaltete die Handlung gordisch geknotet, wobei die gegurgelten und gehaspelten Texte ihren kräftigen Beitrag dazu leisten. Kein Wunder: Die Bühne beherrschen Ausländer mit kaum Deutsch-Erfahrung. Versuche, ein Wienerisch zu stammeln, scheitern kläglich. Der Baron (Mehrzad Montazeri) ist zwar fesch, aber - wie der alte Heesters- ein Tonstemmer, dem die mitunter hübsche Stimme in höchsten Tönen abhanden kommt. Die alte Zigeunerin brabbelt mit Tremoloattacken, die junge Saffi (Stefanie C. Braun) muss ihre herrliche Auftrittsarie als Putzfrau mit Gummihandschuhen ( Kostüme: Annemarie Woods) singen. Absurd: Als einzig Verständlicher singt Richard Wiedl ( möglicherweise ein Wiener?) den ungarischen Schweinezüchter im Hallenbad. In das "Bar Entertainement" verirren sich alsbald einige Rothäute und Golfer, was die Handlung nicht entwirrt. Aber das wird ja nicht er Ehrgeiz der Regie gewesen sein, welche díe Stauss-Operette würgte, entstellte, zertrat. Das Premierenpublikum sass wie erstarrt im Theater, spendete kaum Applaus und nutzte die Pause zum Abgang. Bis zum schrecklichen Ende mit Buh blieben nur die Tapfersten.
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