Kremser SC: „Da entsteht gerade etwas ganz Tolles“
Die tolle Saison-Leistung des Kremser SC wird vielfach Trainer Christian Karl zugeschrieben. Tatsächlich ist er einer, der wenig dem Zufall überlassen will, und einen Weg zwischen Analyse und taktischer Einstellung sucht. Den Bezirksblättern verrät er seine Motive und Ziele.
Bezirksblätter: Herr Karl, was macht den KSC für Sie reizvoll?
C. Karl: Ich war zu einer Zeit Nachwuchsspieler, als die Kampfmannschaft in der Bundesliga spielte, mit Hans Krankl, Mario Kempes. Da gab und gibt es in der Umgebung nichts Vergleichbares, für mich das höchste erreichbare Ziel. Das ist mir als Spieler und Trainer gelungen.
BB: Unterschiede zu anderen Teams rund um Krems?
C. Karl: Einfach die Professionalität, doch Vergleiche wären nicht fair, das sind zwei Paar Schuhe. Dafür kann es eben nicht so familiär wie z.B. beim SV Rehberg zugehen. Die Spieler hier sehen einander 5-6x pro Woche, da muss man nicht noch zusätzliche Zeit miteinander verbringen.
BB: Ist der KSC eine sportliche Visitenkarte von Krems?
C. Karl: 100%ig. In den letzten 50 Jahren waren UHK, das Kremser Eishockeyteam (leidet zurzeit unter fehlender Halle) und der KSC sportlich repräsentativ. Und für mich ist es eine persönliche Visitenkarte, beim Kremser SC Trainer zu sein, das ist schon was.
BB: Wie kam es zum Engagement als Trainer?
C. Karl: Aufgrund meiner Jahre beim KSC als Spieler und der persönlichen Integration ist es einfach passiert, als wäre es logisch gewesen. Auch wenn ich damals gerade bei den Rehbergern trainiert habe.
BB: Trainerphilosophie, Hauptaugenmerk beim Training?
C.Karl: ich bin gut im Umgang mit den Spielern, kann ein Spiel und den Gegner „lesen“. Dadurch gelingt es, die Mannschaft perfekt auf einen anderes Team einzustellen. „Trainerphilosophie“ ist doch ein Modebegriff, den viele Trainer nicht beantworten können. Es geht in Wahrheit um Taktik, die wiederum sehr stark vom jeweiligen Gegner abhängig ist. Essentiell ist es, die Mannschaft auf den jeweiligen Gegner richtig einzustellen.
BB: Gibt es eine übergeordnete Taktik, ein Konzept?
C. Karl: Im Moment stimmen Leistung und Einstellung 100%ig . Deshalb versuchen wir Pressing zu spielen. Wenn der Gegner allerdings den Ball nur wegdrischt, wird es schwierig. Grundsätzlich bevorzuge ich als System ein 4-2-4.
Ballhalten ist aufgrund der meist schlechten Platzverhältnisse eine Utopie. Seit ich hier Trainer bin, haben wir die meisten Tore geschossen, die wenigsten beikommen.
Wir verteidigen hoch und attackieren früh. Viele Spielsysteme haben heute einfach einen anderen Begriff, gegeben hat es sie aber immer schon. Ich bin froh, dass z.B. Manndeckung keine gängige Variante mehr ist.
BB: KSC, Teil Ihres Privatlebens?
C. Karl: Nein. Es muss vonseiten des Trainers eine Distanz da sein. Wir haben zwar oft Spaß am Platz, außerhalb gibt es aber keine gemeinsame Zeit. Teil einer professionelleren Einstellung.
BB: Welche Rolle spielen schwierige Spieler?
C. Karl: Wichtig ist, dass eine Mannschaft fähig zur Selbstreinigung ist. Da muss ich nur ganz selten was tun. Stimmige Chemie ist bereits bei der Spieler-Auswahl, wo ich komplett eingebunden bin, ein Thema. Wenn ich auf dem Platz private Probleme eines Spielers erkenne, wird darüber gesprochen.
BB: Beschäftigen Sie sich mit dem KSC-Nachwuchs?
C.Karl: Was ich sehe, ist ein riesiger Abstand zwischen Nachwuchs und Kampfmannschaft. Mit Glück bietet sich in 2, 3 Jahren wieder wer von den Jungen an. Leider wurde zuletzt nicht allzu gut gearbeitet. Das Lerchenfelder Nachwuchszentrum ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.
BB: Wann sollen Junge in die Kampfmannschaft?
C. Karl: Das liegt an der individuellen psychischen und physischen Entwicklung eines Spielers und letztendlich in der Entscheidung des Trainers. Wir haben z.B. einen 15-jährigen, der beim Training bereits voll mitgehen kann.
BB: Keine Gefahr, dass junge Spieler sensibler auf Kritik, Misserfolge reagieren?
C. Karl: Die emotionale Begleitung sehe ich als wichtigen Bereich der Trainerarbeit.
BB: Ihr Kader besteht aus 17 Österreichern und nur drei Legionären...
C.Karl: Grundsätzlich ist ein gewisser Kremsbezug, auch aus Zusehersicht, wichtig. Zur Klarstellung: Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus haben auf dem Fußballplatz nichts verloren. Ich teile die Meinung meines Bruders (Trainer SC Mautern), dass bis zur 1. Landesliga nur Österreicher spielen sollten, um einen starken Nachwuchs im Land zu haben. Meine Überzeugung ist aber, dass im Profifußball ohne Legionäre, kein anhaltender Erfolg möglich ist.
BB: Thema Vorbereitung - Erkenntnisse?
C. Karl: Die Frage um den 1er-Tormann wird nach der nächsten Partie entschieden. Zunächst hatte Posch die Nase vorne, jetzt bewies Zwirner eine stark ansteigende Form. Beide sind auf demselben Level, nicht einfach. Vom restlichen Kader sind zwei Spieler leicht verletzt. Meine Aufstellung ist aber ohnehin nie gleich, ich variiere gerne.
BB: Zurzeit Tabellenerster mit 31 Punkten...
C. Karl: Die Anzahl der Punkte entspricht dem momentanen Level des Teams, die Platzierung ist Kosmetik. Wenn wir unser Level gleichstark halten können, hängt unsere Endposition von den Punkten ab, die unsere Gegner liegenlassen. Es ist alles möglich.
BB: Warum wurden Auswärts mehr Punkte geholt als Zuhause?
C. Karl: Glück Auswärts und Unglück Zuhause haben sich die Waage gehalten.
BB: Kommt Glück zurück?
C. Karl: Absolut. Richtige Pechsträhnen habe ich in meiner Karriere nur ein einziges Mal erlebt. Am Ende gleicht es sich aus.
BB: Fit für die Regionalliga - theoretisch?
C. Karl: Vom Umfeld her entsteht gerade etwas tolles. Somit ja - mit ein, zwei Zugängen sollte es klappen. Wir sind ja sehr professionell aufgestellt, was sich auch bei Qualität und Quantität der Sponsoren zeigt.
BB: Ihre persönliche Zukunft in Krems?
C. Karl: Ich habe jeweils 1-Jahres-Verträge und Vorgaben, an denen ich gemessen werde. Allesamt ziemlich realistisch. Aber: es wäre mir als Trainer zu wenig, als oberstes Ziel den Klassenerhalt zu schaffen.
BB: Abschließend ein spezielles Anliegen?
C. Karl: Krems braucht einen Kunstrasenplatz. Dafür würden nicht nur sämtliche Vereine aus dem Umfeld sondern auch die Schulen über die Wintermonate extrem profitieren.
Zur Person
Christian Karl, Jahrgang 1976, lebt mit Lebensgefährtin und Kindern, Mädchen (9), Bub (12) in Rehberg.
Ab dem 6. Lebensjahr Nachwuchs-Spieler beim SV Rehberg, mehrere aktive Jahre. Weiters: KSC (Nachwuchs, U-21), Droß, Heitzendorf, Furth, Retz, Rohrendorf. Trainerstationen: SV Rehberg, KSC. Hauptberuflich ist Stefan Karl ÖBB-Nachrichtentechniker.
Lieblingsspielsystem: Flach spielen, hoch gewinnen.
Lieblingsverein(e): Rapid Wien, Juventus Turin
Lieblingstrainer bzw. Vorbild: Keine/r
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