Klagenfurter LEBEN
Von Angst, Hoffnung und Resignation
Gerhard Maurer fängt in seinem neu erschienenen Fotobuch „What are we waiting vor“ die Ästhetik des Schreckens inmitten der Pandemie ein und gibt ihr eine versöhnliche Wendung. Weil jeder Moment der Erschütterung Aufarbeitung bedarf.
So empfänglich sind Fotografien aus dem Lockdown wohl selten: Maurers Bestandsaufnahmen bleiben nicht an den bloßen Masken oder leerstehenden Plätzen hängen, sondern dringen hinter die Fassade des Offensichtlichen. Nicht zuletzt sind es aber spontane Schüsse gegen die eigene Angst und Unsicherheit.
Gespür für den richtigen Moment
Gerhard Maurer ist ein Grübler sympathischer Art. Wenn er zu erzählen beginnt, wirkt er nachdenklich. Wie es auch seine Kunst tut. In Gedanken vertieft, setzt er sich mit den Zeichen der Zeit auseinander. So war es für ihn Anfang März 2020, als die Ereignisse Tag für Tag bedrohlicher auf uns einprasselten, klar, mit der Linse auf Streifzug gegen die sich nähernde Unsicherheit zu gehen: „Für mich ist die Fotografie immer eine Art von Bewältigungsversuch. Meine schwarz-weiße Serie über die Pandemie war bereits geboren, als diese noch gar nicht oder gerade erst verkündet wurde“, so der Fotograf. Dass daraus sogar ein Buch entstehen sollte, konnte er damals nicht ahnen: „Ich nahm jeden Tag zumindest ein Bild auf und postete es in den sozialen Medien. Natürlich schwebte mir die Idee vor, mehr mit dem Material zu machen.“ In Kooperation mit dem FOTOHOF Salzburg und seiner Frau Gudrun Zacharias – die beiden treten im Kollektiv auf – konkretisierte sich allmählich die Idee einer Publikation, wobei Maurer die Fotos und Zacharias die Aufnahme eines daran anknüpfenden Videos und die Sichtung übernahm. „Es ist eine Herausforderung, die Fotografien in eine Ordnung zu bringen, sodass sie eine Geschichte erzählen.“
Authentisch und wirklichkeitsnah
Die eingefangenen Momente sind auf jeweils eigene Weise berührend: Sei es ein in der Hand der Tochter gehaltener, verletzter Vogel, der wieder zu sich kommt oder das Porträt seiner Mutter Jolitta mit dem Blick durch die schützende Fensterscheibe Richtung Zukunft, die Aufnahmen machen etwas mit uns. Melancholische Blicke oder Sicherheitsabstände beim Plaudern zeigen, dass etwas Bedrohlich-Undefinierbares in unser Leben gebrochen ist. Sie sind nicht fremd, strahlen vielleicht deshalb so eine Aura aus, die nahe geht. Ganz selbstverständlich kombiniert Maurer Natur mit Kultur, Bewegung mit Resignation und schaukelt Kontraste auf, in einer Zeit, die trotz Stillstand bewegt. Die Bilder sind Metapher, die unsere Zeit beschreiben. Nah und doch so fern, oftmals durchaus minimalistisch, beherbergen sie Querverweise in sich, werden poetisch und zeigen die Verletzlichkeit des Seins auf. Vor allem schenken sie aber Mut in schweren Zeiten. „What are we waiting vor“ wirkt wie ein Tagebuch des Alltages der Pandemie, mit allen schönen, aber auch verheerenden Seiten: „Es ist mehr essayistischer Zugang, den ich in dieses Projekt hineingelegt habe“, gibt Maurer zu verstehen. So wie es der Stillstand ist, der aus den Bildern zu rufen scheint: „Der Lauf der Natur geht seinen Weg weiter, ungehindert dessen, dass ein bösartiges Virus seine Kreise zieht und menschliches Leben ins Stocken bringt.“ Auf einmal werden Bruchstellen sichtbar, der Alltag vermengt sich mit dem abrupt eingebrochenen Ausnahmezustand. Und ganz nebenbei ergeben sich wie von selbst die existentiellen Dinge des Lebens. Maurer sucht das Große im Kleinen und wird an Stellen fündig, wo uns gemeinhin der Durchblick versagt bleibt.
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