Queer-Community
"Rechte nützen nichts, wenn wir immer noch Feindbild sind"

- Egal, wen man liebt? Das Verständnis für die Queer-Community könnte auch heute, zum 50. Jahrestag der Homosexuellenbewegung, besser sein.
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Der 28. Juni gilt als Beginn der Homosexuellen-Bewegung. Eine Klagenfurter Studierende aus der Queer-Community verrät im Interview, wie die Situation heute tatsächlich ist.
KLAGENFURT, KÄRNTEN (vep). Der 28. Juni 1969 gilt als Beginn der weltweiten Homosexuellenbewegung, da es an diesem Tag in den USA zu einem Aufstand gegen die Polizeiwillkür kam, die vor allem in der Christopher Street in New York häufig gewaltsame Razzien in der Gay-, Queer- und Drag-Community durchführte. Heute findet jedes Jahr in vielen Ländern Regenbogenparaden für gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz statt; jüngst gab es auch eine in Klagenfurt.
Verständnis für Queer-Community erhöhen
"Solche Initiativen sowie Berichte in den Medien sind heute immens wichtig, um das Verständnis für die Queer-Community in der Gesellschaft zu erhöhen", sagt Quinn, eine junge Studierende in Klagenfurt. Der bürgerliche Name von Quinn lautet anders, doch diesen - geschlechtsneutralen - hat Quinn sich bewusst ausgesucht. "Ich möchte nicht mit den Pronomen ,sie' oder ,er' angesprochen werden, denn ich fühle mich keinem Geschlecht zugeordnet."
Gerade das ist im Alltag aber auch oft ein Problem: Die deutsche Sprache ist extrem gegendert. Anders als im englischen ist es oft schwierig ist, geschlechterneutrale Formulierungen zu finden. "Auch das ist ein Aspekt, auf den die genderqueere Community aufmerksam machen will. Viele Personen fühlen sich nicht als Mann oder Frau und müssen sich in einer Gesellschaft zurecht finden, in der die Sprache sie in eine dieser beiden Kategorien zwängen will", erläutert Quinn.
Vom Geschlecht her bezeichnet sich Quinn als a-gender. "Bei Beziehungen steht für mich nicht das Geschlecht, sondern der Mensch im Vordergrund. Die Bezeichnung dafür ist pansexuell."
"Viele haben Angst, sich zu outen"
Ein weiterer Grund, warum Quinn anonym bleiben möchte, spiegelt auch die Situation vieler anderer in Kärnten wider. "Ich hatte noch kein Coming-Out im Familien- und Verwandtenkreis. Ich komme aus einem sehr kleinen Ort, in dem für das Queer-sein kein Verständnis herrscht. Schwul ist ein Schimpfwort und etwas Abartiges. Es klingt stereotyp, aber es ist leider wirklich so." Dieses Problem hätten auch viele andere junge Menschen, was auch der Grund sei, warum sich die meisten erst im jungen Erwachsenenalter outen, wenn sie von zuhause ausgezogen sind.
"Werden nach wie vor verbal attackiert"
Quinn hat zu vielen von ihnen im Rahmen der Queer-Community in Klagenfurt, die auch die Regenbogenparade organisierte, Kontakt. "Innerhalb dieser Community kann man frei mit seiner Sexualität umgehen bzw. darüber reden. Aber außerhalb dieses geschützten Rahmens gibt es leider nach wie vor große Skepsis, Vorurteile und auch heftige Attacken, hauptsächlich verbaler Art."
An Schulen sei es besonders schlimm, auch hier sind Schwuchtel und Transe Schimpfwörter. Bei Medienberichten über Attacken auf Homosexuelle kämen auch durchaus Reaktionen wie "Gott sei Dank, ein paar weniger".
"Es ist ja heute noch so, dass man Leuten abrät, einen Politiker zu wählen mit der Argumentation ,Der ist sicher schwul.' Schlimm finde ich, wenn ein gleichgeschlechtliches Paar ein Kind adoptiert und Menschen dann fragen, wie man das dem Kind antun kann. Das alles zeigt, wie tief verankert diese Vorurteile noch sind."
Wien ist freier als Kärnten
Im Vergleich zu Wien sei Kärnten hier weitaus rückständiger. "Vielleicht, weil es die Bundeshauptstadt ist, können wir uns in Wien viel freier bewegen als hier. Trans-Frauen zum Beispiel werden hierzulande auf der Straße angestarrt oder als behindert und krank beschimpft. Es gibt aber noch schlimmere Aussagen bis hin zu ,So etwas gehört vernichtet'."
Quinn selbst outet sich nur vor Menschen, von denen sie überzeugt ist, dass sie Verständnis zeigen. Manchmal zeigt Quinn aber auch Galgenhumor: "Es gibt genügend Leute, die sich sofort abwenden, wenn man auch nur andeutet, dass man queer ist. Manchmal nutze ich dieses Verhalten auch bewusst aus. Etwa, wenn sie einem auf der Straße die Kirchen- oder Vereinszeitungen in die Hand drücken wollen."
Staat unterstützt, aber noch zu wenig
In Quinns Augen unterstützt der Staat die Queer-Bewegung zwar, müsste aber mehr tun. "Es gibt Gesetze, die uns Rechte zuschreiben. Doch die nützen nichts, wenn wir in der Gesellschaft immer noch als Feindbild betrachtet werden." Es sei natürlich wundervoll, dass die Ehe für alle eingeführt wurde, damit sei aber noch lange nicht alles getan. "Der Staat denkt, dass durch die gleichgeschlechtliche Ehe alle Register gezogen worden sind, aber dem ist nicht so", sagt Quinn.
Es braucht Veränderung im Bildungssystem
Es brauche Veränderungen im Bildungssystem, damit qualitativer Aufklärungsunterricht und queere Identitäten endlich im Biologie-Unterricht behandelt werden und nicht immer nur von Heterosexualität und Cis-Gender als Norm gesprochen werde.
"Es braucht auch Antidiskriminierungsgesetze, Expertinnen und Experten an Schulen, die queeren Jugendlichen und Kindern helfen. Die ihnen zeigen, dass ihre Identität kein Witz oder eine Beleidigung ist, sondern etwas schönes und etwas worauf man stolz sein kann", findet Quinn sehr deutliche Worte.
"Man muss vor uns keine Angst haben"
Und Quinn appelliert auch an die Gesellschaft: "Man muss vor uns keine Angst haben. Leider ist altes Gedankengut immer noch in den Köpfen mancher Menschen verankert, also Homosexualität in Verbindung mit Aids oder der Ablehnung innerhalb der Religion im Sinne von ,Gott will das nicht'. Doch wir sind Menschen wie alle anderen. Man sollte nicht auf das Label schauen, das einer trägt, wie beispielsweise Transgender, lesbisch oder homosexuell, sondern versuchen, den Menschen dahinter zu sehen. Wir alle wollen, dass man mit uns und nicht über uns redet."
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