Bernstein for ever: 100. Geburtstag
Besser geht's nicht
Leonard Bernstein wollte als Komponist nicht nur über die „West Side Story“ (1957) definiert werden. Da kam ihm sehr zupass, dass Jacqueline Kennedy, die Witwe des ermordeten Präsidenten J.F. Kennedy, Bernstein beauftragte, für die Eröffnung des John F. Kennedy Center for the Performing Arts in Washington eine Messe zu komponieren. 1971 machte er sich an die Arbeit. Zur Gestaltung griff der Jude auf das katholische Ordinarium Missae zurück, ergänzte es mit weiteren Liturgietexten und schuf ein sakrales und politisches Werk. Neben dem Aufbau von Kyrie bis zum Agnus Dei fügte er Meditationen bei, griff zu Texten, die die Orientierungslosigkeit, Unsicherheit und Zweifel seiner Zeit dokumentierten. Die Parolen der Protestbewegung gegen die katholische Amtskirche flossen in die Mammutmesse ein.
Im Wiener Konzerthaus kommt „Mass“, das selten gespielte Opus, zur Aufführung. Allein der hohe Personalaufwand – das ORF Radiosymphonieorchester, die Wiener Singakademie, die Opernschule der Staatsoper, die Company of Music, 12 Gesangsolisten und der Celebrant Vojtěch Dyk, der tschechische Allround-Künstler, Bandleader und Schauspieler - trugen wesentlich zum Erfolg des Konzertes bei. Dyk, mal zornig, mal bedenklich, mal beschreibend, zeigt sein gesamtes Können. All dieses künstlerische Können hält der Dirigent Dennis Russell Davis zusammen. Der 74-jährige US-Bürger leitet die Messe unaufgeregt. Der wechselnde Rhythmus zwischen 12-Ton, Broadway-Show-Musik, Jazz, Balladen und klassischen Stilelementen macht weder ihm noch den anderen Protagonisten Schwierigkeiten. Die Ausgewogenheit zwischen den Gesangs- und Instrumentalgruppen schuf eine Atmosphäre der Atemlosigkeit. Eine Hervorhebung Einzelner wäre der falsche Ansatz, weil das Gesamtbild ein famoses Ganzes zustande bringt. Der Ausnahmekünstler Bernstein - Komponist, Dirigent, Pädagoge, Musiker, Kulturbotschafter und insbesondere Humanist - serviert mit seinem Meisterwerk „Mass“ eine verschwenderische Schöpfung für ein Publikum, dem ein Klangbild reinster Brillanz serviert wird. Anhaltender Jubel. Ich fühle einen ästhetischen Aufbruch zu neuen Wegen.
Zum 100. Geburtstag von „Lenny“ ist das Bühnenschauspiel im Wiener Konzerthaus eine Hommage an das Ehrenmitglied der Wiener Konzerthausgesellschaft.
Next Bernstein: 26.11.2018 spielt das Sydney Symphony Orchestra unter anderem die Ouvertüre zu Candide.
Infos und Tickets: www.konzerthaus.at
Nochmals Bernstein
Die „Junge Philharmonie“ bei der Gala „Wider die Gewalt“ tritt am 12. November im Ronacher auf. Bei der 28. Gala-Veranstaltung hat Dirigent Michael Lessky hat dafür zwei Gusto-Stückerln ausgesucht, die zum Thema passen und gleichzeitig auch den Geschmack des Publikums treffen werden: Mozarts 1. Satz aus der berühmten g-Moll Symphonie und Bernsteins „Simple Song“ aus seiner Mass.
Neue Chefdirigentin für RSO: Marin Alsop
Nach dem für mich einer der besten Dirigenten unseren Zeit, Cornelius Meister, deinen Abschied vom Radio Symphonie Orchester Wien (RSO) gekommen hat, wurde nun eine Nachfolgerin für ihn gefunden. Marin Alsop gilt weltweit als inspirierende und einflussreiche Dirigentenpersönlichkeit, als eine Orchesterleiterin mit Gestaltungswillen und Leidenschaft, getragen von der tiefen Überzeugung, dass „Musik unser Leben verändern kann“. International wird sie geschätzt für ihre innovativen Programme sowie für ihr Engagement für Publikumsschichten aller Altersgruppen.
Als eine der bekanntesten Schülerinnen Leonard Bernsteins kommt ihr eine zentrale Rolle bei den weltweiten Feierlichkeiten anlässlich Bernsteins 100. Geburtstag zu: Sie eröffnete den Bernstein-Schwerpunkt des London Symphony Orchestra, dirigierte „Mass” beim Ravinia Festival, dessen Programme sie 2018 und 2019 kuratiert, und tritt im Southbank Centre auf, wo sie Artist in Residence ist. Ebenso im Southbank Centre dirigiert sie Brahms „Ein Deutsches Requiem“ mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment. Mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment, mit dem sie regelmäßig zusammen arbeitet, ist sie bei den BBC Proms mit Brahms, Schumann und Verdi auf Originalinstrumenten aufgetreten. Im September 2013 war Marin Alsop die erste Dirigentin, die die BBC‘s Last Night of the Proms geleitet hat, eine Wiedereinladung für 2015 folgte prompt.
Reinhard Hübl
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