Kinostart

Hinterland

KLOSTERNEUBURG. Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky erhält den Publikumspreis beim Filmfest in Locarno für seinen Anti-Kriegs-Thriller Hinterland. Die Bezirksblätter sprachen mit ihm über die Arbeit am neuen Film.

Am 7.10.21 ist die Österreichpremiere Ihres neuen Filmes Hinterland. Eine Kriminalgeschichte in den zwanziger Jahren. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Stefan Ruzowitzky: Das ursprüngliche Drehbuch ist von Hanno Pinter (Sänger der Gruppe Monroes).
Er hat mir die Verfilmung angeboten und gemeinsam haben wir die Geschichte
weiterentwickelt. Unser Produzent Oliver Neumann hatte dann die Idee, den Film nicht real sondern eben auf eine andere Art zu drehen und nach einigen Tests haben wir uns dazu entschlossen und gefreut, etwas neues auszuprobieren!

Das ist unter anderem, das besondere an diesem Film! Denn alle Hintergründe sind erst im Nachhinein einkopiert worden. Die Schauspieler standen in einem Studio vor einer blauen Wand(Blue Screen). Wie war es für Sie, auf diese neue Art zu arbeiten?
Es war spannend! Ich hatte zwar das Drehbuch und auch mein Storyboard, doch musste ich mir alles andere vorstellen. Normalerweise habe ich bei einem Dreh jede Szene schon inszeniert und geschnitten im Kopf. Hier aber musste ich mir zusätzlich, die noch nicht existierende Location dazudenken, um dann zu inszenieren. Das bedeutet doppelte „Rechenleistung“ lacht,  ich war nach jedem Drehtag zweimal so erledigt wie normal!

Hinterland spielt in Wien nach dem 1 Weltkrieg. Wie haben Sie es geschafft, die Stadt so unglaublich aussehen zu lassen?
Die Wienansichten bestehen hauptsächlich aus Bildern von Wiener Gebäuden und
Strassen, kombiniert mit Ansichten von anderen Städten (Bahnhof in Leipzig,
Eisenbahnbrücke in Köln), dazu historische Fotos – so konnten wir etwa die Rotunde auf
der Leinwand wieder zum Leben erwecken. Man kann sich das wie eine Collage vorstellen. Am Computer haben wir uns derart fiktive Wiener Orte zusammengebastelt. Die zusätzlichen Verfremdungen und Verzerrungen drücken die Gefühlslage unserer Hauptfigur Perg aus. Gezeichnet vom Krieg und der Gefangenschaft findet er sich nach der Heimkehr schwer zurecht, die Welt
scheint ihm aus dem Lot geraten.

Ab wann wussten Sie, dass Sie Muratan Muslu besetzen würden und warum?
Und wie sind Sie auf Matthias Schweighöfer gekommen?
SR: Matthias ist ein großartiger Schauspieler, der nach seinen enormen Erfolgen in romantic comedies mal was Anderes machen wollte und daher sofort zugesagt hat. An Murathan dachte ich sofort, als ich das erste Mal das Drehbuch gelesen hatte. Ich halte ihn für den tollsten Filmschauspieler, den wir zur Zeit in Österreich haben, ein Star! Das männlich Aggressive, diese toxische Männlichkeit, die gekränkte Eitelkeit eines Heimkehrers, der meint den Krieg verloren zu haben, dafür wollte ich ein typisches Alpha-Männchen. Da gab es für mich keine Alternative.

Welche Rolle spielen Frauen in Ihrem Film.
Unsere weibliche Haupdarstellerin, gespielt von der wundervollen Liv Lisa Fries, ist Ärztin. Kriegszeiten, als alle Männer weg waren, waren die Chance für Frauen ihren Beruf auszuüben und sich zu emanzipieren! Und dafür steht auch diese Frauenfigur. Für Aufbruch, Kraft, Selbstbestimmtheit und Offenheit für alles Neue! Sie hilft unserem seelisch verwundeten Helden, Veränderung auch als Chance zu begreifen.

Sie sind in Ihrer Filmkunst sehr vielseitig. Kinderfilm gefolgt von Horrorschockern.
Welche Genre steht noch auf Ihrem Programm? Bzw. wird sich die Pandemie in einem
Ihrer Filme wiederfinden?
Also vor einer Komödie habe ich den größten Respekt!
Tatsächlich habe ich im Lockdown ein Drehbuch begonnen, das während der Pandemie spielt. Eine Komödie - denn wie die Gesellschaft und die Politik in dieser Zeit agiert haben, war das Interessante, oftmals grotesk und absurd. Wir werden sehen.

In der Coronazeit sind viele Bücher entstanden, auch von Erstlingsautoren. Wir gehen davon aus, dass Ihnen als Regisseur viele unterschiedliche Bücher angeboten werden, die Sie nicht alle lesen können. Stapeln sich die irgendwo in Ihrem Haus, bzw. was muss ein Buch haben, dass Sie es lesen und was muss es darüberhinaus anbieten, dass Sie es verfilmen?
Ja ich bekomme sehr viele Bücher angeboten. Aber ich lese nur Bücher die mir von Filmproduktionen angeboten werden und wo eine Finanzierung in Aussicht steht.

Eine letzte Frage. Der Beruf verlangt es, dass Sie sehr viel von zu Hause weg sind.
Wie gehen Sie und Ihre Familie damit um?
Also ich bin mir sicher, dass ich in Summe mehr zu Hause bin als wenn ich einen nine to five Job hätte. Die Zeiten sind nur etwas anders aufgeteilt. Meine Familie ist damit aufgewachsen und kennt es nicht anders. Für uns passt diese Lebensweise sehr gut!