Leben am Limit
Akuter Geldmangel treibt viele in den sozialen Rückzug
Vor allem Preissteigerungen in der Gastronomie und Unterhaltungsindustrie haben ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hinterlassen. Die Teuerung hat viele Menschen den Gang ins Stammlokal gekostet und sie zum sozialen Rückzug getrieben. Was das für die Gesundheit bedeuten kann, erklärt Paul Hofmann, Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision.
KLOSTERNEUBURG. Das stadtbekannte Lokal "Sabrina's", das (Noch)-Betreiberin Sabrina Kreutzberger immer liebevoll als ihr "zweites Wohnzimmer" bezeichnet hat, diente nicht nur ihr stets als ein solches. Katharina Sperl war eine von jenen Personen, für die der Gang ins Kaffeehaus in der Vergangenheit eine Regelmäßigkeit darstellte.
"Drei Mal pro Woche war ich mindestens für ein paar Stunden im Lokal – zum Freunde treffen und Plaudern"
, so die Pensionistin. Allerdings:
"Seitdem der Verlängerte vier Euro fünfzig kostet, habe ich das aufgegeben. Meine Mindestpension brauche ich für Miete, Energiekosten und Lebensmittel. Da bleibt nicht viel übrig für Kaffeehausfreuden."
Risikofaktor Einsamkeit
So wie Katharina Sperl fallen viele Personen dem schleichenden sozialen Rückzug anheim. Seine gesundheitsschädlichen Auswirkungen sind vielfältig, weiß Paul Hofmann. Er ist hypnosystemischer Coach und Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision.
"Die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von sozialem Rückzug sind vielfältig. Wenig überraschend ist der Zusammenhang von Einsamkeit und seelischem Leid wie Depressionen sowie in der Folge auch Angststörungen. Hier gilt wie bei allen psychischen Erkrankungen: Je früher diese behandelt werden, desto besser sind die Erfolgschancen"
, so Hofmann. Außerdem:
"Was wir aus zahlreichen internationalen Studien und Metastudien wissen: Chronische Einsamkeit erhöht deutlich das Risiko, an Herzinfarkten, Schlaganfällen, Krebs oder Demenz zu erkranken. Bemerkenswert sind die Effekte in der Breite und Ausprägung. Das Herzinfarktrisiko etwa ist um 30 Prozent höher als bei geselligen Menschen."
Wissenswerte Einblicke
Einige Veränderungen sind hirnphysiologisch oder endokrinologisch messbar, erklärt der Experte und führt weiters aus, dass typischerweise der Cortisolspiegel bei vereinsamten Menschen erhöht ist. Paul Hoffmann dazu:
"Ein dauerhaft zu hoher Cortisolspiegel kann Schlafprobleme, erhöhten Blutzuckerspiegel, Bluthochdruck, Übergewicht, koronare Herzerkrankungen, Libidoverlust und Magenprobleme bewirken."
Maßnahmen
Insgesamt, so der Experte, ist das Fehlen von sozialen Beziehungen über einen längeren Zeitraum ebenso nachteilig für die Gesundheit wie übermäßiger Alkoholkonsum, Nikotin, schlechte Ernährung oder Bewegungsmangel.
"Wenn sich der Kaffeehausbesuch finanziell nicht mehr ausgeht, sind etwa ehrenamtliches Engagement, Chorsingen, Spaziergänge und Wandern in der Gruppe oder die Mitwirkung im Ortsverschönerungsverein gesunde Alternativen"
, schlägt Hofmann vor. Auch Interventionen aus der sogenannten "positiven Psychologie" können laut ihm hilfreich wirken:
"Es gilt, sich zu fragen, mit welchen Menschen man am liebsten Zeit verbringen möchte. Was könnte man sich selbst oder – noch besser, weil selbstwirksamer - anderen Gutes tun? Und falls all dies eine zu große Hürde darstellt: Messenger-Apps können dabei unterstützen, zumindest mit Freunden oder der Familie Kontakt zu halten."
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