Kritik am Aufschub des Erwachsenenschutzgesetz
Heftige Kritik an dem von der Regierung angekündigten Aufschub des Erwachsenenschutzgesetzes wird laut.
KLOSTERNEUBURG/ PURKERSDORF/ Ö (mp). Das neue 2. Erwachsenenschutzgesetz (ErwSchG) sollte mit 1. Juli diesen Jahres in Kraft treten. Wesentliche Neuerung dieses, im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossenen Gesetzes, ist die Ablöse des 30 Jahre alten Sachwalterrechts. Abhängig von der Beeinträchtigung der Entscheidungsfindung gibt es vier verschiedene Möglichkeiten der Vertretung. Das Gesetz sollte Menschen mit Behinderungen heraus aus der Sachwalterschaft in ein selbstbestimmteres Leben führen. Laut Gesetzesvorblatt würden die Kosten dafür im heurigen Jahr 9,5 Millionen Euro aufgrund des Mehrbedarfs an Personal betragen und bis 2022 auf 2 Millionen Euro sinken.
Gesetz verschoben
Nun wurden aber Befürchtungen geäußert, dass die Novelle aufgrund des angeblich fehlenden Budgets um zwei Jahre verschoben werden soll. Rund 60.000 Menschen sind davon in Österreich betroffen. Österreichischer Behindertenrat, Caritas, Volkshife, SPÖ, Die Grünen, NEOS und diverse andere Vereine und Verbände zeigen sich empört und fordern die planmäßige Umsetzung des Gesetzes. „Das Erwachsenenschutzgesetz war ein Meilenstein, der von allen Parteien im Parlament voriges Jahr beschlossen worden ist – auch von ÖVP und FPÖ. Jetzt zu sagen, es geht sich nicht aus, ist eine Unverschämtheit und Respektlosigkeit vor den Betroffenen“, ist SPÖ-Seniorensprecher Dietmar Keck verärgert. Als "unverständlich" bezeichnet Irgmard Griss den "Rückzieher", für "inakzeptabel und ein Schritt in die absolut falsche Richtung" hält Herbert Pichler, Präsident des Behindertenrates die Pläne der Regierung.
Skepsis spürbar
Auch in Klosterneuburg und Purkersdorf ist die Skepsis über das Rückrudern der Regierung spürbar. "Wenn das Gesetz schon mal von allen Parteien beschlossen wurde, dann ist das Zurückziehen Humbug. Dann brauchen wir gar nichts mehr beschließen – an 9 Mio. Euro kann's nicht liegen. Wenn die Regierung willkürhaft alles wieder ändern kann, dann kommen wir nicht weiter", ist Werner Sallomon, Direktor der ASO Klosterneuburg, der Meinung. "Ich bin selber Sachwalter meiner Schwester, aber ich hab einen anderen Zugang dazu. Ich bin nur der Aufpasser im Hintergrund und lasse sie die meisten Dinge selber erledigen. Es gibt aber viele Menschen, die die Sachwalterschaft missbrauchen. Der Schutz beeinträchtigter Menschen ist wichtig – ob man mit einem Gesetz alles glattbügeln kann, ist aber die Frage. Es gibt immer einen Graubereich. Man kann nicht jeden Fall reglementieren", ergänzt er. Auch Sozialstadtrat Stefan Mann hält die Pläne für problematisch. "Das Gesetz ist lange ausverhandelt worden (Anm.: 3 Jahre). Ich hoffe, dass damit nicht Verschlechterungen verbunden sind und alles zurück an den Start geht. Es wäre zulasten der Schwächsten in der Gesellschaft, denen die Hoffnung auf ein Mehr an Recht und ein Mehr an Selbstbestimmung gegeben wurde und das jetzt auf die lange Bank geschoben wird. Die Verschiebung eines Gesetzes, das einstimmig beschlossen wurde, muss besonders kritisch hinterfragt werden", so Mann. Ähnlicher Meinung ist auch Franz Barz, Obmann des KOBV-Purkersdorf, einer Vertretung der behinderten Mitbürger und Kriegsopfer in den Purkersdorf und Umgebung. "Ich finde die Verschiebung nicht gut, da die Selbstbestimmtheit einer Bevölkerungsgruppe, die ohnehin schon benachteiligt ist, darunter leidet. Es ist schlecht, dass man ein Gesetz beschließt und die Folgekosten nicht berechnet. Wenn der mediale Druck größer wird, wird aber auch das Gesetz in Kraft treten", so Barz.
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